Ingolstadt
Neuer Ärger fürs Klinikum

Ungereimtheiten bei der Bettenbelegung des stationären Hospizes – Wechsel in der Geschäftsführung

17.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:46 Uhr

−Foto: Eberl, Stefan, Ingolstadt

Ingolstadt (DK) Nun gerät das Ingolstädter Klinikum auch wegen Ungereimtheiten bei der Belegung des Elisabeth-Hospizes in den vergangenen sieben Jahre in die Bredouille. So sollen nur 10 Betten zur Verfügung gestellt worden sein, obwohl laut Versorgungsauftrag 13 Betten hätten vorgehalten werden müssen.

„Da wurde Menschen gesagt, wir haben kein Bett frei, obwohl Betten da waren“, ereifert sich Jens Böhm, der Vorsitzende des Hospizvereins, im Gespräch mit dem DK. Menschen, die schwerstkrank sind und nur noch wenige Wochen zu leben haben. Dabei seien 13 Plätze von der Regierung von Oberbayern für die Einrichtung in Ingolstadt gefördert worden. Die Zahl der Betten richtet sich nach der Einwohnerzahl der Region 10, dem Einzugsbereich des stationären Hospizes. Irgendwann habe der Hospizverein festgestellt, dass seit dem Tag der Eröffnung nur zehn Plätze bereitgestellt worden seien. Der Verein, der 74 Prozent der Anteile an der Elisabeth Hospiz gGmbH hält, setzte dem ein Ende.

Böhm sieht in der bis dahin geltenden Praxis nicht nur einen Verstoß gegen den Versorgungsauftrag, sondern vor allem „eine moralische Verfehlung“. Die Klinikum GmbH, die mit 26 Prozent den geringeren Anteil am Elisabeth-Hospiz am Unteren Graben hat, der Einrichtung allerdings zur Gründung die entsprechende Starthilfe gab, stellte seit der Eröffnung im Mai 2009 den Geschäftsführer. Ende April dieses Jahres wurde Franz Hartinger bei einer Gesellschafterversammlung mit den mehrheitlichen Stimmen des Hospizvereins abgesetzt – laut Böhm gegen den Willen des Aufsichtsrats der Klinikum GmbH. Seit 28. April führt der stellvertretende Vorsitzende des Vereins, Hans Pütz, die Geschäfte des stationären Hospizes. Pütz (73) war bis zu seinem Ruhestand Geschäftsführer der Media-Saturn-Holding. Innerhalb eines Fernstudiums als Mediator machte er auch eine Ausbildung in Trauer- und Sterbebegleitung, wie alle, die sich ehrenamtlich im Hospizverein engagieren. Die Geschäftsführung des Hospizes leistet er ehrenamtlich. Nur Auslagen werden ihm bezahlt. Bis zum Wechsel in der Geschäftsführung hatte das Hospiz aufgrund eines zwischen der Einrichtung und der Klinikum GmbH geschlossenen sogenannten Geschäftsbesorgungsvertrages monatlich ein Entgelt ans Klinikum entrichten müssen. Zuletzt waren das laut Pütz rund 3000 Euro.

Dass mit der Belegung der Betten „etwas sehr komisch“ (Böhm) ist, ist dem Hospizverein aufgrund der im Vergleich zu anderen Hospizen unterdurchschnittlichen Auslastung aufgefallen. Während in Bayern die durchschnittliche Auslastung bei zwischen 85 und 95 Prozent liege, war das Elisabeth-Hospiz 2015, also sechs Jahre nach der Eröffnung, nur zu 66,7 Prozent belegt. Kaum, dass alle 13 Betten zur Verfügung standen, soll die Auslastung sprunghaft angestiegen sein. Wie aus den Beteiligungsberichten des Krankenhauszweckverbands hervorgeht, erwirtschaftete die Einrichtung 2015 einen Jahresüberschuss von 105 000 Euro. 2009, als das Hospiz eröffnet wurde, war es tief in den roten Zahlen. Einen Großteil des Defizits von 215 000 Euro glich damals die Klinikum GmbH aus. Doch seit dem Jahr 2014 schreibt die Einrichtung schwarze Zahlen.

Dass das Hospiz drei Betten weniger betrieb als vorgesehen, hat nach Einschätzung Böhms wirtschaftliche Gründe. Dass nicht gleich alle Plätze belegt sind, wenn ein Hospiz eröffnet, sei normal. Aber später sei die Nachfrage da gewesen. „Das können wir belegen“, so Böhm. Doch mit weniger Betten habe man weniger Personal halten müssen. Unter der neuen Führung wurde das Personal jetzt von vorher 10 auf 15 Vollzeitkräfte aufgestockt. „Ein Hospiz ist eine soziale Einrichtung, kein Wirtschaftsbetrieb“, sagt Pütz.

Bei Alexander Zugsbradl, dem Geschäftsführer des Klinikums, sei er mit seiner Kritik an der Belegung des Hospizes auf taube Ohren gestoßen, sagt Böhm. Ein Fehlverhalten Hartingers habe dieser nicht gesehen. Erst durch sein Vorsprechen bei OB Christian Lösel habe sich etwas bewegt. Daraufhin sei die Gesellschafterversammlung einberufen worden, bei der Franz Hartinger als Geschäftsführer des Hospizes abgesetzt wurde. Dass Hartinger aber immer noch Geschäftsführer der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) ist und eine weitere Klinikums-Tochter leitet, kann Böhm nicht verstehen.

Dass die Sache jetzt öffentlich wurde, ist FDP-Stadtrat Karl Ettinger zu verdanken. Er hat zu den Vorgängen im Hospiz einen Fragenkatalog an den Aufsichtsratsvorsitzenden, OB Christian Lösel, geschickt. Die meisten Fragen, etwa zum geplanten Kauf des Anwesens des stationären Hospizes am Unteren Graben durch die Bengl-Stiftung und zur Entlohnung des Personals, werden laut Stadtsprecher Michael Klarner in der nächsten Versammlung des Krankenhauszweckverbands am 26. Juli beantwortet. Einen Punkt allerdings, jenen, in dem Ettinger schlussfolgert, dass alle 13 Betten bei den Krankenkassen abgerechnet worden seien, obwohl nur 10 vorgehalten wurden, wies er schon gestern zurück. „Nicht belegte Betten sind auch nicht abgerechnet worden.“

Kommentar

 

Das Klinikum hat als Geburtshelfer des stationären Hospizes in Ingolstadt sicher gute Dienste geleistet. Das darf nicht vergessen werden. Alleine hätte der Hospizverein das Projekt damals nie stemmen können. Doch schon damals – wir erinnern uns – gab es kritische Stimmen. Schon damals wurde befürchtet, dass das Klinikum die Einrichtung allein unter wirtschaftlichen Aspekten führen könnte. Die Angst, zeigt sich jetzt, war wohl berechtigt.

Ein Hospiz, das sterbenden Menschen ihre letzten Lebenswochen, soweit möglich, erträglich machen soll, kann man eben nicht streng nach Bilanzen beurteilen. Wenn hier tatsächlich dringend benötigte Betten, die bezuschusst waren, aus wirtschaftlichen Gründen vorenthalten worden sein sollten, zeigt dies nicht nur eine kriminelle Energie der Verantwortlichen, sondern auch, wie weit es mit unserem Sozialstaat gekommen ist. Armes Deutschland!
 

 

Hospiz

Das stationäre Elisabeth-Hospiz wurde 2009 im Unteren Graben eröffnet. Gesellschafter der gemeinnützigen GmbH sind zu 74 Prozent der Hospizverein Ingolstadt und zu 26 Prozent die Klinikum GmbH. Die Kosten für einen Platz übernehmen zu 95 Prozent die Krankenkassen, der Rest wird über Spenden finanziert. Im Hospiz arbeiten speziell ausgebildete Pflegekräfte. Der Verein sucht aber auch weitere Ehrenamtliche, die in der Sterbebegleitung tätig sind. Auch sie werden entsprechend geschult. | rl