Ingolstadt
"Wir sind tiefste Diaspora"

Kein Stern, keine Haube: Der Showmanager Horst Bork über die vor sich hin darbende Gastroszene

23.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:31 Uhr

Ingolstadt (DK) Als vor ein paar Wochen die Testesser des Guide Michelin und des Gault Millau ihre neuen Bewertungen veröffentlicht haben, war wieder einmal kein Restaurant aus Ingolstadt dabei. Während die Region deutschlandweit in fast allen Rankings Spitzenplätze einnimmt, findet sich in Ingolstadt und der näheren Umgebung kein prämiertes Restaurant.

Horst Bork kennt die Restaurantszene wie kaum ein anderer. Der Musik- und Showmanager (u. a. Falco) aus Ingolstadt berät unter anderem den Jahrhundertkoch Eckhart Witzigmann, den kürzlich mit drei Sternen prämierten Kevin Fehling und den Fernsehkoch Hans Jörg Bachmeier.

 

Herr Bork, wo gehen Sie in der Region gerne zum Essen?

Horst Bork: Ich esse laufend berufsbedingt, aber sehr selten in Ingolstadt. Der Wittelsbacher Golfclub in Neuburg-Rohrenfeld praktiziert eine einfache, ehrliche Küche, da wird man selten enttäuscht. Und hin und wieder im Avus, da blitzt manchmal auf, was machbar wäre.

 

Woran liegt es, dass Ingolstadt seit Jahren eine sterne- und haubenfreie Zone ist?

Bork: Es gibt nicht einen Grund, sondern ein Bündel an Ursachen. Zwischen München, Augsburg, Regensburg und Nürnberg passiert gastronomisch nicht viel. Ich meine das in Bezug auf eine Küche, die für einen Stern oder Hauben infrage kommt. Das Problem Ingolstadts ist sicher, dass sich viele, die sich eine Top-Küche leisten können und wollen, nach München orientieren. Zudem hat es in Ingolstadt noch nie einen Koch gegeben, der es sich zum Ziel gemacht hat, einen Stern oder 17, 18 Hauben zu bekommen.

 

Lohnt sich die Sterne-Küche finanziell?

Bork: Sie ist im wahrsten Sinn ein hartes Brot. Reich wird man nicht unbedingt damit. Viele ausgezeichnete Köche führen ihre Restaurants unter dem Mantel eines Hotels. Das ist in Ingolstadt ja auch nicht der Fall. Die hiesigen Hotels glänzen ja auch nicht durch eine ambitionierte Küche, da ist viel Durchschnitt im Spiel. Unter dem Rock eines Hotels ist eine Rendite von zehn Prozent möglich. Wobei gerade natürlich noch hohe Investitionen in Küche, Besteck, Geschirr, Ausstattung und Wein anfallen. Schnell wird man damit nicht reich, das kann sich auch zu einem Marathonlauf entwickeln. Es sei denn, der Koch kann über Bücher oder TV-Shows dazuverdienen.

 

Sie haben keinen Grund zur Hoffnung für Ingolstadt?

Bork: Nein, und das aus einem guten Grund. Im Michelin gibt es jetzt auch eine Kategorie unter dem ersten Stern. Da taucht Ingolstadt auch nicht auf. Wir sind also tiefste Diaspora.

 

Obwohl in der Region die Wirtschaftskraft unbestritten vorhanden ist.

Bork: Deswegen versteht man das auch nicht. Schauen Sie sich das Esszimmer in München an. Da hat BMW viel Geld in die Hand genommen und gesagt: Wir wollen mindestens zwei Sterne für unser Restaurant in der BWM-Welt, am liebsten drei. Und jetzt haben sie bereits zwei Sterne.

 

In Ingolstadt versucht Audi mit dem Avus, eine ambitionierte Küche zu bieten.

Bork: Das ist löblich, funktioniert aber offensichtlich nicht so richtig. Im Avus hat man versucht mit Gastspielen prominenter Köche Profil zu gewinnen, man wollte eben eine Vielfalt bieten. Dabei benötigt ein Sterne-Restaurant in meinen Augen eine ausgeprägte eigene Identität. Das ist vergleichbar mit einem Theater. Dort gibt es ja auch ein festes Ensemble und das muss das eigene Profil entwickeln. Gastspiele fremder Bühnen helfen da auf Dauer nicht.

 

Sie sind am Blauen Bock in München beteiligt, haben ein Netzwerk wie kaum ein anderer in der Szene. Haben Sie nicht mal überlegt, in Ingolstadt ein Projekt zu starten?

Bork: Ich bin schon öfter von Ingolstädter Unternehmern angesprochen worden, die einen Koch suchen. Aber komischerweise machen die ambitionierten Köche alle um Ingolstadt einen großen Bogen. Ich weiß nicht weshalb, keiner will offenbar der Erste sein. Das ist schon irgendwie ein Mysterium. Aber wenn mir mal langweilig ist und mich der Übermut packt, dann ist das vielleicht einmal ein Thema.

 

Das Gespräch führte

Stefan König.