Ingolstadt
Realschüler aus Überzeugung

Viele Eltern schicken ihre Kinder nicht auf ein Gymnasium, obwohl diese die Noten dafür haben – "Da sind sogar Schüler mit 1,33 dabei"

21.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:16 Uhr

Ingolstadt (sic) Wo sind sie hin, die künftigen Fünftklässler? Jene, die im September nicht auf ein Gymnasium übertreten? Die Frage stellt sich umso mehr, seit die aktuellen Anmeldezahlen für die Gymnasien und Realschulen vorliegen. Vier der sechs Ingolstädter Gymnasien (Gaimersheim zählt auch dazu) melden ein zum Teil deutliches Minus.

Nur zwei legen zu. Das war schon mal anders. Wo gehen die Kinder hin? „Ein guter Teil sicher zu uns“, sagt Silvia Retzer, die Leiterin der Fronhofer-Realschule. Das zeigen ihre neuen Zahlen: 142 Schüler wurden direkt für die Jahrgangsstufe fünf angemeldet. Das bedeutet, sie haben im Übertrittszeugnis mindestens die Durchschnittsnote 2,66. 19 Grundschüler, die diese Grenze knapp verfehlt haben, müssen den derzeit laufenden Probeunterricht bestehen, um an der Realschule aufgenommen zu werden. 15 Fünftklässler aus Mittelschulen sind vorgemerkt, nächstes Jahr in die Fünfte der Fronhofer einzutreten, wenn es die Noten des Jahreszeugnisses hergeben. Die Größenordnung dieser Zahlen sei mit der des Vorjahrs vergleichbar, sagt die Rektorin. Es wird wieder sechs fünfte Klassen geben.

Ein Wert fällt besonders auf: 78 der 142 angemeldeten Schüler haben im Übertrittszeugnis mindestens die Note 2,33 – das bedeutet, sie könnten auch aufs Gymnasium gehen. Tun sie aber nicht. „Da sind sogar Schüler mit 1,33 dabei und viele mit 2,0“, berichtet Silvia Retzer. Sie erklärt diesen Trend vor allem mit dem „sehr guten Ausbildungsangebot“ an den Realschulen. „Viele Eltern erkennen, dass wir Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, die gut sind für ihr Kind. Deshalb sagen sie: Wir gehen jetzt diesen Weg!“ Die eingeschränkten Freizeitmöglichkeiten der Gymnasiasten – Stichwort viel Nachmittagsunterricht – spielten bei der Entscheidung gegen das G 8 sicher ebenfalls eine Rolle. Zudem sei die Realschule „auch für Spätzünder sehr geeignet“.

Es hat natürlich immer schon an den Realschulen Schüler mit Eignung für das Gymnasium gegeben, schließlich ist der Unterschied zwischen den Übertrittsnotengrenzen 2,33 (Gymnasium) und 2,66 (Realschule) nicht groß. Die Zahl der Realschüler mit Noten für das Gymnasium scheint zu steigen, dafür spricht der große Zulauf an die Fachoberschule (FOS). Viele Schüler umgehen das G 8 über die Realschule, um anschließend an der FOS 13 (mit einer zweiten Fremdsprache) die Allgemeine oder Fachgebundene Hochschulreife zu erwerben.

Auch in der Gnadenthal-Realschule ist die Zahl der Schülerinnen, die auf ein Gymnasium übertreten könnten, hoch. Etwa die Hälfte habe die Noten dafür, berichtet Dieter Frey, der stellvertretende Schulleiter. Er erklärt den Reiz der Realschule so: „Das kann auch mit den Erfahrungen aus den Gymnasien zu tun haben, die durch die Medien gehen. Vielleicht wollen einige Eltern dem aus dem Weg gehen.“ Frey betont aber: „Wir Realschulen treten nicht gegen die Gymnasien an! Wir sind keine Konkurrenz. Wir stellen vielmehr unsere eigenen Stärken in den Vordergrund, also unser Kerngeschäft. Wir wollen die Eltern davon überzeugen, dass der Bildungsweg an der Realschule auch ein sehr guter ist.“ Die Zahl der Anmeldungen ist im Gnadenthal etwas zurückgegangen: auf rund 80 Fünftklässlerinnen. Zehn bis zwölf Mädchen müssen noch in den Probeunterricht. Das ergibt Frey zufolge drei Anfangsklassen, in den Vorjahren waren es meistens vier. „Das hat sicher auch demografische Gründe“, sagt er.

Die Tilly-Realschule expandiert. Seit ihrer Gründung 2010 hat sie pro Jahr immer nur 25 Fünftklässler aufgenommen; als Privatschule darf sie das. Doch im nächsten Schuljahr wird es erstmals zwei Fünfte geben, mit insgesamt etwa 46 Kindern, berichtet Schulleiter Elmar Tittes. Auch von ihnen seien sehr viele für das Gymnasium geeignet, bestätigt der Direktor. Umso mehr freut es ihn und sein Kollegium, dass sich die Eltern und ihre Kinder für die Tilly-Realschule entschieden haben.