Ingolstadt
"Sie beten alle um Regen"

05.08.2010 | Stand 03.12.2020, 3:48 Uhr

Ingolstadt (DK) Die Waldbrände in Russland mit Dutzenden Toten sind auch in Ingolstadt ein großes Thema. Viele Spätaussiedler leben hier. Außerdem ist man dem Zentralbezirk Moskau partnerschaftlich verbunden. Ingolstädter wie Brigitte Fuchs oder Charly Kornprobst reisen regelmäßig in das Riesenland.

An diesem Samstag bricht Charly Kornprobst aus Zuchering zu Nummer 36 auf. So oft ist er schon nach Russland gereist. Seit Jahrzehnten führt er Gruppen für die Evangelische Aussiedlerarbeit. "Ich kenne das ganze Land", sagt er. "Da drüben werden Brände nicht so ernst genommen." Ach, Russland ist ein so großes Land, hieß es bisher regelmäßig. Eine fatale Fehleinschätzung, denn die Hitze will nicht mehr weichen.

Hohe Temperaturen seien in Russland an sich nichts Ungewöhnliches. "Ich kriege jedes Jahr in Sibirien meinen Sonnenbrand", sagt der Zucheringer. Kornprobst hat dort selbst schon Waldbrände nach Blitzschlag erlebt. "Der Torfboden brennt im Untergrund dann wie ein Ofen. Das ist kaum zu löschen." Zwei Mitreisende seiner Achtergruppe haben schon besorgt nachgefragt, ob der Russlandtrip gefährdet sei. "Wir sind nicht betroffen", ist Kornprobst überzeugt. Das hätten ihm seine Kontaktleute berichtet. Zu seinem Bekanntenkreis zählen Larissa und Alexander Skargin, der ehemalige Kulturreferent des Moskauer Stadtbezirks Krasnaja Presnja, mit dem Ingolstadt eine Partnerschaft unterhält.

Beim Thema Moskau kommt man an Brigitte Fuchs nicht vorbei. Die ehemalige Ingolstädter Bürgermeisterin ist dem Riesenreich durch viele Besuche stark verbunden. Sie verfolgt die Nachrichtenlage intensiv im Fernsehen, selbst wenn sie – wie gerade wieder – für einige Tage in Finnland ist. "Die Hitze macht den Moskowitern total zu schaffen", weiß sie im Telefongespräch mit dem DK zu berichten "Es ist schon schrecklich, wenn man im normalen Sommer da ist." Doch jetzt müsse es unerträglich sein. "Sie beten alle um Regen. Aber das wird die nächsten Tage nichts werden."

Das hat Fuchs aus erster Hand erfahren. Diese Woche telefonierte sie mit dem russischen Schulrektor Alexander Bubmann, der die Moskauer-Ingolstädter-Partnerschaft maßgeblich prägte und prägt. Dazu besteht ab 8. September wieder Gelegenheit, wenn Fuchs die vierte DK-Leserreise nach Moskau anführt. Dann will sie ganz genau hinsehen: Sie hat sich über viele Jahre mit Hilfslieferungen nach Russland engagiert. "Wenn die da drüben was brauchen, stehe ich wieder bereit", sagt sie. Bisher habe sich aber noch niemand gemeldet. Aus einfachem Grund wohl: "Die sind alle mit sich selbst beschäftigt."

Doch auch Ingolstädter leiden mit. "Für viele hier ist es ein Thema, weil sie Verwandte oder Bekannte drüben haben", sagt Johannes Hörner, der Vorsitzende der Evangelischen Aussiedlerarbeit in Ingolstadt. Das russische Fernsehen bringt den Spätaussiedlern die Katastrophe Tag und Nacht in ihre Ingolstädter Wohnungen.

Hörner sorgt sich vor allem über die Zeit nach den Bränden. "An vielen Orten ist ja die Ernte zerstört. Und so heiß es jetzt auch dort ist, der nächste russische Winter kommt bestimmt – und da können sie nicht mit dem Zelt draußen schlafen."