Ingolstadt
"Raus aus dem Krisenmodus"

Manfred Weber über größere Rettungsschirme und Seehofers Schuldenversprechen

29.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:53 Uhr

Ingolstadt (DK) Manfred Weber ist stellvertretender Fraktionschef der Konservativen im EU-Parlament und leitet die CSU-Zukunftskommission. Er wohnt in Wildenberg im Landkreis Kelheim. Vor dem heutigen EU-Gipfel in Brüssel und dem CSU-Europakongress in München plädiert er für Schuldenbremsen in Europa – schließt aber auch größere Rettungsschirme nicht aus.

Mit Weber sprach unser Redakteur Til Huber.

 

Herr Weber, vor dem heutigen EU-Gipfel steht die Kanzlerin unter Druck, mehr Geld für den Euro-Rettungsschirm ESM zu geben. Gelten die roten Linien Deutschlands bald nicht mehr?

Manfred Weber: Die Kanzlerin verfolgt zwei Grundlinien. Erstens: Wir müssen als Deutsche Solidarität zeigen und denen, die Schwierigkeiten haben, helfen. Wir sind als Exportnation davon abhängig, dass es um uns herum keine allzu großen Turbulenzen gibt. Zweitens: Geld darf es nur geben, wenn man sich selbst anstrengt. Da ist die deutsche Schuldenbremse, die im europäischen Fiskalpakt festgeschrieben werden soll, ein Modell für ganz Europa.

Aber auch Horst Seehofer hat dicke rote Linien gezogen. Keine Aufstockung der Rettungsschirme, hieß es. Ist die CSU am Ende doch wieder dabei, wenn nach „höheren Brandmauern“ gerufen wird?

Weber: Jeder muss sich als Erstes selbst bemühen, seine Schulden in den Griff zu bekommen. Wenn dann aber mehr Stabilität im Euro-System nötig ist, dann muss Deutschland immer wieder neu abwägen. Entscheidend ist es, diese Reihenfolge einzuhalten.

Heißt das, auch die CSU schließt die Ausweitung des ESM nicht aus?

Weber: Die Belastungsfähigkeit Deutschlands ist noch nicht überschritten. Aber sie ist auch für unser Land nicht unendlich. Wir lösen die Probleme nur, wenn die Staaten ihre Haushalte sanieren und wenn wir Wachstum in Europa haben.

Beide Ziele stehen im Widerspruch zueinander. Wer sparen muss, kann nicht gleichzeitig Geld ausgeben und die Konjunktur ankurbeln.

Weber: Auf Pump finanziertes Wachstum ist keine Lösung. In den Krisenländern Europas sind es vor allem Gesetze und Regulierung, die Innovation und Wachstum verhindern. Die Deregulierung, die wir in den letzten Jahren vorgenommen haben und die Deutschland stark gemacht hat, steht den Südländern noch bevor.

Auch in Deutschland ist aber nicht alles rosig. Das Land hat Gesamtschulden von mehr als 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit würden wir heutzutage auch nicht mehr in die Euro-Zone kommen.

Weber: Das ist richtig. Deswegen warne ich davor zu denken, die heutigen Beschlüsse gingen nur andere Staaten an. Die Beschlüsse werden auch in der deutschen Innenpolitik Wirkung haben. Auch wir müssen Pläne vorlegen, um unseren Schuldenberg abzutragen.

Was erwarten Sie konkret?

Weber: Wir dürfen als Politiker, auch als CSU, im nächsten Bundestagswahlkampf nicht mehr mit dem Füllhorn durchs Land laufen. Wir brauchen ein selbst auferlegtes Tabu für unnötige neue Ausgabenprogramme.

CSU-Chef Horst Seehofer hat die völlige Entschuldung Bayerns bis 2030 in Aussicht gestellt. Ist das auch ein Modell für Deutschland?

Weber: Das ist auch ein Modell für Deutschland. Die Vision, die Horst Seehofer aufbaut, ist absolut richtig. Schulden sind das Gift für die Zukunft.

Die CSU trifft sich heute zum Europakongress. Wem wird die Partei wohl mehr applaudieren, dem Europapolitiker Manfred Weber oder dem Euro-Skeptiker Peter Gauweiler?

Weber: Die CSU hat den Weg der Solidarität, aber auch der Eigenverantwortung immer mitgetragen. Wir ringen, kämpfen und streiten um den richtigen Weg. Aber am Ende ist die CSU eine proeuropäische Kraft, die Europa mitgestalten will.

Welches Signal soll vom Europakongress ausgehen?

Weber: In der CSU eint uns viel mehr, als uns trennt. Wir treten für ein Europa ein, das die Kraft hat, Grenzen zu definieren. Die Türkei ist ein enger Partner, aber sie gehört nicht in die EU. Wir wollen ein föderales Europa und eines, das sich zum christlichen Erbe bekennt. Und wir sollten wieder herauskommen aus dem reinen Krisenmodus. Europa hat ein einzigartiges Lebensmodell. Es garantiert Frieden und Freiheit. Auch darüber müssen wir wieder stärker reden.