Ingolstadt
Wenn der Tod unbezahlbar wird

Ein schlichtes Grab als letzte Ruhe: Auf dem Nordfriedhof finden auch Sozialbestattungen statt

30.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr

Ein letzter Gruß in aller Bescheidenheit: Hier und da sind an den schlichten Holzkreuzen, die an den Sozialgräbern stehen, ein paar Plastikblumen drapiert oder längst verwitterte Stoffengel angebracht - Fotos: Brandl

Ingolstadt (DK) G 3 heißt die Parzelle schlicht im Fachjargon der Friedhofsverwaltung. So wie auch jede andere Grababteilung auf dem Nordfriedhof ihr Kürzel trägt. Ein kleines Messingschild am Eingang weist nüchtern darauf hin. Die Gräber, die dahinter liegen, sind zum großen Teil nicht weniger nüchtern und oft nur karg geschmückt.

G 3 ist eine von drei Sozialabteilungen auf dem Gottesacker im Norden der Stadt unweit des Güterverkehrszentrums. Hier werden Verstorbene beigesetzt, die entweder in einfachen sozialen Verhältnissen gelebt und deshalb für ihre eigene Beerdigung nicht vorgesorgt haben. Oder deren Angehörige für die Bestattungskosten nicht aufkommen können. Sofern die Toten überhaupt noch Verwandte hatten. Die Auslagen für die letzte Ruhe trägt dann das Sozialamt oder Ordnungsamt. Statt einem Grabstein erinnert meist nur ein kleines Schild an den Verstorbenen. Festgeschraubt an einem schlichten Holzkreuz. Mit dem eingravierten Namen und dem Geburts- und Todesjahr darauf. Manchmal findet sich auch der eine oder andere letzte Gruß an den einfach gehaltenen Gräbern. Mal ein Bild des Verstorbenen in verblichenen Farben, mal ein paar Plastikblumen oder ein längst verwitterter Stoffengel, der am Kruzifix baumelt. Manchmal aber auch ein Rosenkranz, der an der Grabstelle drapiert ist. Nur einige Gräber wirken gepflegt oder werden von frischen Blumen und Gestecken geschmückt. Auch jetzt – zu Allerheiligen. Ein wohl untrügliches Zeichen dafür, dass die hier Beigesetzten von niemandem vermisst werden, keiner mehr um sie trauert.

Zwei, die den Sozialfriedhof regelmäßig besuchen, sind Karlheinz und Edith Weise. Ein paar Tage vor Allerheiligen bringen sie Blumenschmuck und frische Kerzen an die letzte Ruhestätte eines engen Verwandten von Edith, der seit 2011 hier begraben liegt. Alle 14 Tage kümmern sie sich um das Grab, in dem neben ihrem Angehörigen noch fünf weitere Verstorbene bestattet sind. „Im Sommer sind wir sogar wöchentlich hier“, sagt Karlheinz. Dass ganz offensichtlich nicht alle Gräber hier derart sorgfältig gepflegt werden, dafür haben sie Verständnis. Die Angehörigen seien vielleicht selbst schon zu alt dafür, glaubt Edith. Oder die Verstorbenen haben einfach keine engeren Verwandten mehr gehabt.

Im Gegensatz zu anderen Regionen in Bayern bleibt die Zahl der Sozialbegräbnisse in Ingolstadt seit Jahren in etwa konstant. Das bestätigt Michael Klarner, Sprecher der Stadtverwaltung, auf Nachfrage. Demnach gab es im vergangenen Jahr 35 Bestattungen dieser Art. Im laufenden Jahr seien es bislang 20 gewesen. Zum Vergleich: 2003 verzeichnete die Stadt 31 Sozialbegräbnisse. Pro Bestattung fallen dabei im Durchschnitt 1800 Euro an Kosten an, so Klarner weiter. Die Liegezeit sei jedoch dieselbe wie bei herkömmlichen Gräbern. Sie betrage zehn Jahre bei Urnenbestattungen und 15 Jahre bei Erdbestattungen.

Jürgen Habermann, evangelischer Pfarrer in St. Paulus, kann für sich feststellen, dass er in den letzten Jahren in seiner Pfarrgemeinde im Nordosten der Stadt kein Sozialbegräbnis hatte. Er führt dies unter anderem darauf zurück, dass die Einkommensentwicklung für alle Menschen in der Stadt besser geworden ist oder sich die Fürsorge der Angehörigen verändert hat. Für ihn ist es aber grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit, ein Sozialbegräbnis mit derselben Sorgfalt abzuhalten wie jedes andere. „Das wird nicht schnell erledigt. Ich bete, singe und spreche seelsorgerische Worte“, versichert er. „Das gehört zu meinem Selbstverständnis und ist aus grundsätzlicher christlicher Überzeugung zu unterstreichen, weil auch die Würde dieses Menschen zu wahren ist.“

Mehr als 25 000 Personen jährlich seien in Deutschland bei den Bestattungskosten auf staatliche Hilfe angewiesen, heißt es auf der Internetseite von Aeternitas, der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur. Knapp 60 Millionen Euro wandten die zuständigen Sozialämter im Jahr 2012 dafür auf. Die Gründe für den bundesweit zu verzeichnenden Anstieg an sozialen Begräbnissen führt der Verein unter anderem auf zunehmende Altersarmut und einen geringeren Familienzusammenhalt zurück.