Ingolstadt
Wer soll das bezahlen?

Künstler und Piratenpartei streiten um das Urheberrecht im Internet

16.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:29 Uhr

Brotlose Kunst: Wird die Musik der Ingolstädter Band Slut illegal aus dem Internet geladen, bleibt der Geldbeutel von Schlagzeuger Matthias Neuburger leer. Dennoch soll jeder Internetnutzer Musik künftig kostenlos hören dürfen, findet die Piratenpartei - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Die Piratenpartei fordert, Musik für private Nutzer im Internet kostenlos zu machen. Künstler fürchten allerdings um ihr Einkommen und die künstlerische Vielfalt.

Als die Plattenfirma der Ingolstädter Band Slut entschied, die offiziellen Videos der Gruppe von der Internetplattform Youtube zu löschen, habe er sich „erst schon geärgert“ sagt Schlagzeuger Matthias Neuburger. Dann allerdings sei er ins Grübeln gekommen. Heute sieht auch er mit Sorge, was im Internet mit Büchern, Filmen und Liedern passiert: Sie werden kopiert, weitergegeben, auf der eigenen Festplatte gespeichert – nicht selten, ohne dass die Urheber etwas davon haben.

Zum Aufreger für die Allgemeinheit wurde das Thema, als die Piratenpartei sich für eine Reform des Urherberrechtes starkmachte, das sie für nicht mehr zeitgemäß hält. Kopien für den privaten Gebrauch sollten grundsätzlich kostenlos sein, hieß es. Viele Künstler unterzeichneten daraufhin eine virtuelle Unterschriftenliste. Sie fürchten um die „materielle Basis für individuelles geistiges Schaffen“. Dass die Lieder seiner Band kostenlos kopiert werden, stört auch Hans Ziller, der 1986 mit Bonfire das erste Album veröffentlicht hat. „Niemand arbeitet gern umsonst.“ Das habe auch mit Wertschätzung für kreative Arbeit zu tun. „Musik darf kein Wegwerfprodukt sein.“ Früher hätte er sich das Taschengeld gespart, um ein neues Album von den Stones kaufen zu können. „Heute kann man ein Lied für 79 Cent ’runterladen. Das ist okay, das bringt keinen um.“ Neuburger sieht die gesamte Gratis-Mentalität des Internets kritisch. „Dass im Internet alles für alle kostenlos zur Verfügung stehen muss, ist ein falsches Verständnis von Freiheit“, findet er.

Benedikt Schmidt, Vorsitzender der Piratenpartei in Ingolstadt, kennt die Argumentation. „Es ist ein komplexes Thema“, räumt er ein. „Die Position der Piraten zum Urheberrecht umfasst mehr als zwei Seiten“, sagt er. Die technische Entwicklung der letzten Jahrzehnte bringe Veränderungen mit sich, die eine Anpassung bestehender Gesetze und Vorstellungen erforderten. „Wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag.“ Wollte man vermeiden, dass im Internet illegal Musik getauscht wird, müsse man jeden User überwachen. Das erlaube aber der Datenschutz nicht. Er wehre sich deswegen dagegen, „alle Nutzer von Tauschbörsen zu kriminalisieren und die individuelle Freiheit im Internet durch weitreichende Verbote und Überwachung zu beschneiden“.

Die Diskussion wird heftig geführt. Internetaktivisten von Anonymous – „nicht die Piraten“, betont Schmidt – haben private Daten von Künstlern veröffentlicht, die sich gegen die Urherberrechtsänderung ausgesprochen haben. Auf der anderen Seite berichtet Schmidt, ihm sei körperliche Gewalt angedroht worden. „Das ist mir seit ich mich politisch engagiere noch nie passiert.“ Kunstschaffende fordert er auf, sich neue Geschäftsmodelle zu überlegen. Geld könne auch durch Konzerte oder Werbeartikel verdient werden.

Neuburger sieht vor allem die Internetfirmen in der Pflicht, die mit den künstlerischen Inhalten Geld verdienen. Darunter fallen Filesharing-Portale, aber auch Youtube. „Die sind bis heute nicht bereit, etwas zu zahlen“, sagt er. Dabei habe ein Lied zwar einen ideellen Wert, müsse sich für den Musiker aber auch wirtschaftlich rechnen. Sonst seien vor allem alternative Künstler abseits des kommerziell erfolgreichen Mainstreams in Gefahr.

Dass jeder Klick im Internet überwacht wird, will auch der Musiker nicht. Allerdings könnten die Nutzerdaten, die auf den Servern der Tauschbörsen liegen, helfen, um die User darauf aufmerksam zu machen, dass sie etwas Illegales tun. Denn in einer Sache sind sich Piraten und Künstler einig: „Die Leute haben überhaupt kein Unrechtsbewusstsein“, sagt selbst Schmidt.