Ingolstadt
Sturm auf den Stadtrat

Die Ingolstädter Piraten formieren sich sehr selbstbewusst für den Kommunalwahlkampf

17.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:23 Uhr

Abgestimmt wird analog: mit Karten. Die Piraten nahmen gestern im Weißbräuhaus Kurs auf kommunalpolitisches Terrain - Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) Die Piraten bevorzugen schwarze Oberbekleidung. Nur der Schatzmeister kommt in Orange, der amtlichen Parteifarbe. Derart dunkel gewandet, präsentieren sich die Nachwuchspolitiker farblich ideal auf die Holzvertäfelung im Nebenzimmer des Weißbräuhauses abgestimmt.

Das gediegen-altbayerische Ambiente bildet dafür einen inspirierenden Kontrast zum rebellischen Potenzial der Piraten, wohingegen der alte und neue Kreisvorsitzende Benedikt Schmidt wieder eher in der altbayerischen Ecke anzusiedeln ist, zumindest rhetorisch, denn er spricht einem CSU-Generalsekretär nicht unähnlich: selbstgewiss, krachert und derb, wenn es sein muss.

Das muss es offenbar, denn die Piraten geizen nicht mit offensiv vorgetragenem Verdruss am traditionellen Demokratiegebaren der etablierten Parteien. Solcherart beseelt, setzen sie zum Sturm auf den Ingolstädter Stadtrat an. Das übrigens – entgegen beliebten Klischees – in Formalitäten fit. Der Kreisparteitag (14 Herren, zwei Damen, sieben Laptops und mehrere Tablet-PCs) arbeitet sich beflissen durch eine opulente Tagesordnung. Der Versammlungsleiter Andreas Popp, eloquenter Mitbegründer der Piraten und einst deren zweiter Bundesvorsitzender, wacht über die Korrektheit, assistiert vom jungen Schatzmeister Maximilian Dachs, der ebenfalls in den Regularien zu Hause ist, wie er Punkt für Punkt demonstriert.

Ein einziger Pirat ist, was keiner leugnen kann, älter als 30. Die Mehrheit liegt unter 25. Benedikt Schmidt (29) amtiert seit einem Jahr als Piratenkapitän. Die Politik, fügt er trocken an, sei ihm „eigentlich immer noch zuwider“; aber es helfe ja nichts.

Beim Grußwort lugt er auf einen Laptop, den er vor sich in den Händen hält. Sein Tätigkeitsbericht erlaubt einen besonderen Eindruck davon, was die Piraten so sehr von den anderen unterscheidet: 240 Mails hat Schmidt im ersten Jahr auf die Beitragsliste der Piraten gesetzt, dazu kamen rund 1200 direkte Mails an Mitglieder plus ca. 4000 Postings (konservativ: Textbeiträge) auf Twitter, Piratenwiki, Facebook und Google plus, denn er ist „in der Bundespartei für die Bespaßung der Mitglieder zuständig“.

Und in der Schanz vielleicht bald für die schonungslose Politprosa. An Selbstbewusstsein mangelt es jedenfalls nicht. „Die Zeit der Selbstzweifel ist spätestens seit den vier Wahlerfolgen vorbei!“ Und an die Adresse der Gegner: „Das Zeitalter der Hinterzimmerentscheidungen nähert sich dem Ende. Ob die wollen oder nicht! Die Frage ist nur, wie viel Zeit wir ihnen noch lassen.“ In Ingolstadt sei die Transparenz „aller politischer Entscheidungen, die uns Bürger betreffen“, mehr als nötig. Die „Verbotsallüren der Stadt“ stehen auch auf dem Angriffsplan.

So viel Kampfgeist kommt an. Der Piratenchef wird mit elf von 13 Stimmen im Amt bestätigt. Gewählt wird übrigens analog – mit Karten. Bei der Kür des Anführers zeigen sich allerdings die Grenzen der digitalen Welt: Als es gilt, je einen Namen auf den Wahlzettel zu schreiben, zischt ein Satz auffallend oft durch den Raum: „Hat jemand an Stift“