Ingolstadt
Statt Küche an den Tatort

12.09.2011 | Stand 03.12.2020, 2:25 Uhr

Robert Zelyk am Tatort: Der 28-Jährige bei einer Führung durch die Ausstellung im Turm Triva, die am Sonntag zu Ende ging. Zelyk (rechts) ist gelernter Bürokaufmann, fand aber wegen seiner Behinderung jahrelang keine Arbeit. Mit viel Engagement schaffte er es am Ende doch vom Jobcenter ins Museum - Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) Eigentlich sollte Robert Zelyk Spülmaschinen einräumen. Doch der 28-jährige Langzeitarbeitslose weigerte sich, diesen Ein-Euro-Job anzunehmen und suchte sich auf eigene Faust einen anderen. Er wurde fündig: Als Leiter der Ausstellung „Vom Tatort ins Labor“ kamen der Erfolg und die Wende.

Am Wochenende ging die schaurige Schau des Berliner Medizinhistorischen Museums der Charité und der Rechtsmedizin Berlin im Turm Triva zu Ende: Über 16 000 Menschen haben sie gesehen – ein riesiger Erfolg, an dem Robert Zelyk als Organisator beträchtlichen Anteil hat. Er fesselte die Besucher bei über 60 Führungen mit seinem geschliffenen, fachlich fundierten Vortrag über unnatürliche Todesfälle, über die Boxerstellung von Brandleichen oder den Berliner Bockwursttod. Es sprudelte nur so aus ihm hervor – als hätte er sein Leben lang im Labor der Rechtsmedizin gearbeitet.

Hat er aber nicht. Robert Zelyk, geboren in Sachsen und vor zwei Jahren wegen der Hoffnung auf Arbeit in Ingolstadt gelandet, ist von Beruf Bürokaufmann. Die letzten acht Jahre war er allerdings arbeitslos. „Ich bin nach über 20 Operationen zu 100 Prozent schwer behindert. Mit dem Ausweis hast du fast keine Chance. Ich saß genauso in der Hartz-IV-Mühle wie Leute ohne Ausbildung und ohne Interesse an einer Arbeit.“

Im Jobcenter machten sie ihm keine große Hoffnung. Bewerbungen hätten wenig Sinn, hieß es dort, nur vereinzelt kamen Stellenangebote, die bestenfalls in Praktika mündeten. Meist jedoch gab es nur Absagen. „In Zeiten von Zeitarbeit bindet sich keiner einen Schwerbehinderten ans Bein. So einer wie ich ist nicht vermittelbar“, lautet Zelyks Erkenntnis. Das sei auch eine Folge des Antidiskriminierungsgesetzes: „Das hat die Situation Schwerbehinderter eher noch verschärft. Für jene, die Arbeit haben, ist der Schutz schön und gut. Aber für alle, die Arbeit suchen, wird es komplizierter.“

Das hat er auch Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben. Und noch einen fatalen Mechanismus kritisiert der junge Mann: „Die Zeitarbeitsfirmen verwalten die Arbeitslosen und verdienen daran. Da besteht kein Interesse an einer Vermittlung.“

Irgendwann sollte Zelyk dann einen Ein-Euro-Job übernehmen – in der Caritas-Küche. „Da beschloss ich, mir selber Arbeit zu besorgen, eine Tätigkeit, bei der mein Gehirn bei der Sache bleibt. Das fanden die im Jobcenter zwar nicht so toll, aber sie gaben mir eineinhalb Wochen Zeit. Andernfalls hätten sie mir die Leistungen gekürzt.“

So ging der Arbeitslose Klinken putzen, und im Medizinhistorischen Museum hatte Zelyk tatsächlich Glück: Direktorin Marion Ruisinger ließ sich zunächst auf ein paar Tage Probearbeit ein. „Sie war dann sehr schnell begeistert von meinem Engagement und stellte mich befristet für neun Wochen ein“, sagt Zelyk. Fortan hatte er nur ein Ziel vor Augen: „Ich wollte mich verfestigen.“ Doch es war ein Kampf, bis das Jobcenter ihm die notwendige Stundenzahl genehmigte.

Sein Durchhaltevermögen zahlte sich aus: Schließlich bekam Zelyk eine auf ein Jahr befristete Festanstellung im Sekretariat des Medizinhistorischen Museums. Dann half ihm der Zufall weiter, denn plötzlich fiel ein Mitarbeiter für die gemeinsam mit dem Armeemuseum veranstaltete Ausstellung im Turm Triva aus.

Robert Zelyk witterte seine Chance: Voller Elan arbeitete er sich ein, besuchte sogar das rechtsmedizinische Institut in Berlin, um sich ein Bild von der praktischen Arbeit zu machen, schaute bei Sektionen zu, tauchte ein in die Welt der Feuchtpräparate. „Ich hab’ mich richtig reingefuchst in das Thema, so dass ich bald sogar Führungen machen durfte.“ Dabei traf er auch Bekannte aus den Behörden wieder. Denen konnte der junge Mann zeigen, dass mehr in ihm steckt als eine Ein-Euro-Küchenhilfe – nämlich ein Ausstellungsleiter.

Aber was für ein Kampf war das: „Wenn man einmal in der Hartz-IV-Trommel steckt, dann geht man total unter. Da kommt man nur raus, wenn man bissig ist. Wichtig sind auch Humor und Selbstbewusstsein. Und du brauchst Menschen, die dein Potenzial erkennen, fördern und dir eine Chance geben.“

Robert Zelyk fand solche Menschen – nach langer, unermüdlicher Suche. Durch seinen tatkräftigen Einsatz bei der Ausstellung „Vom Tatort ins Labor“ wurde zuletzt auch der Direktor des Armeemuseums auf ihn aufmerksam und gab ihm einen unbefristeten Teilzeitvertrag. So schafft der 28-Jährige es am Ende – vom Jobcenter ins Museum. Nun will Zelyk auf ehrenamtlicher Basis anderen arbeitslosen und kranken Menschen Hilfestellung leisten und Mut machen. „Denn wenn man selber so etwas durchgemacht hat, dann kommt man viel glaubwürdiger rüber.“