Ingolstadt
Todesfurcht im eigenen Wohnzimmer

Rentner schildert vor dem Schwurgericht die bangen Minuten in der Gewalt seiner Haushaltshelferin

04.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr

Ingolstadt (DK) Das Opfer ist 81 Jahre alt und wurde von Rotkreuzhelfern in einem Rollstuhl in den Sitzungssaal geschoben. Zwei Stunden lang hat gestern vor dem Schwurgericht jener Rentner als Zeuge ausgesagt, der im vergangenen Mai von seiner Haushaltshelferin lebensgefährlich traktiert worden sein soll.

Wenn es stimmt, was der Mann nach dem Vorfall der Polizei und gestern auch der Großen Strafkammer am Landgericht erzählt hat, dann hat der aus der Türkei stammende Senior im vergangenen Mai in seiner Wohnung an der Hebbelstraße im Nordostviertel die wohl schlimmsten Minuten seines Lebens durchlitten: Wie bereits nach dem Prozessauftakt in der vergangenen Woche berichtet, soll die 32-jährige Bulgarin, über die jetzt in dem sogenannten Sicherungsverfahren zu befinden ist, dem Mann, der sie erst drei Wochen zuvor als Haushaltshilfe und Pflegerin bei sich aufgenommen hatte, mit einem harten Gegenstand auf den Kopf geschlagen, ihn anschließend gefesselt und getreten sowie mit Wassereinflößungen in den Mund an den Rand des Erstickens gebracht haben. Möglicherweise leidet die Frau allerdings an einer schweren psychischen Störung, was nun im Verfahren zu klären ist.

Der Geschädigte lebt nach eigenen Worten bereits seit fast 60 Jahren in Deutschland, hat aber als Mitglied der ersten Gastarbeitergeneration offenbar keinen wirklichen Anschluss an sein Gastgeberland gefunden und war vor Gericht deshalb auf einen Dolmetscher angewiesen. Nach vielen Rückfragen der Richter und einigen widersprüchlichen Detailaussagen blieb nach seiner Vernehmung das Bild eines Kerngeschehens, bei dem die beschuldigte Frau (für sie wird ebenfalls gedolmetscht) eine zentrale und offenbar durchaus negative Rolle gespielt haben soll: Nach dem gemeinsamen Frühstück soll die Pflegerin demnach dem ahnungslosen Rentner, der vom Sofa im Wohnzimmer aus das TV-Programm verfolgte, unvermittelt und grundlos mit einem harten Gegenstand auf den Kopf geschlagen haben, sodass er benommen zu Boden ging.

Der Mann vermutet, dass es sich beim Tatwerkzeug um eine kurze Eisenstange gehandelt hat, die zum Transportgeschirr seiner Waschmaschine gehörte. Er will das Metallrohr nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus blutbehaftet unter einem Sessel gefunden haben. Direkt am Tattag war die fragliche Stange jedenfalls von ihm noch nicht erwähnt worden. Sie landete erst später als Asservat bei der Polizei.

Hilflos am Boden liegend, soll der Mann dann von der Frau (wahrscheinlich mit Stoffstreifen aus einem Bettlaken) gefesselt und später dann getreten worden sein. Sie habe sich mit den Füßen auf seinen Brustkorb gestellt, darauf herumgewippt und gedroht, ihm alle Rippen zu brechen. "Heute werde ich dich umbringen!", soll sie auf Türkisch gesagt haben. Die mutmaßliche Täterin beherrscht die Sprache des Opfers offenbar sehr gut.

Anschließend soll die Beschuldigte dem Rentner aus einem Eimer mehrfach Wasser ins Gesicht und vor allem auch in den Mund gegossen haben. Der Mann empfand dadurch Atemnot und entsprechende Todesangst: "Ich war kurz vorm Sterben", übersetzte der Dolmetscher eine entsprechende Einlassung. Von der Polizei ursprünglich notierte Aussagen, wonach die Frau ihn auch gewürgt haben sollte, bestätigte der Rentner hingegen vor Gericht nicht. Etwas widersprüchliche Angaben machte er zu dem Geldbetrag, der ihm angeblich in der fraglichen Zeit mit der Haushaltshilfe abhandengekommen sein soll. 2500 Euro, die er nach eigener Darstellung unter anderem zur Begleichung einer Zahnarztrechnung "unterm Kopfkissen" verwahrt hatte, waren verschwunden. Er will das aber erst nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus bemerkt haben. Kurioserweise waren angeblich auch sein Pass und sein Führerschein für einige Wochen verschwunden. Ein Nachbar hatte die Papiere dann draußen in der Nähe des Hauses gefunden.

Der Prozess wird erst am 15. Februar fortgesetzt. Dann dürften vor allem die drei medizinischen Gutachter zu Wort kommen, die über die Zurechnungsfähigkeit der Beschuldigten zu befinden haben.