Ingolstadt
Rezept gegen Ärztemangel

Ingolstadt ist im Vergleich zu den Gemeinden an der südlichen Stadtgrenze gut versorgt – noch

15.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:11 Uhr

Als Hausarzt stellt Anton Böhm tagtäglich Diagnosen. Doch ein Rezept gegen Ärztemangel hat er nicht. Diesen prophezeit der Hausärztesprecher auch in Ingolstadt - trotz eines gegenwärtig hohen Versorgungsgrades von 112,1 Prozent. Arch - foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Noch ist Ingolstadt, was die Anzahl der Hausärzte anbelangt, mit einem Versorgungsgrad von 112,1 Prozent bestens versorgt. Doch der Schein trügt. Denn 33,7 Prozent der hier praktizierenden Doktoren sind 60 Jahre und älter. Südlich der Stadtgrenze greift der Ärztemangel schon jetzt.

Versorgungsstärkungsgesetz: Mit diesem Wortungetüm hat der Bundestag kürzlich grünes Licht für ein Gesetz gegeben, das neben einer Termingarantie bei Fachärzten vor allem Anreize für Ärzte schaffen möchte, sich auf dem Land niederzulassen. Um die Sitze der Mediziner gerechter zu verteilen, dürfen die Kassenärztlichen Vereinigungen zudem in überversorgten Gebieten – ab einer Versorgungsrate von 140 Prozent – Arztsitze aufkaufen, etwa, wenn ein Mediziner in Rente geht. Die Stadt Ingolstadt ist davon nicht betroffen.

Das Gebiet südlich der Stadtgrenze Ingolstadt, der sogenannte Planungsbereich Ingolstadt-Süd, könnte davon profitieren. Denn hier liegt der Versorgungsgrad bei Hausärzten deutlich niedriger als in der Stadt. 31 Mediziner sind nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) in den dazu gehörenden Gemeinden Manching (6), Großmehring (4), Reichertshofen (9), Karlskron (1), Pörnbach (1), Geisenfeld (4), Vohburg (3), Münchsmünster (1), Pförring (1) und Mindelstetten (1) tätig. Im Verhältnis zur Anzahl der Einwohner (66 897, Stand 30. Januar 2015) ergibt sich so ein Versorgungsgrad von 79 Prozent. Im Planungsbereich Ingolstadt Süd herrscht damit laut KVB eine „drohende Unterversorgung“.

Vertragsärzte, die sich in unterversorgten Gebieten ansiedeln wollen, dürfen mit einer Finanzspritze vonseiten des Gesundheitsministeriums und der KVB rechnen. In einer Gemeinde mit weniger als 20 000 Einwohnern können aus diesen Fördertöpfen bis zu 110 000 Euro ausbezahlt werden.

Bis 2012 der Gemeinsame Bundesausschuss die aktuell gültige Bedarfsplanungs-Richtlinie beschlossen hat, gab es den sogenannten Mittelbereich Ingolstadt. Was jetzt als hausärztliche Planungsbereiche Ingolstadt Stadt, Ingolstadt Nord und Ingolstadt Süd aufgeteilt ist, war früher ein großes Gebiet. Im Planungsbereich Ingolstadt Nord, der Gaimersheim (12 Ärzte), Eitensheim (3), Buxheim (1), Wettstetten (5), Lenting (3), Hepberg (1), Kösching (4), Stammham (2), Denkendorf (3), Kipfenberg (3), Beilngries (6) und Altmannstein (3) umfasst, liegt der Versorgungsgrad bei 103,2 Prozent. 46 Hausärzte fallen hier auf 75 934 Einwohner. Das Durchschnittsalter der Mediziner liegt mit 55,6 Jahren über dem bayerischen Durchschnitt (54,4 Jahre).

Im Stadtgebiet Ingolstadt sind bei 129 136 Einwohnern 86 Hausärzte tätig – 42 davon sind Frauen. Das Durchschnittsalter der Ärzte liegt mit 55,1 Jahren ebenfalls über dem bayerischen Schnitt. Trotz gegenwärtig gutem Versorgungsgrad warnt Hausärztesprecher Anton Böhm auch im Stadtgebiet vor einem drohenden Ärztemangel. Zum einen arbeiteten insbesondere unter den Hausärztinnen viele in Teilzeit, zum anderen gingen in den nächsten Jahren viele Mediziner in Ruhestand. „Dann werden wir ein Problem haben.“ Dieses Problem werde „von den Kassen schöngeredet“. Um, wie der Ingolstädter Hausarzt, der auch im Bayerischen Hausärzteverband aktiv ist, vermutet, „die Kosten zu drücken“. Nach Meinung Böhms zeigt die Statistik nicht die tatsächliche Situation.

Ein anderer Punkt des Versorgungsstärkungsgesetzes wird von Böhm und der KVB kritisch gesehen: Die Zusicherung, dass Patienten durch die Einführung von Terminservicestellen beim Facharzt innerhalb von vier Wochen einen Termin bekommen. Denn die Kriterien dafür seien streng. Ein Hautkrebsscreening etwa gehört nicht dazu. Außerdem könne der verfügbare Arzt auch weit außerhalb der Stadtgrenze sein. Da sei die Gefahr groß, „dass große Versprechen enttäuscht werden“, so KVB-Sprecherin Birgit Grain. Anton Böhm meint: „Wenn es wirklich dringend ist, geht der Hausarzt her und ruft beim Facharzt an.“ Dann gehe es meistens sogar innerhalb von ein paar Tagen.