Ingolstadt
Warum die Kapelle ein Loch hat

Vierter Festungstag: Ein Rundgang im derzeit leeren Neuen Schloss offenbart viele verborgene Details

05.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:43 Uhr

Den ursprünglichen Zustand des Schlosses zeigt der Historiker Tobias Schönauer (links) an einem Modell. Das Gemälde vom Abreiten der Paradeaufstellung am Münchener Oberwiesenfeld 1896 von Louis Braun ist so groß, dass man es nicht mehr hinausbringt. Es wurde wohl an Ort und Stelle gerahmt. Und zwischen unterer und oberer Kapelle klafft ein Loch: Es ist rautenförmig wie im bayerischen Wappen. - Fotos: Hauser

Ingolstadt (DK) Ein Türsims mit Affendarstellungen und ein rautenförmiges Loch zwischen der oberen und der unteren Kapelle: Eine Führung im derzeit leeren Neuen Schloss offenbart reizende Details, die sonst fast völlig untergehen.

Eine Kanone und ein Bild, das so riesig ist, dass man es beim besten Willen nicht einmal aus dem nicht eben kleinen Neuen Schloss hinaustragen kann: Das ist alles, was an Ausstellungsobjekten derzeit dort noch herumsteht. Ansonsten sind 3500 Quadratmeter Ausstellungsfläche völlig leer.

In den vielen hundert Jahren seit dem Bau des markanten Gebäudes im 15. Jahrhundert ist das noch nicht oft passiert. Daher nahmen Armeemuseum, Stadtmuseum, Historischer Verein und Förderverein Bayerische Landesfestung den gestrigen 4. Festungstag zum Anlass, einmal das leere Schloss zu zeigen. Und auch wenn man es nicht glauben möchte: Selbst da gibt es etliches zu sehen.

So machte der Ingolstädter Historiker Tobias Schönauer die Besuchergruppe im "Schönen Saal" mit der bekannten gedrechselten Säule auf einen Türsims aufmerksam, auf dem tatsächlich zwei Affen zu sehen sind. Im Söller, einer Art Warteraum vor dem eigentlichen Herzogsgemach, befindet sich ein mächtiges steinernes Wappen an der Wand, das dem Besucher signalisiert, mit wem er es hier zu tun hat. Das Schlafzimmer des Herzogs respektive später Kurfürsten (wobei er vermutlich in einem anderen Raum nächtigte) verfügt noch über die originale Holzdecke, geschmückt mit diversen Ornamenten. Das zugenagelte Loch in einer Ecke stammt laut Schönauer von einer früheren Treppe.

Das interessanteste Detail ist das Loch in der Decke der mit Fresken bemalten unteren Kapelle. "Das ist ein Durchbruch zur oberen Kapelle über uns", erklärte Schönauer den Besuchern. Während unten der Herzog betete, sammelten sich oben die Frauen zum Gebet. Die Aussparung in der Decke bot den herrschaftlichen Damen einen entscheidenden Vorteil: "Sie konnten an der Messe teilnehmen und brauchten sich nicht extra umziehen", erklärte Schönauer. Bei den damaligen Moden war dies nämlich mit einem entsprechenden Zeitaufwand verbunden. Der Durchbruch selbst ist übrigens kein gewöhnliches Loch, sondern rautenförmig an der Spitze der Jochbogen: Herrschaftssymbolik bis ins letzte Detail.

Interessanterweise weiß man bis heute nicht genau, wann eigentlich mit dem Bau begonnen wurde. "Da laufen derzeit Untersuchungen", weiß Schönauer. Aufgrund erhaltener Rechnungen steht fest, dass das Hauptgebäude um 1500 fertig war. Im Zweiten Weltkrieg durch Bomben schwer beschädigt, wurde es in den 60er-Jahren saniert. Im Juli wird im nördlichen Teil die Sonderausstellung über den Krieg von 1866 eröffnet, während die Hauptausstellung neu konzipiert wird.

Der ehemalige Direktor Ernst Aichner nahm anschließend alle Interessierten auf einen Festungsspaziergang vom Schloss zum Kavalier Hepp mit. Vermutlich wissen selbst Schanzer nicht, dass die Rossmühle, wo im Belagerungsfall Pferde Mehl gemahlen hätten, oder die Kriegsbäckerei, wo heute im 1. Stock die Armeebibliothek steht, deutschlandweit ziemlich einmalig sind. Weitere Angebote waren eine Führung durch die Fronte Rechberg, ein virtueller Rundgang im Kavalier Hepp und Aichners Gedanken zur Festung.