Ingolstadt
"Was kann es Schöneres als Arbeit geben"

Die Aktion "11 für 11" soll helfen, schwerbehinderte Menschen ins normale Berufsleben zu vermitteln

24.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:25 Uhr

„11 für 11“ heißt die Aktion, mit der sich unter anderem Peter Kundinger (von links) dafür einsetzt, dass behinderte Menschen wie Andreas Gmeiner oder Christoph Lueger eine Stelle bekommen - Foto: Stark

Ingolstadt (DK) Er hat vorher schon einige Fragen gestellt, jetzt sitzt Christoph Lueger vorne und sagt selbstbewusst: „Ich bin jetzt kurz vor dem Ende meiner Ausbildung zum Holzfachwerker und ich brauche einen Betrieb. Deswegen bin ich hier.“

Hier, das ist der Businessbereich des Audi-Sportparks, in den gestern Arbeitsagentur und FC Ingolstadt Firmenvertreter aus der Region eingeladen hatten, um ihnen unter anderem die Einstellung des 21-jährigen Christoph Luegers schmackhaft zu machen. „11 für 11“ nennt sich die Aktion, die vor fast fünf Jahren gestartet wurde. Sie soll helfen, schwerbehinderte Menschen ins normale Berufsleben zu vermitteln.

500 Menschen mit schwerer Behinderung seien im Schnitt in der Region arbeitslos gemeldet, erklärte Peter Kundinger von der Agentur für Arbeit. 80 davon ohne Schulabschluss, 200 ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Dabei seien 400 bereit, in Vollzeit zu arbeiten. Und gleichzeitig gebe es rund 1700 offene Pflichtarbeitsplätze – also Stellen, die Arbeitgeber laut Gesetz an Schwerbehinderte vergeben müssen, 2733 Stellen seien insgesamt frei.

Um mehr Menschen mit schweren Behinderungen eine Chance zu geben, müsse man vor allem Vorurteile abbauen, glaubt Kundinger. Zum Beispiel die oft gehörten Aussagen: „Zu langsam, dauernd krank, die bringt man nicht mehr los.“

Auch Christoph Lueger, der halbseitig gelähmt ist, hat schon Ähnliches gehört. Jede Menge Bewerbungen habe er bisher geschrieben, erzählte er. Entweder habe er gar keine Antwort bekommen, und wenn er doch einmal zum Bewerbungsgespräch eingeladen wurde, dann sei es so lange gut gelaufen, bis er von seiner Behinderung erzählt habe. „Dann gehe ich natürlich mit einem richtig guten Gefühl raus“, sagt er bitter lächelnd. „Es wird nicht wahrgenommen, dass ich das Gleiche kann, nur mit ein paar Hilfsmitteln.“

Und da kommen die Arbeitsagentur und der Integrationsfachdienst ins Spiel. Die Agentur zahlt Praktika oder Probearbeit ebenso wie Probebeschäftigung oder den Arbeitsplatzumbau, gibt Zuschüsse für Ausbildung und Eingliederung Schwerbehinderter – alles, damit Betriebe den Menschen mit Handicap eine Chance geben, erklärte Tatjana Kokoschka von der Agentur für Arbeit.

„Wenn die Arbeitsagentur die Menschen vermittelt hat, endet die Arbeit aber nicht“, sagte Ralf Hailand vom Integrationsfachdienst München-Freising, der für die Region zuständig ist. So gebe es Förderungen für die Schaffung von Ausbildungsplätzen oder neuen Stellen, der Dienst stelle auch – falls benötigt – Assistenten und gebe weitere (finanzielle) Hilfen und Informationen.

„Für jeden ist es eine Selbstbestätigung, von der Gesellschaft anerkannt zu werden“, sagte Franz Spitzauer vom FC Ingolstadt. „Und was kann es Schöneres als Arbeit geben“ Für die Aktion gebe es noch „viel Luft nach oben, und auch wir vom FC Ingolstadt müssen uns da an die eigene Nase fassen“ – allerdings habe es schon ein paar Erfolge gegeben. Immerhin 20 Schwerbehinderte wurden über „11 für 11“ schon vermittelt.

Auch Andreas Gmeiner hofft auf eine Stelle. Der 25-Jährige, der nach Fachabitur, Freiwilligem Sozialen Jahr, Bachelor in Sozialer Arbeit und mehreren Praktika und Tätigkeiten eine neue Herausforderung sucht, hat sich auch schon etliche Male beworben – und viele Absagen bekommen. Weil er als Querschnittsgelähmter im Rollstuhl sitzt. Mit Kindern und Jugendlichen würde er gerne zusammenarbeiten, erklärte er – „möglichst natürlich Vollzeit“. „Ich habe einen Führerschein und brauche an sich nur einen barrierefreien Zugang zum Arbeitsplatz und den Toiletten.“

Während die Veranstaltung noch läuft, kommt plötzlich Mitinitiatorin Peggy Stecher in den Saal. Der Chef einer Schreinerei habe gerade angerufen, ruft sie Christoph Lueger zu. Er habe zwar nicht kommen können. „Aber er hat mir zugesagt, dass er sich deine Unterlagen anschauen wird.“