Ingolstadt
Was ist wichtig im Leben?

Berufsorientierung für Gymnasiasten: Audi-Ingenieurin berichtet aus der Praxis

20.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:16 Uhr

Ingolstadt (mbl) Bereits am Dienstag fand an der THI die Abschlussveranstaltung des Projekts „Vertiefte Berufsorientierung für Gymnasiasten“ statt. Hierbei waren diejenigen Schüler angesprochen, die bald ihr Abitur machen.

Ausgerichtet war das Projekt, das in drei Module – darunter zwei Entdeckungstage in den beteiligten Unternehmen – gegliedert ist, auf die Vorstellung des Ingenieursberufs. Am Abschlusstag referierte unter anderem Jutta Stelzer, heute Leiterin des Print-Service bei Audi, über ihren Werdegang. Etwa 130 Schüler aus Ingolstadt und den umliegenden Landkreisen hörten ihr zu. Gleich zu Beginn warb sie dafür, dass das Berufsbild des Ingenieurs nicht nur mathematisch ausgerichtet sei, sondern auch analytische und kommunikative Bereiche abdecke und daher auch für Mädchen interessant sei. Die Anzahl weiblicher Ingenieure sei immer noch gering, stellte sie fest.

Das Besondere an Stelzers Karriere: Die jetzige Führungskraft, die während ihrer Laufbahn Vorgesetzte von bis zu 320 Mitarbeitern war, ist Legasthenikerin und hatte keine Note in Deutsch vorzuweisen. Den Eltern gelang es jedoch, der Tochter den Besuch des Gymnasiums zu ermöglichen. Stelzer brachte es in der mündlichen Abiturprüfung, trotz ihres Handicaps, auf die erforderlichen 14 Punkte im Fach Deutsch. Schon bald bemerkte sie, dass ihr die Naturwissenschaften und alles Handwerkliche besonders liegen. Bei der Frage nach Lehre oder Studium hatte sie sich für Letzteres entschieden. Ihren ursprünglichen Traum, Chemikerin zu werden, verwarf sie allerdings wieder. „Das dauerte mir zu lange“, räumte sie, auch hinsichtlich der weiteren Lebensplanung, ein. Es lief schließlich auf ein praxisorientiertes Studium der Verfahrenstechnik hinaus, das sie 1985 aufnahm. Nach ihrer Diplomarbeit über die Beschaffenheit von Hubschrauberrotorblättern trat sie eine Stelle als technische Sachbearbeiterin in der Kunststofffertigung bei Audi an.

Die praktische Seite des Berufs war Stelzer immer wichtig, wie sie betonte. „Das theoretische Wissen aus dem Studium reicht nicht. Davon lebt man nicht 60 Jahre“, sagte sie und berichtete weiter, dass sie bis heute Fachmessen besuche und sich andere Unternehmen ansehe, um sich weiterzuentwickeln. In großen Unternehmen komme es darüber hinaus auf eine gute Vernetzung an, so ihre Erfahrung. Nach einem Abstecher ins Marketing bei Audi, wechselte sie in die Motoren- und Achsfertigung und übernahm die Leitung der Hinterachsenmontage.

Junge Menschen sollten sich immer die Frage stellen, was ihnen – außer dem Beruf – wichtig ist im Leben, so Stelzer. Für sich selbst hatte sie diese Frage irgendwann auch beantwortet. Seit sieben Jahren leitet sie den Print-Service bei Audi. In Teilzeit, wie sie sagte. Nachmittags beginnt dann ihr anderes Leben: das als Ehefrau und Mutter zweier Kinder.

Das Berufsorientierungsprojekt für Gymnasiasten ist eine Kooperation von der Agentur für Arbeit, Audi, Airbus Defence and Space, der Continental AG sowie der Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi). Es ermöglicht einen grundlegenden und intensiven Einblick in die Arbeitswelt und soll zur aktiven Auseinandersetzung mit den eigenen beruflichen Möglichkeiten motivieren.