Ingolstadt
Zuschauer nicht erwünscht

Unmut in der Moschee – der Neubau der Conti Temic gewährt den direkten Blick in die Gebetsräume

04.03.2012 | Stand 03.12.2020, 1:46 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Viele Muslime sind verärgert. Sie stört der Neubau der Conti Temic neben der Moschee. Er verdeckt das Gotteshaus und ermöglicht Blicke in die Gebetsräume. Auch intern gibt es Ärger. Der Vorsitzende der Gemeinde hat dem Bau wohl zugestimmt, ohne die anderen zu fragen.

Schaute man früher von der Theodor-Heuss-Brücke Richtung Nordwesten, beherrschte ein Bauwerk die Aussicht: die helle Moschee in der Manisastraße mit ihren Minaretten samt grauer Kuppel. Sie ist die größte Moschee Bayerns und seit 2008 fester Bestandteil des Stadtbildes. Die Ingolstädter Muslime sind stolz auf ihr Gotteshaus.
 
Doch seit Kurzem stört ein neues Gebäude in der Ringlerstraße den Ausblick. Die Firma Conti Temic hat dort ein Logistikzentrum errichten lassen. Es soll Ende April fertig werden, zieht jetzt aber den Unmut vieler Angehöriger der islamischen Gemeinde (Ditib) auf sich. Atila Dikilitas, Mitglied des Migrationsrates, kennt die Sorgen: „Die Leute wollen, dass man die schöne Architektur der Moschee von Weitem sehen kann. Aber nun verschwindet sie hinter dem neuen Gebäude.“ Zudem kann man von dem fünfstöckigen Bau in die Gebetsräume blicken. „Im Grunde darf man das alles schon sehen“, erklärt Dikilitas. Aber: „Beim Gebet wollen die Muslime nicht beobachtet werden.“
 
Um genau diesem Ärger vorzubeugen, konnte sich der Vorstand der Ditib die Baupläne vor Baubeginn ansehen. Herbert Lorenz ist Vorstand der städtischen Tochtergesellschaft IFG, die sich zusammen mit dem regionalen Immobilieninvestor VIB an dem Projekt beteiligt hat. „Wir haben die Baugenehmigung dem Vorstandsvorsitzenden der Moschee vorgelegt“, berichtet er. Dieser habe sie unterschrieben. Das Problem: Obwohl die Maße im Plan eingezeichnet waren, hat die Dimension des fertigen Gebäudes die Muslime doch überrascht. „Sie hatten nicht mit dieser Höhe gerechnet“, sagt Lorenz.
 
Hinzu kommt, dass nicht der gesamte Vorstand über das Projekt informiert war. Ein Angehöriger der Gemeinde, der ungenannt bleiben möchte, weiß, dass deswegen Unmut im Moscheeverein herrscht. „Ein Vorstandsmitglied hat die Genehmigung unterzeichnet, ohne die anderen Mitglieder einzubeziehen“, berichtet er. Dies sei der Anstoß gewesen, einen neuen Vorstand zu wählen.
 
Der Vorstandsvorsitzende Bektas Pala will sich zu dem Vorwurf nicht äußern: „Das ist eine interne Angelegenheit.“ Er sagt, dass der Vorstand nicht deshalb neu gewählt werde. „Eine Neuwahl hätte sowieso angestanden.“ Das sieht Mehmet Günet, ein Anwalt der Ditib-Zentrale in Köln, anders. Er ist mit dem Streit betraut. „Der Vorstandsvorsitzende hat die Bauunterlagen erhalten und zugestimmt, ohne den Vorstand zu informieren“, erklärt er. Dies habe er aber nur getan, weil er der Meinung war, das Einverständnis des übrigen Vorstands werde dafür rechtlich nicht benötigt.
 
Christian Lösel, Vorsitzender des Migrationsrates, hat in einer Sitzung versucht, die Lage zu klären. „Wir verstehen, dass das Gebäude die Muslime stört. Doch die Moschee steht eben in einem Gewerbegebiet. Da muss man mit solchen Bauten rechnen.“ Zudem wäre das Gebäude auch ohne Unterschrift des Moscheevereins errichtet worden, da es bereits genehmigt war. Nun will sich Lösel mit dem neuen Vorsitzenden über Maßnahmen rund um das Gotteshaus beraten. „Ich habe bereits mit vielen Leuten Gespräche geführt“, erzählt er. Jedoch brauche er einen festen Ansprechpartner. „Wir wollen etwas für die Moschee tun“, sagt der Integrationsbeauftragte. Es ließe sich ein einfacherer Zugang zur Moschee schaffen und der Weg besser ausschildern. „Das kann ich aber nicht mit einzelnen Mitgliedern planen, sondern muss es konkret mit dem Vorstand besprechen.“
 
Für die Gebetsräume ist mittlerweile eine Lösung gefunden worden. An den Moscheefenstern soll eine Dekoration im osmanischen Stil angebracht werden. Gemeindemitglied Hakan Sirt hält das für einen guten Weg: „So sieht das Fenster wie vereist aus und niemand kann mehr hinblicken.“