Ingolstadt
Zum Abschied heißblütig wie eh und je

Christian Lombardi dirigiert zum letzten Mal die Audi-Bläserphilharmonie und dabei fliegt der Taktstock weg

29.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:17 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) Es ist das Land der Paradeiser, des Opernballs und der Melange - so beschreibt Moderatorin Marlen Reichert die Region, die sich Christian Lombardi als letztes Ziel seiner gemeinsamen Reise am Freitagabend mit der Audi-Bläserphilharmonie ausgesucht hat. Es ist eine gute Wahl.

Zum Finale seiner elfjährigen Dienstzeit führt der erfolgreiche Dirigent das gut 60-köpfige Werksorchester mit ansteckender Leidenschaft in die musikalische Vielfalt Österreichs und die Zuhörer im ausverkauften Festsaal des Stadttheaters gleich mit. Um es vorwegzunehmen: Der Meister am Dirigentenpult schont dabei weder sich noch das Orchester und selbst das Material nicht.

Lombardi agiert sichtlich vom Geist des Franz von Suppé beseelt im Marsch "Im Trabe" aus der Operette "Fatinitza" mit so heißblütigem Dirigat, dass in diesen euphorischen Armschwüngen sogar der Taktstock splittert und in hohem Bogen in die Reihe der Flötistinnen fliegt.

Dass Lombardi seinen letzten öffentlichen Auftritt bei diesem Benefizkonzert im Rahmen der Vorweihnacht der guten Herzen des DONAUKURIER gewählt hat, ist ein glücklicher Zufall. Doch Abschiedsschmerz wollen die Musiker an so einem Abend voller Operettenmelodien, Walzerklänge, Polkaheiterkeit und vielem mehr nicht aufkommen lassen. Lieber eine fulminante Feststimmung, die der Dirigent gleich als Ouvertüre mit der "Festmusik der Stadt Wien" von Richard Strauss herbeizaubert. Es wird eine bravouröse Aufgabe für diesen Klangkörper, der die Zuhörer mit majestätischem und monarchisch-erhabenen Glanz in die Zeit der k.u.k-Monarchie zurückführt.

Es ist auch die Wegweisung für die heitere, die lebensfroh beschwingte Walzerära um Johann Strauß, die Lombardi in seiner Programmauswahl natürlich einbindet. Was sonst als dieser Dreivierteltakt aus der Ouvertüre zur "Fledermaus" könnte bezeichnender sein für die glückselige Zeit als diese Walzerherrlichkeit? Man möchte zur klingenden Leidenschaft der Bläser Walzer tanzen, wenn Lombardi die Musiker zu turbulenten Tempi führt. "Der Walzer ist eine in die Welt gekommene Sünde und Erlösung zugleich", zitiert die charmante Moderatorin Marlene Reichert im glitzernden Abendkleid später einen zeitgenössischen Kritiker. Zwei Solisten erweitern diesen Glanz der Operettenmelodien. Die Sopranistin Beata Marti berührt ihr Publikum mit weicher, streichelnder Sopranstimme in traumhaft klaren Höhen im Vilja-Lied aus "Die lustige Witwe".

Auch im zweiten Teil des Abends ist ihr Sisi-Lied "Ich gehör nur mir" aus dem Elisabeth-Musical eine zauberhafte Wiener Melange aus Gesang und Orchesterklang so genussvoll wie das Original aus gesüßtem Kaffee und aufgeschäumter Milch. Der Tenor Daniel Szeili führt mit "Dein ist mein ganzes Herz" in die Léhar-Operette "Das Land des Lächelns" und legt später bei "Wiener Blut" im Duett mit der Sopranistin nach.

Ein liebenswertes Bühnendebüt hat die Auszubildende aus dem Audi-Werk, Jennifer Schüler (Foto). Sie steht in ihrer Dienstlatzhose und einem stahlglänzenden Amboss ganz vorne neben dem Dirigenten. Mit zwei kleinen Hämmern gibt sie ihren Beitrag zur "Feuerfest Polka" von Josef Strauß und zeigt sich dabei absolut taktsicher.

Lombardi bleibt in seiner Programmwahl aber nicht in der verklärten Musikepoche stehen. Seine orchestrale Interpretation "Homeland" des zeitgenössischen Komponisten Otto M. Schwarz lässt die schroffen Felstürme und weiten Täler der Hohen Tauern plastisch entstehen, und mit "Clockwork" von Thomas Doss beweist das Ensemble verschmitzte Heiterkeit.

Letzter offizieller Programmpunkt des Abends wäre der Pop-Hit "Fürstenfeld", mit dem das 60-Leute-Team weit mehr grazile Heiterkeit, Leichtfüßigkeit und flexiblen Spielwitz beweist, als man so einer kopfstarken Truppe zutrauen möchte.

Aber natürlich lassen die Zuhörer den beliebten Dirigenten und das Orchester an so einem bemerkenswerten Abend nicht einfach gehen. Mehrere geforderte Zugaben, Dankesworte und minutenlanges Klatschen für den Meister am Dirigentenstab beweisen die Herzlichkeit, mit der Lombardi die Ingolstädter und sein Ensemble begeistert hat. Es ist ein denkwürdiger Moment für das Publikum und für die Historie des Werksorchesters. So einen Abschied bekommt wirklich nicht jeder.

Dirigent im Liegestuhl


Ingolstadt (er) Christian Lombardi hat das Audi-Bläserensemble geprägt und eine Verbundenheit mit den Musikern geschaffen wie kaum ein anderer. Audi-Werksleiter Albert Mayer würdigte am Ende des Benefizkonzerts die besonderen Gaben, mit denen Lombardi das Orchester zu großen Erfolgen geführt habe. "Sie haben in diesen elf Jahren als künstlerischer Leiter und Dirigent einen eigenen Klang geformt!". Als Abschiedsgeschenk bekam der begeisterte Camper Lombardi einen Liegestuhl überreicht. Doch statt gleich zu relaxen, griff er selber zum Mikrofon und bedankte sich bei seinen Musikern und den Verantwortlichen des Ensembles. "Es war eine wunderbare Arbeit mit dem Orchester. Herr Stadler - erhalten Sie es", wandte er sich an den Audi-Chef in den Zuschauerreihen. Neben ihm waren auch die Vorstände Wendelin Göbel (Personal) und Peter Kössler (Produktion) gekommen. Die Musiker hatten eine eigene Überraschung vorbereitet: Sie baten ihren Chef in den Liegestuhl. Von Orchesterleiter Günther Graf gab es einen Whiskey. DK-Geschäftsführerin Lydia Nißl überreichte Lombardi eine Sonderausgabe des DK mit Zeitungsartikeln aus seiner elfjährigen Schaffenszeit.