Ingolstadt
Vorsprung durch Diebstahl

Organisierte Bande hat es auf hochwertige Audis abgesehen: Ein Autoknacker stand nun erneut vor dem Landgericht

18.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:37 Uhr

Ingolstadt (DK) Seit knapp fünf Jahren hält eine Diebstahlserie die Ermittler der Polizei in Atem. Verbrecher haben es gezielt auf hochwertige Audis abgesehen. Alleine in den vergangenen zweieinhalb Jahren zählte man 45 vollendete und 14 versuchte Diebstähle im Raum Ingolstadt. Längst ist klar, dass Banden aus Osteuropa dahinterstecken, die ihre illegale Arbeit gut organisiert mit ausgeklügelter Aufgabenteilung angehen. Einen Einblick in die Szene gab es am Freitag, als einem 34-jährigen Polen am Landgericht der Prozess gemacht wurde - erneut, wie man hinzufügen muss.

Denn das Besondere an der Verhandlung vor der 5. Strafkammer war, dass der Autoknacker bereits im November 2016 rechtskräftig wegen einer Serie verurteilt worden war. Er sitzt die damals verhängten vier Jahre Gefängnis ab. Auf diese Strafe einigten sich die Prozessbeteiligten im Rahmen ein Deals. Der 34-Jährige räumte im Gegenzug ein, dass er zwischen Mai 2005 und April 2016 an sechs Autodiebstählen beziehungsweise Diebstahlversuchen beteiligt war.

In der organisierten Bande kam ihm der Part des Autoknackers zu. Während ein Hintermann (mutmaßlich der Bandenchef in der Heimat) die Aufträge erteilte und in Osteuropa Zerlege- und Verwerterbetriebe für die gestohlenen Karossen bereitstanden, waren in Deutschland mindestens zwei weitere Herren unterwegs: Der 34-Jährige fungierte eben als Dieb, knackte die Türen der hochwertigen Wagen und überwandt deren technische Wegfahrsperren. Ein spezieller Fahrer fuhr die Autos schnellstmöglich ins Ausland.

Nach zwei erfolglosen Versuchen, einen Audi S 5 (Mai 2015) und einen Q 5 vom Fleck zu bewegen, war der Angeklagten danach bei vier Wagen erfolgreich: einem Q 5 (Januar 2016), A 6, Q 7 und A 7 (alle April 2016). Im letzten Fall, der sich in Kösching abspielte, wurden der 34-Jährige und ein Helfer allerdings dank einer aufmerksamen Zeugin auf frischer Tat von der Polizei festgenommen. Im vergangenen November standen sie dann vor Gericht.

Zu dieser Zeit lief die Ermittlungsarbeit der Ingolstädter Kripo parallel intensiv weiter. Bei der Festnahme hatten die Ermittler den genetischen Fingerabdruck des 34-Jährigen genommen. Anhand von DNA-Spuren konnten man ihm zwei weitere Diebstahlversuche (A 5 im September 2015 in München und Q 5 im März 2016 in Ingolstadt) zweifelsfrei nachweisen und ihm auch zwei Diebstähle (ein A 5 und ein RS 6), die sich an jenen Daten in unmittelbarer Nachbarschaft ereignet hatten, zuordnen.

Diese vier Fälle klagte die Ingolstädter Staatsanwaltschaft dann noch an, als das erste Verfahren abgeschlossen war. Am Freitag fand sich der Dieb erneut am Landgericht wieder. Das allerdings hätte gar nicht sein dürfen, wie Verteidiger Peter Weizdörfer genauso leidenschaftlich wie ausführlich am Prozesstag mehrfach vortrug. Aus seiner Sicht lag ein sogenanntes Verfahrenshindernis vor, juristisch korrekt: Strafklageverbrauch. Einfach übersetzt, war sein Mandat ja schon für bandenmäßige Autodiebstähle in demselben Zeitraum verurteilt worden. Weizdörfer berief sich auf den Grundsatz "ne bis in idem", dem Verbot einer Doppelbestrafung in einem fairen Strafprozess. Laut Anwalt hätten die neuerlichen Vorwürfe beim ersten Prozess längst vorgelegen. Er warf der Staatsanwaltschaft klare "Versäumnisse" vor und beantragte, das Verfahren einzustellen.

Anklägerin Sandra von Dahl sah das ganz anders: Sie verdeutlichte, dass die DNA-Ergebnisse erst kurz vor dem damaligen Prozess vorgelegen hätten und die gesamten Ermittlungen in der Bandenstruktur viel zu komplex gewesen seien, um schnell etwas nachzuschieben. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft habe in dem ersten Prozess klar gesagt, dass "noch etwas im Raum" stehe. "Es gab damals keine Zusage, dass alles, was noch kommen könnte, mit dem Deal erledigt ist", sagte von Dahl. Sie beantragte, die ursprünglich verhängte Strafe von vier Jahren unter Einbeziehung der neuen Fälle auf fünf Jahre und zehn Monate Gefängnis zu erhöhen.

Die Strafkammer mit dem Vorsitzenden Richter Thomas Denz sprach dann eine Gesamtstrafe von fünf Jahren für alle Fälle aus. "Das ist relativ milde für das, was Sie angestellt haben", sagte Denz an den Angeklagten gerichtet. Immerhin summiere sich der Schaden auf rund 300 000 Euro.

Der Richter musste aber bekennen, dass es tatsächlich sehr schwierig sei, dieses Urteil einer Privatperson verständlich zu machen. Die Kammer würdige die Einwände des Verteidigers sehr wohl, man sei aber "nicht gänzlich überzeugt". Für Denz handelte es sich klar "um prozessual verschiedene Straftaten mit eigenen Schicksalen" - unterschiedlichen Geschädigten, Tatorten, Tatzeiten und Tatbeteiligten. Der Auftraggeber habe immer neue Aufträge vergeben. Kurzum: Die Einstellung des Verfahrens komme nicht infrage.