Ingolstadt
"Wir sind wie ein altes Ehepaar"

Berta Gabriel begann als Lehrmädchen in der Metzgerei Hübner – heuer erlebt sie dort ihr 50. Weihnachten

22.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:50 Uhr

Berta Gabriel in ihrem Element: Seit fast 50 Jahren bedient sie Stammkunden wie Manfred Seehütter (rechts) in der Metzgerei Hübner. Der freut sich über einen kleinen Ratsch. Auch Inhaber Richard Hübner (Mitte) ist zufrieden. - Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) Im Eheleben feiert man Goldene Hochzeit, wenn man 50 Jahre Tisch und Bett geteilt hat. Im Berufsleben – und nicht nur da – werden solche Jubiläen in Zeiten einer Gesellschaft, die flexibel sein will, immer seltener.

Berta Gabriel und Richard Hübner haben es dennoch geschafft, es ein halbes Jahrhundert miteinander auszuhalten.

Tisch und Bett teilen sie zwar nicht, dafür aber die Liebe zum Beruf, dem sie ein ganzes Arbeitsleben lang hinter der Fleischertheke nachgegangen sind. „Wir sind wie ein altes Metzger-Ehepaar“, sagt Richard Hübner, der den Betrieb von seinem Vater übernommen hat. Gemeinsam mit Berta Gabriel begann er 1965 in der elterlichen Metzgerei seine Ausbildung. Seither sind beide sozusagen unzertrennlich, erleben heuer ihr 50. Weihnachtsfest als Chef und Angestellte. Am 31. Dezember jedoch geht der gemeinsame Weg erst einmal zu Ende. Dann wird Berta Gabriel in den Ruhestand eintreten. Sieben Monate länger und sie hätte auch ihr 50-jähriges Betriebsjubiläum in der Metzgerei an der Asamstraße in Ringsee feiern können.

Begonnen hat alles am 1. August 1965. An dem Tag stand Gabriel zum ersten Mal als Lehrmädchen im Laden der Hübners. Damals noch im alten Geschäft in der Falterstraße. Eigentlich wollte das Mädchen aus Unsernherrn Hauswirtschafterin werden. Dass sie dann Verkäuferin für Fleisch und Wurst wurde, sei „Zufall gewesen“, sagt sie. Diesem Zufall hat ihr Vater ein wenig nachgeholfen. Der saß mit dem alten Herrn von Richard Hübner früher öfter in der Schlachthofwirtschaft an der Frühlingstraße zusammen. „Eines Tages hat er ihn angeredet, weil er ein Lehrmädchen suchte“, erzählt Gabriel. Ihr Vater reagierte prompt und empfahl seine Tochter, die im selben Jahr aus der Schule kam. „Kurz darauf habe ich mich vorgestellt.“

Ob großes oder kleines Einwickelpapier oder doch lieber eine Plastiktüte, um den Einkauf nach Hause zu bringen – wer seine Stammkundschaft so lange bedient hat wie Gabriel, der weiß nicht nur, was ihr schmeckt, sondern kennt auch ihre praktischen Vorlieben beim Transport. „Und wenn man das weiß, macht man es so. Kein Problem“, sagt sie wie selbstverständlich. Der Kunde ist König – dieser Leitsatz war für Gabriel stets ungeschriebenes Gesetz, das sie mit Humor und Gemütlichkeit umsetzt. „Ich bin ein lustiger Mensch, nehme nicht alles so ernst“, sagt sie über sich selbst. Bei Kunden, die sie gut kennt, durfte deswegen auf die herzliche Art auch mal ein bisschen gestichelt werden: „50 Gramm? Dann komm doch wieder, wenn du mehr Hunger hast“, hat sie einmal gesagt. Wichtig sei eben, dass die Leute zufrieden und mit einem Lächeln wieder aus dem Laden gehen. Dabei die richtige Balance zwischen Höflichkeit und Schelmerei zu finden, ist die Kunst, die sie beherrscht.

Bei einigen Kunden wird das Lächeln nun wohl erst einmal verschwinden. „Was, Sie hören auf? Das geht nicht. Wie kann man mit 45 schon in Rente gehen“, schmeichelt ihr ein perplexer Kunde, als sie ihm die Neuigkeit mitteilt. „Eine andere Kundin hat gleich zu weinen begonnen“, erzählt sie. „Ein bisschen verzogen sind sie also schon“, lässt Gabriel dann wieder ihren typischen Humor aufblitzen, wegen dem man ihr nicht böse sein kann. Froh ist sie durchaus, dass bald mehr Ruhe einkehrt in den Alltag. Ihren Job mag sie aber nach wie vor. „Auch, wenn es manchmal viel ist und immer mehr wird und man ja auch älter wird“, räumt sie ein und seufzt kaum vernehmbar, als könne man ihr das als ein Zeichen von Schwäche auslegen. Manchmal falle es auch schwer, das riesige Stück Fleisch in den Schaukasten zu hängen. „Das hat ja ein Gewicht“, sagt sie. Gesundheitlich gehe es ihr aber gut. „Ich bin zufrieden, war heuer noch nicht beim Arzt.“ Zeit zum Kranksein habe sie ohnehin nicht. „Das kommt vielleicht in der Rente“, meint die Mutter zweier erwachsener Kinder.

Viel Zeit hat sie dagegen bald für ihre große Leidenschaft, den FC Ingolstadt. Seit drei Jahren sind ihr Mann und sie dem Verein treu, besuchen jedes Heimspiel. Und auch ihre Mutter, die bei den Gabriels lebt, fordert einen Teil der neu gewonnenen Freizeit ein. Nur Hausfrau wollte Gabriel nie sein. „Das war nie ein Thema. Ich bin immer gerne in die Arbeit gegangen.“ So ganz kann sie von den Würsten und vom Bauchspeck aber dann doch nicht lassen. Freitags will Berta Gabriel nach wie vor in der Metzgerei stehen und ihre Stammkunden bedienen. „Damit ich nicht alles vergesse“, sagt sie lachend. Richard Hübner freut das natürlich und er hofft insgeheim, dass seine Berta auch sonst einspringt, sollte es hinter der Fleischertheke mal brennen. „Dafür sind wir zu sehr zusammengewachsen“, sagt er stolz und beschreibt das Verhältnis als „fast schon geschwisterlich“.

Wie es denn bei Gehaltsverhandlungen sei, wenn man sich so vertraut ist und doch ein Dienstverhältnis pflegt? Hübner lacht. „Das geht schon“, meint er dann. „Jeder kennt trotzdem seine persönlichen Grenzen.“ Meinungsverschiedenheiten habe es sowieso kaum gegeben. „Wir haben beide ein ruhiges Wesen. Das kennen wir gar nicht, dass einer auf seinem Standpunkt beharrt.“

Und selbst wenn Gabriel nicht mehr als Vollzeitkraft zur Verfügung steht, als Kundin wird sie wohl noch oft zurückkehren. Denn Fleisch und Wurst essen die Gabriels auch daheim gern. „Es gibt doch nichts Besseres“, sagt sie.