Ingolstadt
Wenn Politik auf Geselligkeit trifft

Die Alternative für Deutschland lädt gern ins Wirtshaus am Auwaldsee jetzt wird Protest laut

26.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:09 Uhr

Das Wirtshaus am Auwaldsee erhält ab dem 15. November einen neuen Wirt. Für die Gäste wird in der Traditionsgaststätte auch weiterhin bayerische Kost serviert. - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) kehrt gern ins Wirtshaus am Auwaldsee ein. Am 4. März kommt der umstrittene Autor Jürgen Elsässer auf Einladung der AfD. Anlass für das Bündnis "Ingolstadt ist bunt", dem Wirt ins Gewissen zu reden. Der bittet um Verständnis für seine Situation.

Ob Björn Höcke auch am Auwaldsee sein schwarz-rot-goldenes Fähnlein dabei hatte, mit dem er später in der Talkshow von Günther Jauch zu gewisser bundesweiter Beachtung gelangte, ist nicht überliefert. Der Sprecher der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag war im Mai 2015 der Star einer Veranstaltung seiner Partei im Gasthaus am Auwaldsee. Die Alternative für Deutschland kehrt dort gern ein. 2013 fand am Auwaldsee sogar der erste Landesparteitag der bayerischen AfD statt.

Kritische Beobachter wie der Ingolstädter IG-Metall-Chef Johann Horn oder DGB-Sekretär Christian de Lapuente haben die Präferenz der provokationsfreudigen Partei für die Auwaldseegaststätte schon länger im Visier. Mit der nächsten AfD-Veranstaltung, die dort stattfinden soll, ist für sie jetzt eine Grenze erreicht. Am Freitag, 4. März, spricht Jürgen Elsässer, Autor und Chefredakteur des als rechtspopulistisch geltenden "Compact Magazins", ab 19 Uhr zum Thema "Frieden mit Russland - Schluss mit den Sanktionen". Und während der Gast der AfD drinnen referiert, werden sich draußen vor dem Lokal Ingolstädter Mitglieder von Parteien, Gewerkschaften, Vereinen und Organisationen zu einer Mahnwache treffen. Sie bilden das neue Bündnis "Ingolstadt ist bunt".

Die stille Protestaktion gegen die Protestpartei ist angemeldet, und die AfD-Kritiker werden auch nicht unangekündigt vor dem Wirtshaus Aufstellung nehmen. Das Bündnis (dessen Koordinator ist Johann Horn) hat dem Wirt einen Brief geschrieben, mit dem man ihm ins Gewissen redet. Es wird auch angedeutet, dass Mitglieder des Bündnisses um ein Gasthaus, das der AfD so oft Raum biete, einen Bogen machen könnten (Auszüge aus dem Text finden Sie im Kasten).

Anfangs habe man an einen Aufruf zum Boykott des Gasthauses am Auwaldsee gedacht, erzählt Christian De Lapuente, der dem Sprecherrat des Bündnisses angehört. "Aber es war der Wunsch der Mitglieder, das doch nicht zu machen." Man einigte sich schnell darauf, dass eine Mahnwache während Elsässers Auftritt am 4. März der beste Weg sei, um Missfallen über die AfD deutlich zu artikulieren und sich rechten Strömungen entgegenzustellen.

Christian Walzl, der Wirt der Gaststätte am Auwaldsee, weiß, wie heikel die Angelegenheit ist, und bittet um Verständnis für seine nicht ganz einfache Situation. Er sei Unternehmer, stehe im Wettbewerb und trage die Verantwortung - auch für seine Mitarbeiter. "Wir hatten nicht das Bestreben, Stammlokal einer beziehungsweise dieser bestimmten Partei zu werden", betont er. Vielmehr habe er die AfD "als Kunden geerbt, als wir die Gaststätte 2013 aus der Insolvenz heraus übernommen haben." Weil das Geschäft zunächst "komplett darniederlag", sei er froh um die AfD gewesen. "Umsatz in der Not lehnt man nicht einfach ab - zumal das zu diesem Zeitpunkt eine sich anders gerierende Partei war, mit einem anderen Führungspersonal wie Prof. Bernd Lucke oder Hans-Olaf Henkel. Das war aus unserer Sicht nichts zu Beanstandendes."

Der Auwaldsee-Wirt beobachtet mit Sorge, dass sich die AfD seit dem Abgang der beiden stark radikalisiert. Doch er habe schon vor längerer Zeit Vereinbarungen mit der Partei getroffen, und die werde er einhalten, wie sich das unter Vertragspartnern gehöre. Als sein Betriebsleiter die Buchung für den Auftritt Elsässers am 4. März bestätigte, hatte die AfD-Frontfrau Frauke Petry noch nicht "diesen fürchterlichen Unsinn mit dem Schießbefehl gegen Flüchtlinge an der Grenze in die Welt gesetzt", sagt Walzl.

Er regt an, den Fall zum Anlass zu nehmen, sich grundsätzliche Gedanken über den Umgang mit umstrittenen Parteien zu machen. Er könne den Brief von "Ingolstadt ist bunt" problemlos unterschreiben, sagt er. "Der Satz ,Die Stadt Ingolstadt ist dafür bekannt, dass Menschen nicht ausgegrenzt werden' ist vollkommen zu begrüßen. Aber ich musste mich fragen, warum dann das nicht auch für Mitglieder,Wähler und Sympathisanten der AfD gelten soll. Denn die freie Meinungsäußerung ist ein Grundrecht, auch und gerade des politisch Andersdenkenden." Der Gastronom wünscht sich, "dass sich die AfD-Wähler wieder in die etablierte Parteienlandschaft integrieren", aber dieses Ziel erreiche man "besser durch Taten und Argumente, nicht durch Druck auf Anbieter von Veranstaltungsräumen".

Er würde "auch genauso Die Linke bewirten, die CSU, die SPD, die Grünen, die FDP, die ÖDP oder die FW". Nur eine Gruppe werde Walzl nie in sein Lokal lassen, betont er: Nazis.