Ingolstadt
Redezeit für das starke Geschlecht

Im Bürgerhaus treffen sich regelmäßig Männer, die durch Gespräche zu mehr Lebenssinn finden wollen

17.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:47 Uhr

Männergespräche: Dirk Kassühlke (links), Gründer der Gruppe "Männer unter sich", unterhält sich mit Max aus Ingolstadt über Gott und die Welt. Das Angebot im Bürgerhaus wird derzeit allerdings nur von wenigen Männern wahrgenommen. - Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) Seit gut drei Monaten gibt es in Ingolstadt eine neue Männergruppe. Sie bietet Raum für Gespräche ausschließlich unter Vertretern des sogenannten starken Geschlechts. Und die dürfen, ja, sollen sich durchaus um andere Dinge drehen als Frauen, Bier, Fußball und Autos. So sagt es Initiator Dirk Kassühlke.

Wo steht eigentlich der moderne Mann in einer Gesellschaft, die zuletzt von Einflüssen aus Emanzipation und Feminismus mitgeprägt wurde? Wie erschließt sich seine Rolle und sein Verhalten darin und welche Facetten zeichnen ihn aus? Diese und andere Fragen stellt sich Kassühlke schon lange. Die Erkenntnisse darüber haben sein Leben mehrfach verändert. Jetzt ist er an einem Punkt angelangt, an dem er seine Erfahrungen mit anderen Männern teilen möchte. Als Selbsthilfegruppe will er sein Angebot jedoch nicht verstanden wissen. Eher als Kreis, der sich dem "Mann sein" sowohl aus der spirituellen als auch der alltäglichen Sichtweise nähern möchte und es den Herren der Schöpfung so ermöglicht, sich Quellen für Kraft, Freude und Lebenssinn zu erschließen.

"Männer genießen seit Jahrzehnten eine zunehmend weibliche Erziehung", sagt Kassühlke. Gründe hierfür seien neue Familienmodelle, die oft häufige Abwesenheit des Vaters und das Personal in Vorschulen und Kindergärten, das großteils weiblich sei.

Dem gelernten Bankkaufmann, der heute in einer ländlichen Männer-WG im Landkreis Eichstätt lebt und mit einer Frau liiert ist, gehen die Konsequenzen aus dieser "Aberziehung" männlicher Attribute mittlerweile zu weit, wie er anhand eines Beispiels darlegt. Demnach wisse er von einem Fall, in dem die Eltern eines Schülers von der Lehrkraft gefragt wurden, ob sie Gewalt guthießen, nachdem der Spross in der Pause mit anderen Buben gerauft hatte. Die Eltern sahen dies jedoch als eine Form des "gesunden Auseinandersetzens" an. "Solche Instinkte sind gar nicht mehr vorhanden", so Kassühlke. Nicht nur deshalb erkennt er bei vielen erwachsenen Männern eine zunehmende Verunsicherung darüber, was die eigene Rolle in der Gesellschaft angeht. Als Feind der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau möchte er sich aber nicht verstanden wissen: "Die finde ich extrem wichtig. Wir sind keine Kampftruppe gegen Feministen."

Bisher ist der Zulauf zur Gruppe noch überschaubar. Einer der Teilnehmer ist Max aus Ingolstadt. Nach einer 40-jährigen Laufbahn in einer leitenden Position, in der er ausschließlich mit Frauen zusammenarbeitete, riss ihn eine schwere Krankheit aus dem gewohnten Leben. Der verheiratete Familienvater bemerkte in der Genesungsphase plötzlich, dass er sich seiner "neuen" Rolle daheim bei Frau und Tochter gar nicht bewusst ist. "Ich merkte, dass wir nicht dieselbe Sprache sprechen", sagt er. Gleichzeitig verspürt er einen Nachholbedarf, was Kontakte zu Männern angeht. Die seien in seinem bisherigen Leben zu kurz gekommen, stellt er fest. Vor allem seine Frau sei es gewesen, die ihm den Impuls gab, nach draußen zu gehen und sich quasi unters Männervolk zu mischen. Seitdem ist er in einem Verein aktiv und in der Männergruppe.

Die Gespräche dort ergeben sich meist von selbst. An diesem Abend geht es um Integration und die unterschiedlichen Qualitäten der Geschlechter. Zwei Stunden seien aber auch schnell mit politischen Themen gefüllt, heißt es. "Grundsätzlich gilt: Zuhören ist ein wichtiger Punk, Diskretion eine eiserne Regel. Tabus gibt es keine", fasst Kassühlke zusammen.