Ingolstadt
Scharfer Gegenwind für den Gerichtsvollzieher

Doch auch Berufungsgericht wertet Vorgehen eines säumigen Gebührenzahlers als versuchte Erpressung

09.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:49 Uhr

Ingolstadt (DK) Am Landgericht ist jetzt die Berufung eines mutmaßlichen Reichsbürgers gegen ein Urteil des Ingolstädter Amtsgerichts verworfen worden. Der 59-jährige Ingolstädter muss demnach wegen der für die Gerichte erwiesenen versuchten Erpressung eines Gerichtsvollziehers, der nicht bezahlte Rundfunkgebühren eintreiben wollte, eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 Euro zahlen.

Der Angeklagte, der einen Freispruch erreichen wollte, hatte sich vor der Justiz als "freier, lebendiger und beseelter Mann" bezeichnet, was dem Sprachgebrauch der sogenannten Reichsbürger entspricht, die die Bundesrepublik und ihre Behörden und hoheitlichen Vertreter nicht oder nur bedingt anerkennen. Der Mann hatte zudem wenige Tage vor der Berufungsverhandlung seinem Anwalt das Mandat entzogen und verteidigte sich selbst.

Konkret hatte der 59-Jährige über einen längeren Zeitraum die Zahlung der obligatorischen Rundfunkgebühr verweigert, weshalb der Bayerische Rundfunk den ausstehenden Betrag von 200 Euro letztlich über einen Gerichtsvollzieher einzutreiben versuchte. Dieser biss bei dem Gebührendschuldner aber auf Granit, wurde von diesem laut Anklage vielmehr im vorigen Mai im Gegenzug mit ungewöhnlichen Forderungen konfrontiert: Er solle erst einmal eine amtliche Legitimation und auch eine Gründungsurkunde des Staates, des Bundeslandes und der Stadt vorlegen, wurde der Justizangestellte beschieden.

Strafrechtlich relevant wurde der Fall, als der Schuldner seine Aufforderung mit der Androhung verband, dass bei Nichterfüllung und Weiterbetreiben des Vollstreckungsverfahrens ein Pfandrecht über 500 000 Euro sowie die Zahlung von Silberunzen im umgerechneten Wert von 750 000 Euro fällig würden. Dies hatte der Angeklagte in eigens angelegten "allgemeinen Geschäftsbedingungen" niedergeschrieben und sie dann dem Gerichtsvollzieher übersandt.

Vergleichbare Vorgehensweisen der sogenannten Reichsbürger gerade auch gegenüber Justizangehörigen sind den Behörden durchaus bekannt. Wenn es gelingt, einen - wenngleich in der Sache unrichtigen - Titel zu erlangen, sind für den Betroffenen nicht unerhebliche Unannehmlichkeiten damit verbunden. "Ich habe mich unter Druck gesetzt gefühlt", so der als Zeuge geladene Gerichtsvollzieher vor der Berufungskammer.

Für die Kammer, die die in Rede stehenden Schriftstücke ausgiebig prüfte, stand daher fest: Das Verhalten des Angeklagten erfüllte den Tatbestand der versuchten Erpressung. Das Gericht konzentrierte sich vor allem auf eine Rechtsfrage: Kann auch derjenige mit Absicht zur rechtswidrigen Bereicherung handeln, der die Regeln des Staates bricht, an deren Existenz er nicht glaubt? Das Landgericht bejahte dies und begründete diese Auffassung ausführlich. Der Angeklagte, so hieß es, habe im Grunde gewusst, dass er gegen die Regeln des Staates, in dem er nun einmal lebt, verstößt. Die Schaffung einer eigenen Rechtsordnung, um damit staatlichem Handeln etwa in Form der Anwendung von Strafgesetzen zu entgehen, sei nicht zu akzeptieren. Ein geordnetes Zusammenleben wäre andernfalls schlechthin unmöglich, so der Vorsitzende in seiner Urteilsbegründung.

Der zuständige Gerichtsvollzieher hatte letztlich Glück. Denn bevor der Angeklagte weitere Schritte unternehmen konnte, wurde er aufgrund der Anzeige des Gerichtsvollziehers schon zur Polizei vorgeladen und an einem weiteren Handeln gehindert. Das vom Amtsgericht gefundene Strafmaß erachtete das Landgericht letztlich für zutreffend. Der Vorsitzende deutete aber auch an, dass es sich um ein eher mildes Urteil handele, welches berücksichtige, dass der Angeklagte bislang noch keine Vorstrafen hatte. Im Wiederholungsfalle könne ein solcher Sachverhalt aber leicht zu höheren Strafen führen.

Einzig ungeklärt blieb am Ende nur die Frage, ob und wie nun der Bayerische Rundfunk doch noch zu seinem Geld kommen kann - dies zu klären, war aber auch nicht Aufgabe des Berufungsgerichts.