Ingolstadt
"Prävention ist unsere schärfste Waffe"

Cybercop Markus Dobler ist auf Verbrecherjagd im Internet, setzt aber vor allem auf Aufklärung

26.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:52 Uhr

Polizei auf Sendung: Markus Dobler, Kriminalhauptkommissar beim Polizeipräsidium Oberbayern Nord, wird von seiner Kollegin Nadine Hofmann vom Social-Media-Team für einen neuen Facebook-Post gefilmt. - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Fake-Shops, Phishing-Mails, Schadsoftware - längst haben Kriminelle das Internet als Betätigungsfeld entdeckt. Die Polizei ist ihnen mit sogenannten Cybercops in den virtuellen Raum gefolgt. Seit dem 1. März gibt es am Polizeipräsidium Oberbayern Nord ein eigenes Kommissariat, das sich mit Betrugskriminalität im Internet beschäftigt. Die Verbrecherjagd im Netz ist aber schwierig, umso wichtiger ist deswegen die Prävention, erklärt Kriminalhauptkommissar Markus Dobler. Auf dem Facebook-Kanal des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord erklärt er deswegen seit einiger Zeit in kurzen Videos, wie man sich gegen die Tricks der Internetbetrüger schützen kann.

Was erstaunt Sie bei Ihrer Arbeit mehr: die Chuzpe der Täter oder die Blauäugigkeit ihrer Opfer?

Markus Dobler: Beides. Es ist wie beim Autofahren: Früher war es ganz normal, sich nicht anzuschnallen, heute macht es jeder. Wir sind gerade an einem ähnlichen Punkt. Die Leute haben noch nicht ganz verstanden, wo die Gefahren des Internets liegen, wie groß sie sind und wie man sich schützen kann. Viele denken: Ach, mein Passwort ist sicher, da verwende ich gleich überall das gleiche. Diese Blauäugigkeit verwundert mich dann schon. Dass man einen Virenschutz installieren muss, weiß zwar mittlerweile jeder. Aber die Details sind vielen nicht bewusst.

 

Was sind denn die gängigen Maschen der Kriminellen?

Dobler: Leider kann man das nicht so festlegen. Es verändert sich. Die Täter entwickeln sich mit der Technik mit. Und das sind schnelle Schritte. Deswegen sind die Phänomene immer wieder andere. Wir haben derzeit ein Riesenproblem mit Fake-Shops. Die waren vor drei Jahren kein Thema, und ich bin mir sicher, dass wir in drei Jahren wieder über ganz andere Dinge sprechen.

 

Was sollte ein Computernutzer mindestens tun? Sie haben den Virenschutz angesprochen. Der reicht ja nicht, wenn man ihn nicht aktualisiert.

Dobler: Ja genau. Man muss sich auch bewusst machen, dass der Antivirenschutz keine Lebensversicherung ist. Man muss ihn sich wie einen Türsteher vorstellen. Wenn der sagt: Heute kommen keine Leute mit weißen Hemden rein, funktioniert das. Aber wenn der Antivirenschutz nicht aktuell ist, weiß er nicht, dass die Bösen heute weiße Hemden anhaben - und dann kommen die rein. Aus meiner Sicht ist der wichtigste Schutz aber nichts Technisches, sondern das Wissen um die Gefahren im Internet. Das Wissen, es gibt Betrüger, ich brauche ein sicheres Passwort, es gibt Phishing-Mails. Und: eine gesunde Vorsicht. Es gibt Dinge, die uns schon wundern. Warum überweist jemand 50 000 Euro an jemanden, den er nicht kennt?

 

Man sollte also skeptisch werden, wenn man einen 500-Euro-Gutschein von Ikea oder Amazon bekommt.

Dobler: Genau. Das ist ein schönes Beispiel. Vielleicht kennen Sie die Facebook-Seite Mimikama. Da wird so etwas auch immer wieder angesprochen: Mir schenkt der Media-Markt keine 500 Euro. Auch nicht Saturn und Rewe. Warum sollten die das tun? Man sollte vorsichtig sein. Zum Beispiel bei einer Mail mit einer Rechnung im Anhang von einer Firma, bei der ich nichts bestellt habe. In solchen Fällen ist es ja noch einfach. Aber wenn ich Onlinebanking mache und alles sieht so aus wie immer, warum sollte ich da skeptisch sein? Wenn einem etwas komisch vorkommt, ist es besser, lieber einmal mehr bei uns nachzufragen.

 

Soll ich mich bei jeder Fake-Mail an Sie wenden? Nicht einfach löschen?

Dobler: Wenn Sie selber sehen, dass das eine Fake-Mail ist, dann löschen Sie sie einfach. Das ist wie Werbung im Briefkasten. Die können sie wegschmeißen. Wenn man allerdings betrogen wurde oder die Gefahr besteht, dass man betrogen wird, weil man zum Beispiel bei einem Online-Shop einkaufen will, den man so nicht kennt, dann ist es kein Thema, uns anzurufen. Dazu sind wir ja da.

 

Ihre Aufgabe ist ja nicht nur, Opfer zu schützen, sondern Täter dingfest zu machen. Wie geht das angesichts eines virtuellen Raums und des grenzenlosen, internationalen Internets?

Dobler: Damit haben Sie die entscheidenden Punkte angesprochen: virtuell und international. Wir haben Täter, bei denen wir nicht wissen, wo sie sind. Sie könnten in China sitzen oder in Kösching. Das ist für uns nicht feststellbar. Es gibt diese IP-Adressen, die Schall und Rauch sind, weil sie jeder ändern kann. Wenn wir aber doch wissen, der Täter agiert in Ingolstadt, dann gehen wir natürlich sofort drauf.

 

Wie kann das gehen?

Dobler: Angenommen ein Ingolstädter startet einen Fake-Shop. Dann hat er ein Konto, das natürlich nicht auf seinen Namen geführt wird, aber er will irgendwie an sein Geld ran. Und, die Bank muss die Konto-Unterlagen irgendwohin schicken. Die Adresse schauen wir uns an. Das sind in den meisten Fällen irgendwelche Hochhäuser, wo es 40 Briefkästen gibt, aber wir wissen dann, wir haben hier einen Bezug zu Ingolstadt. Oder es kommt zu Abhebungen. Auch dann wissen wir, wir haben es mit einem hiesigen Täter zu tun. Aktuell gibt es da keinen Fall, aber das hat es schon gegeben. Wenn aber etwa jemand heimlich eine Software auf einen Rechner spielt - der Bundestrojaner ist ja auch so was -, wissen wir natürlich nicht, wo der Täter steckt. Da sind uns die Hände gebunden. Deswegen ist ja die Prävention so wichtig, dass man sich Schadsoftware gar nicht erst auf den Computer holt.

 

Stichwort Datenschutz. So mancher auch unbescholtene Computer-Nutzer surft lieber im Darknet, um zu vermeiden, dass sein Tun von irgendjemandem - auch der Polizei - ausgespäht wird. Ist das ein Problem?

Dobler: Ich finde es lustig, dass einer, der nichts macht, anonym sein will, damit wir nicht mitlesen. Wenn ich wirklich mal Zeit hätte und keine Arbeit, würde ich nicht auf die Idee kommen, die Chats von irgendjemand völlig Unverdächtigem mitzulesen. Der Datenschutz ist für uns so eng gehalten, dass alle Möglichkeiten, die wir haben, immer einen Richtervorbehalt haben. Das heißt, ich kann nicht einfach so irgendwo mitlesen. Sondern ich muss mir immer über den Beschluss eines Richters die Erlaubnis holen. Erst dann ist der Datenschutz für uns kein Hindernis mehr. Das geschieht überhaupt nur sehr selten und in Fällen, in denen auch Sie sagen würden: ,Das ist völlig nachvollziehbar.'

 

Die Schwierigkeiten der Ermittlungen machen also die Prävention besonders wichtig. Sie sind jetzt auf Facebook mit einer Video-Serie vertreten. Wie ist es dazu gekommen?

Dobler: Unser Social-Media-Team ist auf mich zugekommen und hat gefragt, ob das eine Option für Prävention wäre und ob es genügend Themen gibt. Und die gibt es natürlich. Für uns ist seit langer Zeit klar, dass Prävention unsere schärfste Waffe im Kampf gegen Internetkriminalität ist.

 

Drei Videos sind bisher erschienen: über Fake-Shops, Passwortsicherheit und sogenannte CEO-Frauds. Wie geht es weiter?

Dobler: Drei weitere sind bereits aufgenommen, die noch bearbeitet werden. Und es wird noch mehr geben. Sie werden als eine Open-End-Serie unregelmäßig erscheinen. Das heißt, immer wenn ein Thema aufpoppt, möchten wir ganz aktuell damit aufschlagen. Eines der nächsten Videos handelt von Facebook-Freundschaftsanfragen von ganz, ganz hübschen Frauen.

 

Das Gespräch führte

Johannes Hauser.