Ingolstadt
Jeder Meter eine neue Erfahrung

Junge Flüchtlinge von der Ingolstädter Berufsschule 1 gehen am Sonntag beim Triathlon in vier Staffeln an den Start

24.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:04 Uhr

Foto: Johannes Hauser

Ingolstadt (DK) Wie die 2500 Sportler fiebern auch einige Jugendliche der Staatlichen Berufsschule 1 in Ingolstadt dem kommenden Sonntag entgegen. Ihr Weg zum Ingolstädter Triathlon ist ein ganz weiter: In vier Staffeln treten unbegleitete jugendliche Flüchtlinge an.

Noch muss man sich an diesem Mittwochmorgen die große Bühne hinzudenken. Obwohl schon Stahlgerippe für Fußgängerbrücken am Baggersee stehen, braucht es Fantasie, um zu erahnen, was hier am Sonntag los sein wird. Dicht gedrängt werden die Zuschauermassen stehen und alle Athleten des Ingolstädter Triathlons anfeuern. Das übernimmt heute die Gruppe mit Schülern und drei Lehrern selbst, die an diesem Vormittag zum Abschlusstraining und zur Streckenbesichtigung an den Wettkampfort gekommen ist.

Die Sportlehrer Josha Rix, Felix Sobietzki und Sandro Uhlig haben ihre Schützlinge über Monate betreut und auf den Tag vorbereitet - so gut es eben ging. Denn ihre Schützlinge aus vieler Herren Länder (von Afghanistan bis Eritrea) sind zum Teil erst seit wenigen Monaten in Deutschland und haben teils noch nie koordiniert Sport betrieben. Da kam den Berufsschullehrern der Triathlon gelegen. "Sport ist hervorragend für die Integration geeignet", sagt Josha Rix, der das Projekt federführend betreut. Auslöser war ursprünglich eine E-Mail des Veranstalters, ob sich an der Berufsschule nicht jemand als freiwilliger Helfer engagieren möchte. Das Ziel ist erreicht: 18 Jugendliche, meist Klassenkameraden der Starter, betreuen am Sonntag unter Leitung von Lehrerin Andrea Modrak einen Verpflegungsstand.

Im Gegenzug kann die Berufsschule ihre Staffeln über die Sprintdistanz kostenlos an den Start schicken. "Das ist eine tolle Sache", sagt Rix. "Das könnten die Jungs sich sonst nie leisten." Er und seine beiden Mitstreiter werden als Lehrerstaffel mitmachen. "Damit die Jugendlichen auch sehen, dass wir es ernst meinen." Denn der Weg zum Triathlon war weit. Ursprünglich sollten es sieben Schülerstaffeln sein. Dann mussten die Lehrer aussieben beziehungsweise junge Leute gaben auf. "Das ist ein Projekt, wo man dranbeleiben und Durchhaltevermögen beweisen muss", sagt Rix. Knackpunkt war vor allem das Schwimmen. Fürsorgepflicht ging vor. "Einer der Jungs hat sich im Sportbad auf 50 Metern dreimal an der Leine festhalten müssen", berichtet Felix Sobietzki, der selbst Leistungsschwimmer war. Einen Wackelkandidaten könne man nie ins Freiwasser senden.

Idris aus Afghanistan und seine drei Kollegen Zakerullah, Ramazan und Samsom aus den anderen Staffeln schon. Der 19-Jährige pflügt durchs Wasser, als habe er nie etwas anderes gemacht. Idris ist sogar Mitglied der Ingolstädter DLRG und bereits auf Rettungsschwimm-Wettkämpfen am Start gewesen. Mit Beifall werden die Staffelschwimmer an Land begrüßt, nachdem sie die 750 Meter gemeistert haben. "War nicht so schlimm", lacht Idris und streift sich den Neoprenanzug ab. Am Sonntag würden sie gleich zur Wechselzone eilen, um den Zeitmesschip an die Radfahrer zu übergeben. Sergo, Adrian, Wasik und Sabrina (eine Mitschülerin aus einer der Regelklassen) strampeln auf Mountainbikes die 20 Kilometer bis Pettenhofen und zurück. "Helme nicht vergessen!", mahnt Rix sie an.

Er selbst wird in seiner Staffel den letzten Part übernehmen. Wie Said, Georgios, Jawid und Merieh dreht der Lehrer eine Runde (4,8 Kilometer) um den Baggersee. Dann können die drei Athleten der Staffeln gemeinsam über die Ziellinie laufen. Said dürfte alle andere in den Schatten stellen. "Unser Spitzenmann!", sagt Rix. Der Junge aus Eritrea ließ vergangenes Wochenende beim Gaimersheimer Marktlauf aufhorchen. Mit 31:53 Minuten für die 8,1 Kilometer kam er aus dem Stand in der Hauptklasse auf Platz sechs. Wie eine Feder schwebt das Läufer-As über die Strecke am Baggersee. Ein Lächeln auf den Lippen. Aber das haben hier alle Triathlon-Teilnehmer aus der Berufsschule.