Ingolstadt
Zwischen Halogenlampen und streikenden Erziehern

Die Gewerkschaften in der Region ziehen Bilanz – die fällt bei den Metallern sehr gut aus, bei der Polizei weniger

03.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:57 Uhr

Vor dem Arbeitsgericht landete die geplante Wahl eines Betriebsrates beim Siegenburger Folienhersteller buergo.fol, der in Ingolstadt ein Werk an der Manchinger Straße hat. Man werde massiv behindert, klagt Andreas Blaser von der Gewerkschaft BCE (Bergbau, Chemie, Energie): »Ein wahnsinniger Kampf. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Der Deutsche Gewerkschafts-Bund (DGB) ruft in Ingolstadt in den großen Ferien stets zum Sommergespräch. Das fiel heuer besonders üppig aus, da fast alle Vertreter der Mitgliedsgewerkschaften einen Sprecher schickten. Die Themen sind so vielfältig wie die Arbeitswelt in der Region. Ein Auszug:

 

n DGB: Mehr als 100 000 Mitglieder zählt der Dachverband der Gewerkschaften inzwischen in Oberbayern. Der Regionsvorsitzende Günter Zellner strahlt: „Eine ganz tolle Zahl.“ Auch der Mindestlohn entwickle sich ein halbes Jahr nach der Einführung trotz aller Unkenrufe zum Erfolg. Jobkiller? Betriebssterben? Nicht umsetzbar? „Die Beschäftigung steigt, der Spargel wurde geerntet, auch die Gurke liegt im Regal“, erwidert Zellner. Eine Million Deutsche mehr würden höhere Beiträge in die Sozialkassen zahlen. „Das ergibt auch mehr Konsum“, freut er sich. Auch die jetzt angebrochene Debatte zur Arbeitszeit (feste Wochenstunden, aber flexibles Tagespensum) „sehen wir ganz gelassen“, sagt er. Das TTIP-Abkommen ist dafür großes Thema. Am 10. Oktober organisiert der DGB Busse zur Großdemo nach Berlin.

 

n IG Metall: Das Zugpferd zählt im Bezirk Ingolstadt alleine über 48 000 Mitglieder, was diesen zum drittgrößten IGM-Standort Deutschlands (nach Wolfsburg und Stuttgart) macht. Beim Wachstum liegt die Verwaltungsstelle ganz vorne. Nicht „die alltäglichen Kämpfe“ stehen für den Ersten Bevollmächtigten Johann Horn aktuell im Fokus. Die „dritte industrielle Revolution“ steht weltweit an, was inzwischen etwas holprig als „Industrie 4.0“ bezeichnet wird. „Die virtuelle Welt des PCs wird wieder zu Dingen“, sagt Horn. Jeder soll bald alle seine eigenen Produkte herstellen können. 3D-Drucker liefern jetzt schon Titanbauteile, Kleidung und sogar Häuserbausteine, wie Horn aus Japan und China weiß. „Alles, was wir haben, gibt es besser, schneller, effizienter.“ Der Produktionsprozess werde sich dadurch „extrem verändern“. Die Chance „einer schönen Welt“ bestehe für die einen, während die anderen „abgehängt werden“. Den „verteilungspolitischen Kampf“ wird die Gewerkschaft begleiten beziehungsweise entgegensteuern, versichert Horn.

Dann werden die Metaller aber doch noch tagesaktuell: Sie kämpfen bei Airbus Defence and Space sowie Osram, wie Horns Stellvertreter Bernhard Stiedl berichtet. „Das Bild hat sich komplett gedreht“, der Stellenabbau am Manchinger Flughafen ist (vorerst) gestoppt. Der Eurofighter wird wieder intensiv gewartet, „die haben sogar Stellen ausgeschrieben“, so Stiedl. Und die rund 3500 Beschäftigten, von denen sich Airbus „im nicht-fliegenden Geschäft“ durch Abspaltung von Unternehmensteilen trennen will, betreffen die Region laut Stiedl nicht.

Der Kampf läuft auch bei Osram in Eichstätt intensiv. „Richtig groß ist der Ärger“ bei Stiedl und Horn auf die Konzernleitung. „Wir aus Ingolstadt haben das Halogenlampenverbot in Brüssel gekippt“, sagen die Männer stolz. Aber „im Stile der Erpressung“ habe Osram trotzdem durchgesetzt, dass das traditionelle Lampengeschäft ausgliedert wird und 700 Arbeitsplätze in Eichstätt weiter im Feuer stehen. „Aber wir trauen es uns zu, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Wir werden Regelungen und Standortsicherheit einfordern“, kündigt Stiedl einen harten Kampf der stark organisierten Gewerkschafter an.

 

n Verdi: Beim Postreik hat Verdi zuletzt „riesig mobilisiert“, sagt Reinhard Semmler, der stellvertretende Regionsgeschäftsführer. Der Erfolg sei „ein tolles Tarifergebnis“. Den Kita-Streik hätten „die Eltern sehr gut mitgetragen“, so Semmler. Im Moment laufe hier im Bereich Sozial- und Erziehungsdienst die Mitgliederbefragung, ob der Kompromiss angenommen werde.

 

n GdP (Gewerkschaft der Polizei): „Sind wir zufrieden? Nö, können wir nicht sein.“ Roland Kade, der stellvertretende Bezirksvorsitzende der GdP, und seine Kollegen klagen weiter massiv über Personalmangel an den Dienststellen in der Region. Die Ingolstädter Kripo sei „die belastetste Dienststelle im gesamten Polizeipräsidium“ und im Vergleich zu anderen Großstädten hoffnungslos unterbesetzt. Kade präsentiert Zahlen: Auf die nur 103 Kripoleute in Ingolstadt kämen im Jahr pro Person über 30 „der nicht ganz einfachen“ Fälle. Die Kollegen in Regensburg und Würzburg (jeweils deutlich mehr Leute) hätten nur 23 beziehungsweise 20 Fälle auf dem Tisch. Auch die Ingolstädter Inspektion sei mit einem Soll von 201 Beamten und einer tatsächlichen Besetzung von 167 („Wenn die überhaupt alle da sind“) im Vergleich mit Regensburg (240) und Würzburg (290) viel zu klein. „Das sind alles Sachen, die die Kollegen irgendwann nicht mehr schaffen“, so Kade, der Streifenpolizist in Geisenfeld ist.