Ingolstadt
"Wir haben einen grünen Fuß in der Tür"

Fraktionschefin Petra Kleine über ihre Erfahrungen mit der neuen Konstellation in der Stadtregierung

04.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:50 Uhr

„Hier an der Staustufe ist so eine Demarkationslinie“: Fraktionschefin Petra Kleine und ihre Stadtratskollegen lehnen die Brücke als künftige Verkehrstrasse für Busse ab - Foto: Abels

Ingolstadt (DK) In der Verkehrspolitik der Stadt scheint sich tatsächlich eine Zeitenwende anzubahnen. Denn zum ersten Mal sind in diesem Jahr ausnahmslos alle fünf Fraktionsvorsitzenden des Stadtrates zum DK-Sommerinterview mit dem Fahrrad angereist. Für die Dienstälteste und Letzte in der Gesprächsreihe, Petra Kleine (55), ist das ohnehin eine Selbstverständlichkeit, als sie zum Treffpunkt an der Brücke der Staustufe kommt.

 Die Fraktionschefin der Grünen wurde zwar 2014 bereits zum sechsten Mal in den Stadtrat gewählt. Danach folgte aber auch für die erfahrene Umweltpolitikerin eine echte Premiere: Denn ihre Partei stellt jetzt einen Referenten in der Stadtregierung.

Frau Kleine, die Grünen haben sich sehr früh festgelegt und gegen eine mögliche Buslinie über die Donau-Staustufe ausgesprochen. Warum?

Petra Kleine: Hier an der Staustufe entscheidet sich grundsätzlich etwas in der Verkehrsentwicklung Ingolstadts. Wir sind nach wie vor eine wachsende, boomende Stadt. In dieser Situation muss man sich die Frage stellen, wie man Wachstum gestaltet. Ich möchte nicht unbedingt von Grenzen des Wachstums sprechen, aber hier wäre eine Grenze. In der aktuellen Situation kann man nicht mehr ausufernd ohne Rücksicht auf Landverbrauch, sondern muss intelligent wachsen und sich nach innen verdichten. Ich vergleiche das immer mit dem Gehirn, das begrenzte Raumkapazität hat, aber unendliches Wachstum nach innen durch Verdichtung. Hier an der Staustufe ist so eine Demarkationslinie: Bis hierhin ist innen, ab da ist außen.

 

Wenn wir noch ein Stück weiter nach außen gehen – Anfang August hat sich die CSU/FW-Koalition nach der Krise zusammengerauft und darauf verständigt, einen Korridor für einen Donautunnel freizuhalten. Lebt jetzt Ihr Bürgerbegehren wieder auf?

Kleine: Ja. Das war ja so geplant, dass man mit diesem Thema in die Wahl geht und dann sieht, wie sich die Verhandlungen gestalten. Bei einer Koalition mit den Grünen wäre dieser Raum definitiv tabu gewesen für jede weitere Verkehrsentwicklung. Die CSU verhält sich da etwas unberechenbar. Sie positioniert sich inhaltlich gegen einen weiteren Verkehrskorridor und muss dann doch wieder zurückrudern. Da halten wir es für richtig und geboten, mit dem Bürgerbegehren jetzt wieder aktiv in die Diskussion einzusteigen. Nachdem es da keinerlei zeitliche Befristung gibt, ist das auch das richtige Mittel. Wir sind nicht zahm. Wir sind zwar berechenbar, aber richtig anstrengend für die CSU.

 

Der Auwald zwischen Ingolstadt und Neuburg ist sicher einer der wertvollsten Naturräume. Da hätte man schon auch mal ein Wort vom neuen Umweltreferenten der Grünen erwartet. Warum kommt da nichts von Rupert Ebner?

Kleine: Ehrlich gesagt, habe ich ihn das nicht selbst gefragt, weil wir hier sehr klar Position beziehen und zum Verkehrsentwicklungsplan Stellung bezogen haben. Keine Ahnung.

 

Ein Jahr Stadtreferent der Grünen, der erste überhaupt für Ihre Partei – was hat es gebracht?

Kleine: Zuerst mal die Einsicht, jawohl, es ist ein Experiment, und zwar für beide Seiten. Für die CSU, die das Angebot des Referentenpostens gemacht hat, ohne zu wissen, welche Person, ob Bildung oder Umwelt, von uns besetzt werden wird. Wir waren da frei und hatten das Vorschlagsrecht. Die Konstellation, dass es einen Grünen-Referenten, aber keinerlei Vereinbarung zwischen CSU und Grünen gibt, hat Vor- und Nachteile. Man hat sich auf keine Themen festgelegt, weil es keine Koalition ist. Der Vorteil: Ein Grüner ist jetzt in der Verwaltung. Wir versuchen das als Katalysator zu nutzen für grüne Programmatik, als Beschleuniger für grüne Ideen. Bisher haben wir Fifty-fifty-Bilanz, weil man erst mal abwarten muss, wie sich das Verhältnis entwickelt. OB Lösel war neu, unsere Fraktion war neu. Man hat bei den Sondierungsgesprächen schon gewusst, dass Audi aufs Bayernoil-Gelände will. Da war es uns wichtig, dass wir bei den internen Gesprächen mit Audi schon einen grünen Fuß in der Tür haben.

 

Der OB legt offensichtlich großen Wert darauf, die Grünen mit einzubinden. Was hat sich seit seinem Amtsantritt im Mai 2014 geändert? Geht er anders mit den Grünen um als sein Vorgänger Alfred Lehmann?

Kleine: Zu Lehmann war es auch ein kritisches, aber offenes und gutes Verhältnis. Wir konnten mit Lehmann offen streiten, haben heftige Auseinandersetzungen gehabt. Die Veränderung ist eher in der CSU-Stadtratsfraktion zu spüren. Von da kommen andere Inputs. Zwischen Grünen-Fraktion und dem OB war’s bei Lehmann offen und klar im Text, so ist es auch bei OB Lösel – mit dem kleinen Unterschied, dass wir uns alle zwei, drei Wochen für eine halbe Stunde zum Jour fixe zusammensetzen.

 

Der geplante IN-Campus auf dem Bayernoil-Gelände neben dem Naturschutzgebiet dürfte das wichtigste Entwicklungsprojekt der nächsten Jahre sein. Bisher haben die Grünen zugestimmt. Wo ist für Sie eine Grenze erreicht, ab der Sie nicht mehr mitgehen können?

Kleine: Wegen der Beteiligung des Grünen-Referenten haben wir dieses Thema anders angegangen als sonst. Wir haben intern ganz viel Vorarbeit geleistet in Gesprächen auch mit dem Bund Naturschutz. Im März haben wir einen Vorschlag gemacht: 15 Hektar auf dem Gelände plus zehn Hektar freiwillig zusätzliche Renaturierungsfläche. Dem ist der Stadtrat einstimmig gefolgt. Für uns war klar, dass auch die ÖDP auf dieser Linie mitgeht. Jetzt gab es eigentlich nur noch die Detailfrage, ob man es mitträgt, dass die da so kleine Häuschen reinbauen. Das tragen wir auch nicht mit, da wollen wir noch mal eine Korrektur. Die Grenze ist der einstimmige Beschluss des Stadtrates mit den Naturentwicklungsflächen auf dem Gelände. Auch wenn das ganz still und zahm daherkam, finde ich es ein hervorragendes Vorgehen für das wichtigste Entwicklungsprojekt in Ingolstadt. Innerhalb von Audi stand es ja immer wieder Spitz auf Knopf, ob man das überhaupt macht.

 

Nicht für die Wirtschaft, aber für die Kultur ist die Theatersanierung das wichtigste und teuerste Projekt der Stadt. Dem Kämmerer wäre es wohl am liebsten, wenn es erst nach seiner Amtszeit passieren würde.

Kleine: Dieser Wunsch ist spürbar (lacht).

 

Muss die Sanierung, wenn man sich das Theater genauer anschaut, nach all den Jahren nicht endlich forciert werden?

Kleine: Wenn man es aus der Innensicht des Theaters betrachtet, müsste man es unbedingt forcieren, weil die Zustände innen eigentlich nicht mehr zumutbar sind: von den vielen Flächen, die das Restaurant besetzt mit Lager und, und, und – bis hin zu den Werkstätten, die im Grunde nicht arbeitsplatzgerecht sind. Da gibt es dringenden Bedarf, schnell zu handeln, und zwar seit Jahren.

 

Die Fragen stellte

Reimund Herbst.