Ingolstadt
Der Videobeweis kommt gut an

Polizei berichtet von Ermittlungserfolgen wegen Kameras Etwas weniger Gewalt am Viktualienmarkt

27.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:17 Uhr

Wie das Präsidium weiter mitteilt, geht es auf dem Viktualienmarkt friedlicher zu, seitdem dort kein Schnaps mehr verkauft und konsumiert werden darf; auf diesem Schild hat jemand das entscheidende Wort überklebt.

Ingolstadt (DK) Seit Mai kann die Ingolstädter Polizei auf die Aufnahmen des Überwachungssystems der INVG zugreifen. Die Ermittler hätten mit Hilfe dieser Kameras schon acht Straftäter überführt, berichtete Polizeipräsident Günther Gietl im Stadtrat. Der Einsatz zusätzlicher Kameras ist jedoch umstritten.

Die Polizei war schnell bestens im Bilde, als diesen Sommer ein Ingolstädter mit einem durchtrennten Kabelschloss in der Inspektion auftauchte und zu Protokoll gab, dass ihm derart brachial am Hauptbahnhof das Fahrrad gestohlen worden sei. Die Ermittler riefen in der Leitstelle der INVG an und baten um die Aufnahmen der Überwachungskameras an der Bushaltestelle vor dem Hauptbahnhof im angegebenen Tatzeitraum; im Rahmen eines Kooperationsprojekts kann die Polizeiinspektion Ingolstadt (die selbst nur über eine eigene Kamera verfügt: die am Zentralen Omnibusbahnhof) auf die Bilder von den Haltestellen der INVG zugreifen. Die Beamten schalten sich live dazu, wenn ein Notruf eingegangen ist oder die Disponenten in der Leitstelle am Bildschirm eine Straftat beobachten. Die Polizei kann die gespeicherten Aufnahmen auch retrospektiv auswerten, um Täter zu ermitteln. So geschah es im Fall des Radls am Hauptbahnhof. Dank des Videobeweises stellte sich heraus: Der Anzeigesteller hatte sein Fahrrad gar nicht abgesperrt. Es handelte sich um versuchten Versicherungsbetrug.

Polizeipräsident Günther Gietl berichtete am Donnerstag im Stadtrat von diesem Fall, um zu zeigen, welche Erfolge seine Beamten mit den Kameras der INVG schon erzielt hätten. Ein Prinzip des Überwachungsmodus schickte er voraus: Die Polizei erhält nur bei Bedarf (oder eben im Notfall) Zugriff auf die Videobilder, kann darauf aber Ausschnitte heranzoomen; das ist den INVG-Mitarbeitern nicht möglich. Im April dieses Jahres endete der Testbetrieb. Von Mai bis September hat die Ingolstädter Polizei Gietl zufolge 44-mal Aufnahmen angefordert - live wie rückblickend. Und siehe da: ein gutes Dutzend Mal mit Erfolg. Achtmal konnten Täter ermittelt werden, berichtete der Polizeipräsident. Zum Beispiel nach einem Einbruch in einen Dönerladen oder nach Fällen von Diebstahl, Raub und Unterschlagung. Sogar bei der Identifizierung einer Leiche in der Donau sei eine Kamera der INVG hilfreich gewesen. Mit der Videoüberwachung gelang es der Polizei auch, einen sexuellen Übergriff auf eine junge Frau zu verhindern und einen Fall von Körperverletzung aufzuklären: In der Innenstadt hatte ein Mann einem Kontrahenten eine Flasche über den Kopf geschlagen. Dann suchte er das Weite. Gietl: "Mit Videobildern konnten wir die Fluchtrichtung des Fahrzeugs nachvollziehen und den Täter festnehmen."

Die Kameras "sind eine wirksame Ergänzung", sagte der Leiter des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord. "Sie sind ein Baustein in unserem Sicherheitskonzept - neben der polizeilichen Präsenz, der Sicherheitswacht, dem Kommunalen Sicherheitsdienst und den Sicherheitskonzepten für Veranstaltungen." Kameras im Straßenbild "stärken auch das individuelle Sicherheitsgefühl". "Wie messen Sie eigentlich dieses subjektive Gefühl", wollte Dorothea Soffner (UDI) wissen. "Das kann man nicht messen", antwortete Gietl. Aber die Polizei gewinne "in Gesprächen mit Bürgern und dem, was wir täglich aus den Medien erfahren", viele Erkenntnisse über die kollektive Stimmungslage.

Neben der stationären gibt es eine mobile Videoüberwachung, erklärte Gietl, meist auf Volks- und Bürgerfesten. "Sie dient dem frühen Erkennen von Störungen, dem Steuern von Einsatzkräften und dem Verhindern von Überfüllung. Und wenn wir dabei noch eine Körperverletzung aufklären, nehmen wir das natürlich gern mit!"

Trotz dieser Erfolgsmeldungen ist der Einsatz weiterer Kameras im Stadtrat umstritten. Für Robert Schidlmeier (CSU) hat der Bericht des Präsidenten "deutlich gemacht, dass die Erweiterung der Videostandorte sehr sinnvoll ist". Die Möglichkeit, mit den Kameras auch Verkehrsflüsse zu steuern, sollte man "dabei nicht aus dem Blick verlieren". Jürgen Siebicke (BGI) hielt dagegen: "Hier geht es um die Forderung nach totaler Überwachung! Es gibt in Ingolstadt keine weiteren Kriminalitätsschwerpunkte." Und mit strengem Blick in Richtung CSU: "Sie transportieren eine Stimmung der Angst!"

Gegensätzliche Ansichten zur Überwachung wurden auch bei der folgenden Entscheidung deutlich: Die CSU setzte mit den Freien Wählern ihren Antrag durch, den Einsatz von Kameras an der Ringstraße sowie an Tangenten und Ausfallstraßen prüfen zu lassen. Die anderen Fraktionen und FDP-Einzelstadtrat Karl Ettinger stimmten dagegen. Ein "optimiertes Beleuchtungskonzept" für mehr Sicherheit brachte der Stadtrat dann einstimmig auf den Weg.

Ein "absoluter Schwerpunkt" der Polizeiarbeit ist laut Gietl auch der Viktualienmarkt. Hier geraten immer wieder Gäste heftig aneinander, meist schwer betrunken. Immerhin: In den ersten drei Quartalen 2017 war die Zahl der Beleidigungen und Körperverletzungen im Vorjahresvergleich rückläufig. Trotzdem gab es heuer bis jetzt schon 66 solcher Fälle. Ob das Verbot, auf dem Viktualienmarkt Spirituosen zu verkaufen und Getränke mitzubringen, hier schon Wirkung zeigt, ist fraglich, weil das erst Mitte Juli beschlossen wurde. Peter Heigl, der Leiter der Polizeiinspektion Ingolstadt, präsentierte eine überzeugende Erklärung für die positive Entwicklung: "Ein Mehrfachtäter vom Viktualienmarkt ist seit einiger Zeit in Haft."