Ingolstadt
Unter den Augen der Öffentlichkeit

Transparenzdiskussion beherrschte die letzte Sitzung des Stadtrates vor der Sommerpause

27.07.2012 | Stand 03.12.2020, 1:14 Uhr
Der Nachwuchs sitzt in den Startlöchern: Bevor die Piraten im Stadtrat mitmischen dürfen, müssen sie im März 2014 aber erst einmal gewählt werden. Kreisvorsitzender Benedikt Schmidt (Zweiter von rechts) und seine Freunde brachten am Donnerstag auch als Zuschauer ihre Meinung zum Ausdruck. −Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Die Spielregeln der Politik ändern sich rapide. Selten zuvor war das im Rathaus so deutlich zu sehen wie am Donnerstag bei der Stadtratsdebatte. Während oben in den Zuschauerrängen die Piraten für Transparenz demonstrierten, mühten sich unten die Räte um gemeinsame Beschlüsse.

Die Handvoll Piraten bekam vorgeführt, wie sich die Mühen der kommunalpolitischen Ebene so anfühlen – vielleicht ein Vorgeschmack auf die eigenen Aktivitäten nach der Wahl 2014. Insgesamt acht Tagesordnungspunkte hatte das Plenum abzuarbeiten, die alle etwas mit Offenheit und Transparenz in der Politik zu tun haben.

Dass die von Grünen und Linken geforderte Liveübertragung der Sitzungen mit 34 zu 14 Stimmen abgelehnt wird, war absehbar, nachdem eine interne Umfrage unter den Stadträten eine Zweidrittelmehrheit gegen den Livestream ergeben hatte. Es war einer der raren Anlässe, bei denen Christine Haderthauer (CSU) sich im Stadtrat zu Wort meldet. Im Gegensatz zum Landtag, argumentierte die Ministerin, säßen im Stadtrat überwiegend Ehrenamtliche. „Man kann nicht lückenlos auf sein Persönlichkeitsrecht verzichten.“ Sinnvoll sei der Livestream nur, wenn sich zu Beginn der Wahlperiode das komplette Gremium einverstanden erkläre. In diese Richtung wird es wohl laufen, wie auch der OB andeutete.

Angst vor der Öffentlichkeit habe er keine, widersprach Alfred Lehmann dem Antragsteller Jürgen Siebicke (Linke). „Die Kamera ist gerade auf mich gerichtet“, zeigte er auf den Mitarbeiter von IN-TV, „und ich zittere nicht vor Angst.“ Auch die anderen Gegner der Liveübertragung versicherten immer wieder, dass sie ganz persönlich „keine Angst davor“ hätten, wie zum Beispiel Gerd Werding (FW): „Aber ich möchte echt mal wissen, wie viele Leute draußen das wirklich interessiert.“ Sein Fraktionschef Peter Gietl empfahl, das ganze Thema „dem nächsten Stadtrat zu überlassen“: „Wir sollten uns vor dem falschen Bild hüten, dass wir uns der Transparenz entgegen stellen.“

Hauptamtschef Hans Meier lieferte Argumente gegen den Livestream. Der Datenschutzbeauftragte stufe die Persönlichkeitsrechte der Stadträte höher ein als die von Landtagsabgeordneten. Auch der städtische Personalrat habe Bedenken geäußert. Derzeit werde „in keiner bayerischen Großstadt“ live übertragen.

Den Befürwortern schien das alles nicht sehr überzeugend zu sein. „In zehn Jahren werden wir alle darüber lachen“, glaubt Siebicke. Achim Werner (SPD) hätte sich „ein Stück mehr Demokratie“ erhofft, Christel Ernst (FDP) einen zusätzlichen „Service für die Bürger“, und sogar Ulrich Bannert (Republikaner) ist überzeugt, dass die Internetübertragung „in Zukunft nicht mehr zu verhindern“ sei.

Einigkeit herrschte dagegen im Stadtrat, dass die Anträge und öffentlichen Sitzungsvorlagen künftig ins Netz gestellt werden. Bürger ohne Internetzugang bekämen sie bei Bedarf auch auf Papier, sicherte der OB zu. Die Arbeitsgruppe Jugendhilfeplanung, auch darüber herrschte Konsens, tagt in Zukunft öffentlich.

Nicht durchsetzen konnten sich die Linken mit ihrer Forderung, die Protokolle aus den Bezirksausschüssen im Internet zu veröffentlichen. Der Aufwand für die Ehrenamtlichen wäre wohl zu groß, hielt die Verwaltung dagegen. Die jeweilige Tagesordnung ist aber im Netz für jeden einsehbar.

Ob die Bürger ein Anrecht darauf haben, das Gehalt der führenden Stadtmanager zu kennen, ist seit Jahren umstritten. München und Nürnberg sind in dieser Hinsicht großzügiger als Ingolstadt. Die SPD-Fraktion hält hier mehr Offenheit für geboten und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Der Stadtrat einigte sich auf folgendes Vorgehen: Wenn die Geschäftsführer in ihren Verträgen nicht ausdrücklich widersprechen, werden ihre Bezüge im jährlichen Beteiligungsbericht personenbezogen veröffentlicht. Außerdem steht in diesem Bericht wie bisher ein Überblick über die oberen Gehaltsgruppen der kommunalen Manager, jedoch nicht in personifizierter Form.