Ingolstadt
Zahlmeister endete im Bauwagen

62-Jährige soll Lebensgefährten um Haus und Hof gebracht haben – Berufungsprozess vor dem Landgericht

22.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:50 Uhr

Ingolstadt/Pfaffenhofen (DK) Durch einen abenteuerlichen Betrugsfall hat sich die Berufungskammer des Landgerichts zu wühlen: Eine 62-jährige Frau aus dem Landkreis Pfaffenhofen soll ihren einstigen Lebensgefährten nach und nach um rund eine halbe Million Euro gebracht haben. Sie bestreitet diese Schadenshöhe.

Es ist einer jener Fälle, die den Blick auf ein ziemlich verpfuschtes Leben freigeben: Die Angeklagte, die vormals lange in Baden-Württemberg zu Hause war, hat seit Mitte der 60er Jahre Erfahrungen mit der Justiz gemacht. Auf 23 Einträge kommt ihr Vorstrafenregister inzwischen; mehrfach hat sie bereits im Gefängnis gesessen.

Das Spektrum der Vergehen und Delikte bewegt sich von Verstößen gegen Straßenverkehrs- und Versicherungsbestimmungen über Diebstahl, Beleidigungs- und Widerstandshandlungen bis hin zu schweren Betrügereien. Vorsitzender Konrad Kliegl musste gestern bei Verlesung früherer Urteile auch nochmals einen Fall beleuchten, bei dem die Frau in den 80er Jahren in Südbaden ein Rentnerehepaar, dessen Vertrauen sie sich erschlichen hatte, um gut 150 000 Mark gebracht hatte. Auch das Bestehlen von flüchtigen Kneipenbekanntschaften kam da und dort vor. Tatmotiv war offenbar meistens chronischer Geldmangel aufgrund häufiger Kneipen- und Spielhallenbesuche gewesen.

Wofür die Frau das Geld im jetzt verhandelten neuerlichen Fall verwendet hat, steht dahin. Sie bestreitet jedenfalls, dass bei den insgesamt über 20 Einzeltaten, die sie zum Schaden ihres früheren Partners aus dem nördlichen Landkreis Pfaffenhofen verübt haben soll, die in der Anklage von der Staatsanwaltschaft zugrunde gelegten rund 460 000 Euro zusammengekommen sind. In erster Instanz hatte das Pfaffenhofener Amtsgericht die Frau im vergangenen Mai zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Weil das Schöffengericht keine Fluchtgefahr erkannt hatte, ist sie noch auf freiem Fuß.

Ihr letztes Opfer – so jedenfalls die Beweislage vor dem Amtsgericht – hatte die Frau Anfang des vorigen Jahrzehnts bei einer Kur kennengelernt. Der vertrauensselige Mann, inzwischen 70 Jahre alt, hatte sich alsbald von seiner Ehefrau getrennt und die Geliebte 2002 bei sich einziehen lassen.

Fortan kam der lange arglose, ja offenbar gar naive Rentner laut Anklage immer wieder für angebliche alte Schulden oder vorgebliche hohe akute Verbindlichkeiten seiner neuen Lebensgefährtin auf. Den späteren Ermittlungen der Polizei nach ging es mal um vorgeschützte Autoreparaturen (obwohl die Frau offenbar gar keinen Wagen und auch keinen Führerschein besaß), mal um Ausgaben für den Sohn, wieder ein anderes Mal um angebliche Anwaltskosten im Zuge eines vorgeblichen Hausverkaufs.

Das Opfer wurde den Anklagepunkten zufolge allmählich ausgenommen wie eine Weihnachtsgans, musste Versicherungen auflösen und sein Haus beleihen und schließlich sogar verkaufen, um den immer neuen Forderungen der Geliebten nachzukommen. Letzen Endes, so heißt es, habe er nahezu mittellos in einem Bauwagen hausen müssen.

Die Kammer hat sich nun durch jede Menge Unterlagen zu arbeiten – Kontoauszüge, Versicherungskorrespondenz, Schuldscheine und private Darlehensverträge füllen einen dicken Aktenordner. Das Gericht will beim nächsten Termin Mitte Januar einige Zeugen hören, darunter auch das Opfer. Mit einem Urteil wird nicht vor Ende Januar gerechnet.