Ingolstadt
Üble verbale Attacken gegen Ausländer

Wegen Volksverhetzung verurteilter Mann will milderes Urteil erreichen Anklagevertreter: "In Bayern wird das nicht locker gesehen"

31.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:44 Uhr

Ingolstadt (DK) Ist eine halbjährige Haftstrafe wegen Volksverhetzung für einige vielleicht unbedachte, jedoch zweifelsfrei aggressive Kommentierungen der Flüchtlingskrise in einem sozialen Netzwerk zu hoch? Ein 31-jähriger Mann aus dem Landkreis Eichstätt, der vorm Ingolstädter Amtsgericht im März wegen eines solchen Vorwurfs schuldig gesprochen worden war, versucht derzeit, in einem Berufungsprozess vor dem Landgericht besser wegzukommen.

Wahrscheinlich wird ihm dabei aber kein Erfolg beschieden sein, wie Konrad Riedel, Vorsitzender der Berufungskammer, gestern gleich zu Beginn der Verhandlung klarmachte. Es gehe in diesem Fall, so Riedel, auch um die Verteidigung der Rechtsordnung. Die Justiz könne "in diesen Zeiten" angesichts solcher Rechtsbrüche nicht einfach wegschauen und zur Tagesordnung übergehen, so der Richter sinngemäß.

Allerdings sitzt der Angeklagte, der wegen Betrugs mehrfach vorbestraft ist, deshalb auch schon im Gefängnis war und gegen den schon wieder eine neue Anzeige wegen einer angeblichen Betrügerei vorliegt, jetzt in einer regelrechten Zwickmühle: Weil er die Berufung (wohl mit Blick auf seinen Arbeitsplatz) unbedingt durchfechten will, könnte nun wohl auch die von der Staatsanwaltschaft nur vorläufig eingestellte frische Betrugssache zur Anklage kommen - und mit einer weiteren Haftstrafe enden.

Der junge Mann war gerade erst sechs Wochen wieder auf freiem Fuß und stand für die Zeit seiner erlassenen Reststrafe unter Führungsaufsicht, als er Ende 2015 in einem Diskussionsforum im Internet hart gegen Ausländer und insbesondere gegen Flüchtlinge einstieg. Von "Dreckspack" war da zu lesen gewesen, von "Scheißausländern", denen der Staat allerá †lei Vergünstigungen gewähre, und davon, dass der Schreiber selber "nachts nur mit Reizgas und mit einer scharfen Neun-Millimeter-Pistole rumlaufen" würde, um sich vor Übergriffen durch Asylbewerber zu schützen. Und noch ein Zitat: "Ich habe nichts gegen Ausländer - jedenfalls nichts, was hilft."

Starker Tobak, fand seinerzeit schon der Einzelrichter am Amtsgericht, der mit Blick auf die lange Vorstrafenliste des Angeklagten keine Möglichkeit für eine Bewährungsstrafe mehr gesehen hatte. Vor der Berufungskammer erklärte der Angeklagte gestern, dass er seinerzeit "einfach ohne nachzudenken was hingetippt" habe und dass er inzwischen ganz anders, nämlich positiv, über die Flüchtlingsfrage denke.

Um das zu unterstreichen, will er angeblich auch just am Tag vor dem Prozess noch 250 Euro an die Bayerische Flüchtlingshilfe überwiesen haben. Sein Verteidiger gab zu bedenken, dass andernorts in den vergangenen Monaten in anderen Verfahren wegen Volksverhetzung im Zuge der Flüchtlingskrise wesentlich mildere Urteile gefällt worden seien.

Doch die Justiz im Freistaat ist offenbar nicht gewillt, in strafrechtlichen Fragen dieser Qualität mit sich handeln zu lassen. "Wir sind hier nicht am Amtsgericht Berlin-Wedding", stellte Oberstaatsanwalt Nicolas Kaczynski in einer Stellungnahme vor der Kammer klar. Wer meine, milder beurteilt werden zu müssen, der müsse seine Straftaten eben "woanders begehen". Der Ankläger: "In Bayern wird das nicht locker gesehen, weil wir uns nicht auf der Nase rumtanzen lassen." Gerade viele äußerst fragwürdige Kommentierungen in den sozialen Netzwerken, so der Anklagevertreter, hätten in der Flüchtlingskrise negative Stimmungen verstärkt: "Das bestärkt alle anderen und sorgt für den Flächenbrand, den wir politisch sehen."

Kaczynski kündigte bereits an, dass seine Behörde die neuerliche Betrugsanzeige gegen den 31-Jährigen nochmals prüfen werde: "Wir können das, wir dürfen das." Zu einem Urteilsspruch kam es gestern noch nicht. Weil die Zeit knapp wurde, vertagte die Kammer sich auf kommenden Montag.