Ingolstadt
Vorübergehend nicht erreichbar

160 Real- und Wirtschaftsschüler verzichten eine Woche lang freiwillig auf ihre Handys und Smartphones

21.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:16 Uhr

Freizeitgutscheine statt Handys: Die Schüler betätigen sich in der mobilfunklosen Zeit mit Unterstützung der Lehrer und des Elternbeirats um so kreativer. Die Erwachsenen: Jugendpädagogin Julia Langmeir, Direktor Elmar Tittes und Projektleiterin Elke Böcker (v. l.) - Foto: Silvester

Ingolstadt (DK) Sie befinden sich im Ausnahmezustand: Rund 160 Schüler der Tilly-Realschule und der Wirtschaftsschule haben für eine Woche ihre Handys und Smartphones abgegeben – die Geräte lagern im Tresor der Volksbank. So schlimm sei die handylose Zeit gar nicht, sagen die Schüler, im Gegenteil.

Kein Summen, nirgends. Null Gepiepe mehr. Und markerschütternde Melodien dröhnen auch keine los. Acht Klassenzimmer der Wirtschaftsschule und ihrer Schwesterschule, der Tilly-Realschule, bleiben eine Woche lang vom Kollaterallärm des Kommunikationszeitalters weitgehend verschont. Denn gut 160 Schüler der Jahrgangsstufen fünf bis neun haben sich zu einem Schritt entschlossen, der für sehr viele andere junge Leute völlig undenkbar wäre: Sie haben – freiwillig – ihre Handys und Smartphones abgegeben. Sie lagern seit Montag in einem Tresor der Volksbank-Raiffeisenbank an der Ludwigstraße – sicher ist sicher. Die Initiatoren der Aktion „handyfrei – ich bin dabei“ wollen die Geräte damit natürlich nicht vor möglichen Befreiungsversuchen der auf Mobilfunkentzug gesetzten Besitzer schützen, sie brauchen vielmehr einen soliden Aufbewahrungsort, denn bei gut 160 Geräten, von denen viele einige hundert Euro wert sind, kommt eine Menge zusammen. Heute erhalten alle ihr Handy zurück.

„Schulen sollten immer auch gesellschaftlich agieren und Zeichen setzen“, sagt die Leiterin des Projekts „handyfrei“, die Deutschlehrerin Elke Böcker. „Das Handy garantiert eine stetige Erreichbarkeit – auch in Notfällen, es ist aber auch ein Medium für Verunglimpfungen, Mobbing und es birgt Suchtpotenzial, deshalb möchten wir als Schulgemeinschaft unsere Schüler bei einem bewussten Umgang mit elektronischen Medien unterstützen.“ Während der vorübergehenden Unerreichbarkeit beschäftigen sich die Schüler dafür umso kreativer: Sie erhielten stapelweise Freizeitgutscheine für Bowling, Freibad, Kino, Minigolf und anderes geschenkt, finanziert von den Elternbeiräten beider Schulen und der Caritas. Die Kinder- und Jugendpädagogin Julia Langmeir begleitet die Teilnehmer. Aktionen wie ein gemeinsam gestalteter Nachmittag „sollen den handylosen Schülern in dieser Woche positive Erlebnisse vermitteln“, sagt Elke Böcker.

Und wie schlimm ist es nun, mehrere Tage ohne WhatsApp und ähnliches? „Ich hatte erst schon ein komisches Gefühl, als ich mein Handy abgegeben habe“, erzählt die zwölfjährige Selina. „Aber jetzt weiß ich, dass es besser war, denn wenn man nicht dauernd am Handy hängt, hat man mehr Zeit für Freundinnen.“ Die erreicht sie vorübergehend klassisch über das Festnetz. „Das ist ganz anders“, sagt Selina. „Ohne Handy ist es eigentlich schöner, denn man bekommt nicht so viele unnötige Nachrichten.“ Sandra (12) war anfangs etwas traurig. „Aber jetzt geht’s mir besser. Ich will versuchen, mein Handy in Zukunft mehrere Stunden am Tag auszulassen und dafür mit meinen Freundinnen mehr zu unternehmen.“ Das rät sie erst recht jenen, „die süchtig danach sind“. Greta (11) sieht die mobile Kommunikation jetzt kritischer: „Ich finde, dass wir zu viel am Handy hängen und abhängig davon werden können. Es wäre eine schlaue Idee, mal von sich aus zu sagen: Ich schalte diesen Konsum ab!“

Schulleiter Elmar Tittes hat sein Handy behalten. „Ich bin aber froh, wenn es nicht klingelt.“ Er findet die Aktion spannend und wichtig, „weil jedem bewusst werden muss, wie man mit dem Handy verantwortungsvoll umgeht“. Die Ruhe im Unterricht sei auch erfreulich. „Sonst summt es ständig, und zack ist die Konzentration weg.“

Nach den Ferien geht das Handygedöns dann wieder los.