Ingolstadt
Mit Tempo 300 nach Berlin

Neuer Fahrplan im Fernverkehr: Schneller in die Hauptstadt, aber weniger ICE-Halte in Ingolstadt

23.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:19 Uhr
Viele ICE-Züge halten nicht am Hauptbahnhof, obwohl sie durch Ingolstadt fahren. Mit dem neuen Fahrplan fallen weitere ICE-Halte in der Stadt weg. Gleichzeitig wird jedoch auch die neue Schnellstrecke Nürnberg–Berlin am 10. Dezember in Betrieb genommen. Die Fahrt in die Hauptstadt dauert dann von Ingolstadt aus nur noch zwischen dreieinhalb und viereinhalb Stunden. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Mit der neuen ICE-Trasse verbessert sich die Verbindung nach Berlin erheblich. Allerdings halten laut Winterfahrplan 2017/18 insgesamt weniger ICE in Ingolstadt.

Die Concorde bewältigte einst die Strecke Paris – New York in weniger als 3,5 Stunden. Zwar ist die Distanz zwischen Ingolstadt und Berlin deutlich geringer; dennoch ist es ein Fortschritt, dass mit dem Fernverkehrsplan 2017/2018 der Deutschen Bahn die Ingolstädter die Bundeshauptstadt in derselben Zeit erreichen können – zumindest mit einer Verbindung täglich. Möglich ist das dank der neuen Magistrale, also Hauptverkehrslinie, Nürnberg – Berlin, auch bekannt als Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nummer 8. Die Strecke wird am 10. Dezember in Betrieb genommen. Durchquerten die Züge bisher noch mit maximal 130 Stundenkilometern den Thüringer Wald und fuhren an der Saale entlang, donnern sie ab Dezember mit bis zu 300 Stundenkilometern durch insgesamt 64 Kilometer Tunnel und über 37 Brücken.

Dreimal täglich fahren Sprinterzüge die Strecke München – Berlin und in die entgegengesetzte Richtung. Sie halten lediglich in Nürnberg, Erfurt und Halle, bevor sie die Bundeshauptstadt erreichen. Vom Ingolstädter Hauptbahnhof aus braucht die schnellste Verbindung nach Berlin derzeit noch mindestens 5,5 Stunden; ab Dezember dauert die Reise laut Fahrplan höchstens 4,5 Stunden, und – wie erwähnt – einmal pro Tag lediglich 3,5 Stunden, inklusive Umstieg am Nürnberger Hauptbahnhof.

Trotz der schnelleren Verbindung in die Hauptstadt sind viele Vertreter der Stadt nach wie vor unzufrieden mit der Anbindung des Ingolstädter Hauptbahnhofs an den ICE-Verkehr. Viele Züge fahren durch Ingolstadt, ohne zu halten, obwohl zu einigen Zeiten Lücken im Fahrplan klaffen.

Der Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl (CSU) beschäftige sich seit Jahren mit dem Thema Bahn. „Wir hatten jetzt zwei Jahre mit Verbesserungen“, teilt er auf Anfrage mit. „Mit dem Winterfahrplan 2017/18 werden die Halte jedoch wieder reduziert.“ Hätten im Jahr 2017 unter der Woche täglich 49 ICE in Ingolstadt gehalten, seien es mit dem neuen Fahrplan nur noch 46, fügt er an.

Brandl richtete wie bereits in den Jahren zuvor einen Brief mit konkreten Vorschlägen an die Deutsche Bahn. „Sobald wir erste Planungsergebnisse erhalten, analysieren wir den Fahrplan und richten konkrete Forderungen nach dem Halt bestimmter wichtiger Züge an die Bahn“, berichtet er. Leider sei dieses Jahr keiner der Vorschläge aufgegriffen worden. Die Ablehnung der bisherigen Vorschläge begründete das Unternehmen in einem Antwortschreiben unter anderem mit möglichen Verlangsamungen im Verkehr und negativen Auswirkungen auf nachfolgende Züge.

„Ich kenne die Argumente der Bahn“, sagt Peter Springl, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Ingolstädter Stadtrat. „Dennoch sollten wir als künftiges Regionalzentrum mehr Halte immer wieder nachdrücklich fordern.“ Jeder Halt mehr sei ein Gewinn für die Bürger aus Ingolstadt und der Region. Springls Fraktion richtete bereits im Juli dieses Jahres einen Brief an den Abgeordneten Brandl, in dem sie ihre Befürchtung äußerte, Ingolstadt könne verkehrstechnisch auf der Strecke bleiben (DK berichtete). 
Auch die SPD-Stadtratsfraktion richtete Anfang August ein Papier mit Anfragen und Anträgen an den OB. Es soll bei der nächsten Sitzung des Stadtrats am 26. Oktober diskutiert werden. Die Anfragen beziehen sich unter anderem darauf, was die Stadt unternommen hat, um das Angebot zu verbessern, und ob die Bahn bei der Planung der Bautätigkeiten im August dieses Jahres die Stadt miteinbezogen hatte. Die Fraktion fordert zudem, dass möglichst alle ICE in der Stadt halten sollen. Von den 77 ICE, die täglich durch Ingolstadt fahren, würden 45 halten und 32 ohne Halt durchfahren, gibt die SPD an.

Michael-Ernst Schmidt, Pressesprecher der Deutschen Bahn in Bayern, lobt das Angebot des neuen Fahrplans. „Durch die längeren Züge auf der neuen Magistrale können bis zu 10 000 Plätze mehr am Tag zwischen Berlin und München angeboten werden“, betont er. Außerdem werde sich im nächsten Jahr voraussichtlich einiges zum Positiven verändern, was die Halte anbelange.

Reinhard Brandl wird die Deutsche Bahn weiter kritisch begleiten. „Jetzt beginnen die Planungen für den Winterfahrplan 2018/19“, erzählt er. „Ich werde bis Ende des Jahres wieder konkrete Forderungen aus Ingolstädter Sicht zusammenstellen.“ Sollte er diese Arbeit während einer ICE-Fahrt von Ingolstadt in sein Berliner Abgeordnetenbüro erledigen, hat er dafür im Idealfall künftig dreieinhalb Stunden Zeit.

 

Ärger bei der Pendelei

Wegen Baustellen bei Nürnberg halten derzeit weniger ICE in Ingolstadt, da sie über Augsburg geleitet werden. Bei der neuen Strecke zwischen München und Berlin, die eine noch schnellere Fahrt ermöglichen soll, wird die Audi-Stadt nun auch nicht berücksichtigt.
Dabei sind schon die ICE, die in Ingolstadt halten, ein großes Ärgernis für die Pendler. Davon kann Philipp Zach (Bild) ein Liedchen singen. Er pendelt unter der Woche von Oberhausen bei Neuburg nach München. „Die letzten zwei Wochen war es ein Chaos“, sagt der 35-Jährige. Die Kommunikation funktioniere überhaupt nicht. Gestern hatte der ICE, der eigentlich um 9 Uhr nach München fahren sollte, gute 20 Minuten Verspätung. Aber auf der App der Bahn stand nichts davon.
Doch nicht nur Verspätungen ärgern Zach. „In letzter Zeit waren die Züge so überfüllt, dass manche auch wieder aussteigen mussten“, sagt er. Dabei gäbe es seiner Meinung nach eine Lösung für das Problem. „Könnte man denn nicht ein paar Waggons an den ICE dranhängen?“ Das allerdings, so sagen Bahn-Experten, ist beim ICE technisch nicht möglich.

Kommentar von Tim Möschl

Wer die Schnellzüge Shinkansen in Japan und TGV in Frankreich kennt, kann über das deutsche Schienennetz nur den Kopf schütteln. Fernreisende erzählen die wildesten Geschichten über Störungen aller Art und andere Abenteuer. Die neue Sprintstrecke München – Berlin ist im internationalen Vergleich zwar nur ein kleiner Schritt – aber ein großer für die Deutsche Bahn.

Trotzdem muss noch viel geschehen. Für eine Großstadt wie Ingolstadt mit florierender Wirtschaft und reichlich Pendlerverkehr fällt das derzeitige Angebot an Zugverbindungen recht mau aus, insbesondere wenn man den Fernverkehr und die ICE-Anbindung betrachtet. Gerade hier besteht großer Nachholbedarf. Schienenverkehr ist nach wie vor das Verkehrsmittel der Zukunft. Wer die Bahn nutzt, spart im Vergleich zu Flugzeug, Auto oder Bus erhebliche Mengen an Schadstoffen ein.

Die Lösung kann also nur sein, mehr schnelle, zuverlässige Verbindungen mit guter Taktung aus und in die Region Ingolstadt zu schaffen. Die Reise mit der Bahn muss sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr attraktiver werden. Nur dann kann Ingolstadt seinen einstigen Ruf als Eisenbahnstadt – passend zum 150. Jahrestag des Anschlusses an das Schienennetz – bewahren.