Ingolstadt
Steinerne Weggefährten

Historische Kilometersteine erinnern an eine Zeit bedächtigerer Reisegeschwindigkeiten

27.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:37 Uhr

Stummer Zeitzeuge: Diese Steinsäule aus dem 16. Jahrhundert steht an der Schultheißstraße in Friedrichshofen.

Ingolstadt (DK) Verwittert und stoisch stehen an einigen Stellen im Stadtgebiet meterhohe Steine am Straßenrand. Die meisten nehmen sie im Vorüberfahren wohl nur aus dem Augenwinkel wahr. Früher gaben die Stelen die Orientierung vor. Sie gehen zurück auf Napoleon.

Aus einem Auto heraus ist die Schrift auf dem historischen Wegweiser neben dem Kreisverkehr an der Schrobenhausener Straße kaum zu entziffern. Wer allerdings mit einem Pferdefuhrwerk oder zu Fuß unterwegs ist, wie es zur Zeit, da der Stein aufgestellt wurde, üblich war, der liest "1,9 nach Zuchering" und von der anderen Seite "5,0 nach Ingolstadt". Deutlicher ist die Schrift auf einem Pendant des Steins, der in Mailing den Weg nach Vohburg weist. Schwarz hebt sie sich vom grauen Untergrund ab. Dafür ist unter anderem Reinhold Hagl verantwortlich. Er arbeitet im Ingolstädter Hochbauamt und hat sich der Kilometersteine angenommen. Bei Bedarf zieht er die eingemeißelten Schriften mit Farbe nach. "Früher gab es viel mehr dieser Steine", weiß er. "Sie standen an den Stadtgrenzen." Mit dem wachsenden Verkehr sind die Ausfallstraßen allerdings immer breiter geworden, die Steine mussten weichen. Manchmal tauchten einige etwa bei Bauarbeiten unvermittelt wieder auf. Einige kleinere Exemplare tun mittlerweile an der Ickstatt-Realschule als Poller ihren Dienst. Der damalige Baudirektor Hans Straub hat sie Ende der 1960er-Jahre hier eingesetzt, nachdem sie in einer Ecke des stätischen Bauhofs ein eher trauriges Dasein fristeten.

Andere wurden wieder an den Straßenrand gesetzt. Wenn vielleicht auch nicht ganz an historisch korrekter Stelle. "Es ist schwer zu sagen, wo sie früher gestanden haben", erklärt Hagl. Manchmal geben alte Fotos Hinweise. Die Steine anhand der Entfernungsangaben exakt zu positionieren sei schwierig, da sich die Straßenverläufe im Laufe der Generationen geändert hätten. Allerdings kann die Schrift auf den Steinen einen anderen Hinweis geben: Sie verraten etwas über das Alter der Steine, erklärt Heimathistoriker Kurt Scheuerer. Die Frakturschrift weist darauf hin, dass die Steine vor den 1940er-Jahren angefertigt wurden. Dass die Entfernungen in Kilometern angegeben sind, deutet auf den Anfang des 19. Jahrhunderts hin. Napoleon ordnete im Frühjahr 1800 eine Vermessung Bayerns an, die später - nach dem Abzug der Franzosen ein Jahr später - von Kurfürst Maximilian IV., dem späteren König Max I., weitergeführt wurde. "Wären die Steine noch älter, würden die Entfernungen in bayerischen Meilen angegeben", erklärt Scheuerer. Oder in Wegstunden.

Noch älter ist ein Wegstein, der seit einigen Jahren wieder an der Schultheißstraße aufgestellt ist. Eine Tafel weist ihn als Grenzstein zwischen dem Burgfrieden Ingolstadt - jenem Bereich um die Schanz, in dem keine Fehden ausgetragen werden durften - und den Pfleggerichten Gerolfing und Gaimersheim aus. An der Spitze des Steins ist eine Jahreszahl zu erahnen, die 1558 heißen könnte. Darunter sind die verwitterten Reste des Ingolstädter Panthers zu erkennen (kleines Foto).

Im Laufe der Jahrhunderte ging der Stein zunächst verloren, bis er vor einigen Jahren bei Bauarbeiten wiederentdeckt wurde. Zunächst wanderte er ins Stadtmuseum, die Friedrichshofener Bürgerinitiative setzte sich allerdings dafür ein, dass er unweit des Fundortes wieder aufgestellt wurde. Seitdem lohnt sich für Vorbeifahrende vielleicht doch wieder ein kurzer Zwischenstopp.