Ingolstadt
Sie kämpfen weiter

In Niederfeld sollen Anrainer für eine Straße Erschließungsgebühren zahlen, die es seit den 1960ern gibt

20.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr

Protest in Niederfeld: Die Anrainer der Rothenturmer Straße sehen es nicht ein, für eine Straße 90 Prozent der Kosten zu übernehmen, die sie bereits seit den 1960er Jahren nutzen. Auf einige Anwohner können fünfstellige Beträge zukommen. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) In Niederfeld gärt es. 90 Prozent Erschließungsgebühren sollen die direkten Anrainer der Rothenturmer Straße an die Stadt zahlen (DK berichtete). Die Anwohner sind der Meinung, dass sie diese Gebühren bereits in den 1960ern bezahlt haben. Die Stadt sieht das anders.

Denn als die Brücke über die alten Eisenbahngleise in der Ortsmitte abgerissen wurde, verlegte die Stadt die Straße ein Stück nach Norden an die dort angrenzenden Häuser. Um die Kosten auf mehr Schultern zu verteilen, sollen auch Anwohner vom westlichen Ortseingang bis zum aktuellen Bauabschnitt Erschließungsgebühren zahlen.

Manche Niederfelder sehen das anders. Auch eine Infoveranstaltung der Stadt Ende Januar, zu der gut 70 Anrainer gekommen waren, konnte die Wogen nur bedingt glätten. "Wieso sollen wir für eine Straße zahlen, die es bereits seit den 60ern gibt", fragt sich Rudolf Zwyrtek jun. Ob es sich um eine bereits damals fertiggestellte Straße handelt, ist einer der Knackpunkte. Denn das zu belegen, ist nicht einfach. 1960 gehörte der Ort noch zur damals unabhängigen Gemeinde Unsernherrn. Zwei Jahre später, im Jahr 1962, wurde Unsernherrn und somit auch Niederfeld nach Ingolstadt eingemeindet.

Nach Meinung von Zwyrtek wurden damals an Unsernherrn Erschließungsgebühren gezahlt. Ein Beleg dafür sei eine Notariatsurkunde von Zwyrteks Vater, der am 30. Juni 1961 750 Mark Straßenkostenanteil gezahlt hatte. "Ein klarer Beleg, dass damals für die Fertigstellung gezahlt wurde", sagt Zwyrtek.

Das städtische Tiefbauamt sieht das hingegen anders. "Die Urkunde ist ein klarer Hinweis darauf, dass die Straße damals gerade noch nicht fertiggestellt war", sagt Baureferent Alexander Ring. "Denn wenn die Straße bereits fertiggestellt gewesen wäre, dann hätte die Stadt keine Kosten verlangen können."

Die Zahlung der 750 Mark von damals sei mittlerweile inflationiert in die Kosten für die Erschließung der Straße mit eingerechnet. "Wir haben auch Unterlagen aus unserem Archiv und aus Unsernherrn an die Rechtsaufsicht der Regierung von Oberbayern geschickt und lassen sie gerade prüfen", sagt Ring. Auch ein kleiner Bereich von etwa 1300 Quadratmetern am östlichen Teil des Bauabschnitts werde mitberücksichtigt. "Damit würden die Kosten auf mehr Schultern verteilt - wenn auch schmale Schultern." Und einen etwa 800 Quadratmeter großen Bereich, auf dem zurzeit ein Spielplatz steht, habe man der Bezirksregierung zur Überprüfung gegeben. "Wir kommen den Bürgern so weit entgegen, wie es geht", sagt Ring.

Gleichzeitig suchen die Niederfelder weiter nach Dokumenten, die die Fertigstellung ihrer Straße in den 60ern bestätigen. In einer Bescheinigung vom 11.12.1972, welche der Redaktion vorliegt, ausgestellt vom Hoch- und Tiefbauamt der Stadt, steht, dass die "Erschließungsanlage Rothenturmer Straße [. . .] endgültig hergestellt" ist. Rosa-Maria Lenk vom Tiefbauamt bestätigt, dass man daraus schließen kann, dass tatsächlich keine weiteren Erschließungsgebühren für die Niederfelder anfallen. Im selben Dokument wird im nächsten Punkt allerdings aufgezählt, dass wegen "mehrerer Teilmaßnahmen" noch Erschließungsbeiträge nach dem Bundesbaugesetz (BBauG) anfallen werden. Ein Widerspruch zum vorigen Punkt. "Wir haben deshalb das Dokument und noch weitere zur Prüfung an die Rechtsbehörde der Regierung von Oberbayern geschickt", so Lenk.

So sehr die Stadt auch versucht die Kosten zu mindern, für manche der zirka 40 Betroffenen werden die Gebühren nur schwer zu stemmen sein. Auf etwa 800 000 Euro schätzt das Bauamt aktuell das gesamte Bauvolumen. Auf einen Anrainer können fünfstellige Beträge zukommen. "Hier leben auch ältere Leute, die nur eine kleine Rente erhalten", sagt Zwyrtek. "Für sie wird es auch schwer werden, noch einen Kredit bei der Bank zu erhalten."

Eine Möglichkeit, die Zahlungen zumindest zu strecken, gibt das Baugesetzbuch vor. So könne in Härtefällen in Raten gezahlt werden. "Bis zu zehn Jahre ist das möglich", sagt Ring. Bis jetzt wurde noch kein Antrag auf einen Härtefall gestellt. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: "Wir haben noch keinen abschließenden Bescheid über die Höhe der Kosten erhalten", sagt Zwyrtek. "Bevor wir den nicht haben, können wir auch keine Anträge auf Härtefälle stellen."

Die Bearbeitung der von der Stadt bei der Regierung von Oberbayern eingereichten Dokumente dauert indes noch an. "Sie sind dort gerade sehr mit den Straßenausbaubeiträgen beschäftigt", sagt Lenk. Während die Freien Wähler bekanntlich Unterschriften für ein Volksbegehren sammeln, hat die CSU-Staatsregierung die baldige Abschaffung der Gebühren angekündigt. Erst wenn die Antwort zum Ingolstädter Fall mit den Erschließungskosten aus München da ist, könne man weitersehen, so Lenk.