Ingolstadt
Der Bus auf Bestellung

16.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:56 Uhr
Einmal zahlen, mehrmals fahren – mit dem Bus, dem Taxi oder dem Mietwagen. Das ist eines der Konzepte, das sich die Studierenden der THI ausgedacht haben. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Ingolstadt wächst – damit auch die Verkehrsbelastung. Ein Grund für die Studierenden der Technischen Hochschule, sich zukunftsweisende Konzepte für den Personen- und Güterverkehr zu überlegen.

Das Oberzentrum Ingolstadt wächst weiter. Damit steigen die Ansprüche an individuelle und effiziente Fortbewegung, in der Stadt genauso wie im Umland. Gleichzeitig erfährt der Straßenverkehr eine Zunahme. Das ruft smarte, sprich intelligente, Lösungen für weniger Verkehr auf den Plan. Wie sich Mobilität in urbanen Regionen in Zukunft vor dem Hintergrund der Urbanisierung, der erhöhten Verkehrsbelastung und des steigenden Bedürfnisses an Fortbewegung entwickelt, das untersuchten jetzt Studierende an der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) im Rahmen ihres Master-Studienganges „Automotive and Mobility Management“ am Beispiel der Schanz. Jetzt stellten die drei Projektgruppen ihre Konzepte vor Kommilitonen und dem betreuenden Professor Harry Wagner vor.

 

Lösungen für den ÖPNV

Einmal zahlen und dafür mehrmals mit dem Taxi und einem Mietwagen fahren oder den Bus benutzen, so oft man möchte – ähnlich einer Handy-Flatrate zum Festpreis, die in verschiedenen Tarifen erhältlich ist, funktioniert „INsta Go“, ein Smart-Konzept zum Mobilitätsmanagement, das den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für mehr Nutzer attraktiver machen soll. Die Studierenden erhoffen sich davon eine entsprechende Verkehrsentlastung sowie finanzielle Vorteile für den Nutzer, weil dieser seine fixen Kosten fürs Auto streichen kann. Klar ist den jungen Wissenschaftlern aber auch: Ein derartiges System benötigt Zeit, bis es akzeptiert ist, und es erfordert eine besondere Kommunikation zwischen allen Beteiligten, zu denen auch Taxi- und Mietwagenunternehmen zählen würden.

Der „Fahrplan on demand“, also auf Abruf, ist eine andere Idee zur Verkehrsentlastung. Als Vorlage diente den Studierenden „Kutsuplus“, ein ähnliches Konzept, das 2013 in Helsinki als Pilotprojekt gestartet wurde. Dabei gibt es in der Ingolstädter Variante weder einen festen Fahrplan noch fixe Haltestellen und Linienführungen. Die Fahrt wird über das Handy gebucht und bezahlt. Ein Kleinbus holt den Nutzer am vorgesehenen Startpunkt ab. Der „Bus auf Nachfrage“ solle für geringere Umstiege, bessere Anbindung des Umlands und effiziente Auslastung sorgen. Hürden seien die technischen Voraussetzungen und die Kosten für die Umrüstung. Aber auch der Nutzer müsste wohl tiefer in die Tasche greifen und sich auf längere Fahrzeiten einstellen.

 

Smart durch die City

3 Das dritte Konzept setzt sich mit dem Wirtschaftsverkehr und hier speziell mit dem Güterverkehr (Kurier-Express-Paketdienste) sowie dem Abfallwirtschaftsverkehr auseinander. Für beides sehen die Studierenden ein „hohes Optimierungspotential“, was sie an Beispielen aus der Praxis verdeutlichen: Paketdienste wollen die Ware beim Empfänger abliefern, der ist aber nicht da. Nach einer Benachrichtigung landet die Ware in einer Abholstation, wo der Adressat sie abholen kann. Die Folge: Es kommt zu zusätzlichem Verkehrsaufkommen. In ihrer vergleichenden Analyse zogen die Studierenden das Konzept „Reglog“ aus Regensburg heran, das dort 14 Jahre lang eingesetzt wurde, um den Güterverkehr zu bündeln und die Emission zu senken.

„INGKEB“ taufte die Projektgruppe das Pendant für Ingolstadt, welches vorsieht, das Aufkommen mehrerer Paketzustelldienste zentral im Güterverkehrszentrum (GVZ) zu bündeln und von dort aus mit einem INGKEB-Fahrzeug über eine effizient geplante Route in die Innenstadt zu befördern und dort zu verteilen. Smarter Verkehr könnte laut dem Konzept auch die Abfallwirtschaft effizienter gestalten. Als Beispiel griff die Gruppe „Big Belly“ auf. Dabei handelt es sich um eine solarbetriebene Abfalltonne mit integrierter Müllpresse, die über das Mobilfunknetz meldet, wenn sie geleert werden muss. So ließen sich unnötige Fahrten für die Entleerung vermeiden. Seit 2013, so die Studierenden, stehe eine solche Tonne beim ZOB. Diese erfahre jedoch nur eine geringe Aufmerksamkeit und es gebe keine Erfahrungswerte.

 

Kostenlos im Bus

Die INVG ist ein klassischer Zuschussbetrieb. Ist es da opportun über einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr nachzudenken? Durchaus – zu diesem Ergebnis kommt zumindest die zweite Gruppe Studierender in ihrer empirischen Untersuchung und der finanziellen Beurteilung eines solchen Angebots in der Schanz. Als Vergleichsstadt diente Manchester, wo es einen kostenlosen Bustransfer zwischen dezentralen Bahnhöfen, Parkplätzen und der Innenstadt gibt. Für das Konzept befragte die Gruppe insgesamt 100 Studierende, Berufstätige und Rentner nach ihren Motiven für eine Nutzung des ÖPNV.

Das Ergebnis: Viele Nicht-Nutzer würden auf ein kostenloses Angebot eingehen wollen. Die Finanzierbarkeit betrachtet die Gruppe jedoch als „sehr fraglich“. Allerdings seien einzusparende finanzielle Mittel durch den Wegfall von Kosten für Straßensanierungen, Ticketautomaten, Bau von Umgehungsstraßen dann für einen kostenlosen ÖPNV verwendbar. Hinzu kämen im Beispiel Manchester die Einnahmen aus erhöhten Parkplatzgebühren und die finanzielle Beteiligung von Industrie und Einzelhandel.

 

Das Fazit

Insgesamt zog Professor Harry Wagner ein positives Fazit aus den Vorträgen. „Die Studierenden haben sich sehr viel Mühe gegeben, Benchmarks und Umfragen durchgeführt, so dass ich mit den Ergebnissen recht zufrieden bin“, sagt er. Umsetzbar seien die vorgestellten Konzepte kurzfristig nicht. „Meiner Meinung nach haben aber die meisten ein realistisches Umsetzungspotential. Das zeigt schon die Tatsache, dass sie auf Basis bereits umgesetzter Benchmarks basieren“, so Wagner. Es könne jedoch kein Konzept für sich alleine funktionieren.

„Hierzu muss Ingolstadt das klare Ziel haben, eine mobilitätsorientierte Smart City wollen zu werden. Das vermisse ich bisher noch auf ganzer Linie“, sagt der Professor und ergänzt: „Es gibt meines Erachtens kein ganzheitliches Konzept und auch keine Strategie hierzu. Für uns als THI spielt das aber keine Rolle. Wir hatten keinen Auftrag, die Themen zu untersuchen, sondern haben das aus eigenen Stücken getan mit dem Ziel der wissenschaftlichen Fundierung.“ Alle Projektgruppen wurden bei der Konzeptionierung mit Informationen von der INVG, IFG, INKB und Vertretern der Stadt unterstützt.