Ingolstadt
Schweigen am Arbeitsplatz

Agentur für Arbeit schult Unternehmer in richtiger Mitarbeiterführung

26.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr

Firmenchefs aus Ingolstadt und der Region ließen sich beim World Café im Arbeitsamt zu Themen wie Mitarbeiterbindung beraten. Dabei konnten sie den Ablauf an den Tischen selbst mitgestalten. - Foto: Brandl

Ingolstadt (mbl) "Tu alles, damit es deinen Mitarbeitern gut geht." Diese Botschaft stammt nicht von einem rührigen Gewerkschaftsführer, der für mehr Arbeitnehmerrechte eintritt, vielmehr kommt sie von den Akademien, wo heute die Führungskräfte von morgen studieren. Auch wenn bei manchem Firmenchef die Alarmglocken schrillen mögen, wenn er den Satz hört, Kurt Mosen, der am Donnerstag einen Informationsabend für Unternehmer zum Thema moderne Personalpolitik und Mitarbeiterbindung in der Agentur für Arbeit moderierte, konnte schnell belegen, was damit gemeint ist, und wie wichtig zufriedene Mitarbeiter heutzutage für einen Betrieb sind.

Das zeigte auch die hohe Teilnehmerzahl bei hochsommerlichen Temperaturen.

Laut einer Studie, die Mosen zitierte, weisen 68 Prozent der Arbeitnehmer nur eine geringe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber auf. Lediglich 16 Prozent verfügen über eine hohe emotionale Bindung. Zahlen also, die Luft nach oben lassen. Denn gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist die Bindung qualifizierter Mitarbeiter ans Unternehmen oftmals sogar ein existenzieller Aspekt. Wie also kann der Unternehmer es schaffen, seine Leute zu behalten und zu motivieren?

Im Rahmen des sogenannten World Café machten sich die Teilnehmer in gut zwei Stunden auf zu einer Reise zu sechs Themeninseln. Dort warteten Experten zu Bereichen wie Betriebsklima, Gesundheit, Personalführung sowie Vergütung und Sozialleistungen auf sie. Gemeinsamkeiten waren schnell gefunden, obwohl die Branchen, aus denen die Personalverantwortlichen stammten, nicht unterschiedlicher sein konnten. Eine junge Frau zeigte sich überrascht über die schlechten Zahlen zur Bindung. In ihrer Firma herrsche eine offene Kommunikation, was sich bewährt habe. Die Juniorchefin eines Bäckerei-Familienunternehmens war da skeptischer. Zu viel Transparenz werde ausgenutzt, so ihre Erfahrung. Es werde gelogen und betrogen. Eine Zahnärztin hat heute mit höherer Fluktuation zu kämpfen als vor 20 Jahren. Auch wegen Schwangerschaft. "Ich tue mich schwer, passendes Personal zu finden", sagte sie. Oft stelle man aus einer Notlage heraus nicht die passenden Leute ein, klagte eine Unternehmerin. Das habe einen schlechten Einfluss auf das Arbeitsklima, verdiente Mitarbeiter würden gehen. Eine Unternehmensberatung hätte nicht geholfen, sei zu einseitig und oberflächlich gewesen.

Die Vertreterin einer regionalen Handelsfirma für Maschinenteile beklagte die geringer gewordene Reisebereitschaft. Als Gründe würden oft das private Umfeld und das fremde Essen angeführt. Das Ende der reisewütigen Generation sah da Experte Klaus-Dieter Böse aufziehen und erkannte: "Es sind aktuell viele Generationen auf dem Arbeitsmarkt, und jede will anders angefasst werden." Die Frau schwärmte derweil von der kulturellen Vielfalt im Betrieb, dem gemeinsamen Mittagstisch, bei dem jeder etwas anderes zu erzählen hätte, und der interkulturellen Kompetenz am Arbeitsplatz sowie "Supererfahrungen" mit Praktikanten aus dem Umfeld der Asylbewerber. Alles Stichworte, die die Experten sehr gerne notierten. Als Vorzeigebeispiel für ein funktionierendes Arbeitsumfeld.

Das kann auch Experte Joachim Gottwald bestätigen. Sein Rat für Unternehmer: Der Chef muss sich nicht täglich um alle Mitarbeiter kümmern, aber er kann Prozesse für eine stärkere Transparenz integrieren, die ihm ein Feedback geben. "Sonst weiß keiner, warum Mitarbeiter kündigen", sagte er und empfahl Beraterprogramme wie den Offensiven Mittelstand, das finanziell gefördert wird. Hermann Tonn, der einen Reinigungsbetrieb führt, konnte sich für die sozialversicherungsfreien Zusatzleistungen begeistern. "Die werde ich definitiv einsetzen", sagte er. Den Abend fand er gerade für Klein- und Mittelständler gut. "Weil ein ständiger Berater zu teuer wäre", so Tonn.