Ingolstadt
60 Patienten in einer Schicht

Ansturm auf GOIN-Notfallpraxis kaum zu bewältigen – fest angestellte Ärzte sollen Abhilfe schaffen

29.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:42 Uhr

Immer mehr Menschen suchen Hilfe in der GOIN-Notfallpraxis am Klinikum. Diese Szene wurde für unseren Fotografen nachgestellt. - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Als die GOIN-Notfallpraxis 2003 eröffnet wurde, kamen im ersten Jahr rund 7000 Patienten. Heute sind es über 20 000. Die Zahl der Ärzte, die die regelmäßigen Dienste schieben müssen, hat sich dagegen kaum verändert. Der Druck auf sie wird immer größer. Kann das gut gehen?

„Ich kenne Kollegen, die schon Tage vor dem Notdienst nervös sind und nicht schlafen können“, sagt der Hausarzt, Ärztesprecher und SPD-Stadtrat Anton Böhm. Dass der Dienst ein Knochenjob ist, weiß er aus Erfahrung. Etwa 60 Patienten habe er in der GOIN-Notfallpraxis an Silvester versorgen müssen, erinnert sich der Hausarzt. Als er ein paar Tage später erneut zum Dienst antrat, seien es ähnlich viele gewesen. „Es gibt etliche, die sagen, ,ich pack’ das nicht, mir ist das zu viel’“, erzählt Böhm. Denn zu dem Dienst in der Notfallpraxis kommt der normale hausärztliche Nachtdienst durch die Kassenärztliche Vereinigung noch dazu. Am Wochenende müsse ein Arzt oft nach dem regulären Bereitschaftsdienst, bei dem man laut Böhm nachts „im Durchschnitt fünf- bis sechsmal raus muss“, um 8 Uhr morgens zum Tagdienst (mit Pause bis 22 Uhr) in der GOIN-Notfallpraxis antreten. Und wenn dann ein Fehler passiert? „Als Arzt haben Sie die Verantwortung. Sie stehen immer in der Haftung“, sagt Siegfried Jedamzik, der Vorsitzende des Ärztenetzes GOIN, selbst Hausarzt.

Jedamzik nennt die GOIN-Notfallpraxis am Klinikum ein Erfolgsmodell. Auch, wenn es – vor allem in sozialen Netzwerken – immer wieder Beschwerden hagelt. „Bei mir landen pro Jahr nur drei bis vier“, betont der GOIN-Chef. Dabei gehe es fast immer um lange Wartezeiten. Angesichts der Vielzahl von Behandlungen halte sich die Zahl der Beschwerden sehr in Grenzen, so Jedamzik.

Doch erst unlängst berichtete der DK über den Tod einer 64-jährigen Frau aus Manching, die zwei Tage nach Aufsuchen der GOIN-Praxis an einem Darmverschluss starb, weil dieser nicht erkannt worden war. Gegen die diensthabende Ärztin ermittelt die Staatsanwaltschaft. Zu der immer größer werdenden Arbeitsbelastung in der GOIN-Notfallpraxis fand der Mediziner Böhm unlängst in einer Sitzung des Krankenhauszweckverbandes deutliche Worte. An Wochenenden, Feiertagen und an Tagen wie Weihnachten oder Neujahr werde die Notfallpraxis von Patienten geradezu überrollt. „Für den einzelnen Doktor ist das nicht mehr machbar“, sagte er.

GOIN-Chef Jedamzik kennt das Problem. Von rund 80 Ärzten, die – so schreibt es die Kassenärztliche Vereinigung vor – regelmäßig Notdienst machen müssen, stünden tatsächlich in der Regel nur um die 50 zur Verfügung. Wenn jemand aus nachvollziehbaren Gründen keinen Dienst machen wolle, versuche man, eine Vertretung zu organisieren, sagt Jedamzik. Dass die Belastung immer größer werde, weiß auch er – allein in der Weihnachtswoche von 22. bis 28. Dezember 2014 haben 783 Menschen die Notfallpraxis am Klinikum aufgesucht. An einem Montagabend (29. Dezember) waren es 92.

Er sei seit Jahren an einer Lösung dran, sagt Jedamzik. Überlegungen, „ob wir nicht zwei bis vier Kollegen finden, die für uns Notdienst machen“, gebe es schon lange. Jetzt sei höchste Zeit, sie in die Tat umzusetzen. „Ich führe intensive Gespräche mit Ärzten aus München“, sagt er. Die Mediziner würden dann bei GOIN fest angestellt – und könnten als hauptamtliche Notdienstärzte die dem Ärztenetzwerk angehörenden Mediziner entlasten. Diese wiederum müssten dafür einen finanziellen Obolus leisten.

Jedamzik will dies noch in diesem Jahr ausprobieren. Der Modellversuch, schwebt ihm vor, soll mit dem neuen Dienstplan im April starten. Die Kassenärztliche Vereinigung plane zudem, in einem Patenmodell jungen Kollegen beim Notdienst einen erfahrenen Kollegen zur Seite zu stellen.

Als letzten Schritt kann sich Jedamzik vorstellen, dass ausschließlich Notfallärzte in der GOIN-Praxis tätig sind. Eine Lösung, an der auch Ärztesprecher Anton Böhm Gefallen findet. Auch wenn ein solches Modell sicher nicht bei allen Kollegen auf Begeisterung stoßen wird. Doch schon der drohende Hausärztemangel werde zu solchen Lösungen zwingen, sagt Böhm. Auch Klinikum-Geschäftsführer Heribert Fastenmeier kann dem Vorhaben etwas abgewinnen: „Wir sind für jeden Weg offen.“