Ingolstadt
Peter Gietl und die "Konfusion der Grünen"

18.08.2010 | Stand 03.12.2020, 3:46 Uhr

Ritter mit Lanze und Schild: Ganz so martialisch hat es FW-Fraktionschef Peter Gietl wohl nicht gemeint, als er sich in der Theresienstraße verkehrsgerecht aufstellte. Aber immerhin haben die Freien Wähler energisch gegen die Parkplätze gekämpft. - Fotos: Rössle

Ingolstadt (DK) Zwischen ihrem selbst erklärten Kampf gegen die Gutsherrenart der CSU und einer möglichen Kungelei mit dem Koalitionspartner bei der Vergabe von Führungsposten müssen die Freien Wähler einen glaubwürdigen Mittelweg finden. Wie das gehen soll, erklärt Fraktionschef Peter Gietl beim Sommerinterview mit DK-Redakteur Reimund Herbst – in Sichtweite der Parkplätze in der Theresienstraße. Ein weiteres Sommerinterview mit Achim Werner (SPD) folgt.

Herr Gietl, der Zitatenschatz der Freien Wähler aus den vergangenen Jahren gibt einiges her. Beispiel eins vom ehemaligen Stadtratskandidaten Franz Schabmüller vor der Kommunalwahl 2008: "Nur ein Stadtrat ohne absolute CSU-Mehrheit kann diese Politik nach Gutsherrenart noch stoppen!" Ist die Politik nach Gutsherrenart zwei Jahre später gestoppt?
 

Peter Gietl: Ja, einfach schon deswegen, weil die CSU eben jetzt keine absolute Mehrheit mehr hat und von daher zwangsläufig darauf angewiesen ist, auch andere Mehrheiten zu suchen – innerhalb oder auch außerhalb der Koalition, wie wir es ja auch schon festgestellt haben. Von daher ist in der Tat die CSU nicht mehr die allein unternehmende Macht im Stadtrat.

Damit ist Ihr Wahlkampfziel von 2008 also erreicht.

Gietl: Es ist kein Ziel per se, dass wir jetzt davon ausgehen: Wenn die absolute Mehrheit gebrochen ist, ist alles gut, und vorher war alles schlecht, das ist natürlich Unsinn. Tatsache ist, dass wir die Möglichkeit haben, Dinge mit zu bewegen, auch mit zu beeinflussen, bei Entscheidungen eine gewichtige Stimme mit einzubringen und zu korrigieren. Das war das Ziel. Die absolute Mehrheit sollte gebrochen werden, um für uns andere politische Möglichkeiten zu schaffen.

Das zweite Zitat stammt von Ihrem Kollegen Wolfgang Scheuer, jetzt Sozialreferent, vor zwei Jahren Moritatensänger beim politischen Aschermittwoch. Es ging um das Villengrundstück im Luitpoldpark. "Das Geschenk vom Prinzregenten verkauft, ja fast verschenkt, das riecht nach Spezlwirtschaft, wenn man’s genau bedenkt." Als auf dem Nachbargrundstück der Röss-Villa im Glacis gebaut werden sollte, hatten die Freien Wähler aber keine Bedenken.

Gietl: Das sehe ich nicht so. In der Friedhofstraße war es so, dass Privateigentum vorhanden war. Da bestand Baurecht. Alles was entgegen gestanden hätte, hätte zu rechtlichen Konsequenzen in Form von Schadensersatz geführt. Bei der Röss-Villa ist ja das letzte Wort noch gar nicht gesprochen. Da laufen bekanntlich Verkaufsverhandlungen. Man muss sehen, was daraus wird. Wir müssen immer davon ausgehen: Wo hat eine politische Macht die Chance, etwas zu gestalten oder zu verhindern, und wo hat sie das nicht. Ich differenziere hier ganz bewusst das Glacis. Beim Glacis war das natürlich ein bisschen anders. Hier ist in der Tat durch eine Bürgerinitiative ein gewisses Einlenken erfolgt, dass man gesagt hat, wir müssen jetzt saubere Verhältnisse schaffen. Deswegen auch der neue Bebauungsplan, der die Dinge aufdröselt mit einem entsprechenden Plan, dass man wirklich weiß, worüber man redet. Ich räume gern ein, dass die Initiative, die von den Bürgern ausging, hier etwas bewegt hat. Ich finde das ein positives Beispiel. Er wäre politisch völlig falsch zu sagen, da bin ich nicht bereit umzudenken.

Was hat sich inzwischen bei der Röss-Villa getan?

Gietl: Ich weiß nur, dass die Verkaufsverhandlungen laufen. Hier gibt es unterschiedliche Vorstellungen, das ist ja bei Verkäufen nichts Unübliches. Was genau daraus wird, weiß ich nicht. Ich gehe davon aus, dass nach wie vor die Chance auf eine Einigung besteht. Das wäre auch sehr wünschenswert, weil ja auch die Überlegung damit verbunden ist, Teile des Geländes dem Glacis zurück zu geben.

Drittes und letztes Zitat. Es stammt aus einer der umstrittenen Meinungsumfragen der bayerischen Staatsregierung und besagt, dass die Freien Wähler "zumindest einen Teil der bürgerlichen Protestwähler verloren zu haben" scheinen. Wie groß ist in Ingolstadt noch das Reservoir Ihrer bürgerlichen Protestwähler?

Gietl: Die Freien Wähler haben in den vergangenen 25, 30 Jahren gezeigt, dass sie einen ganz hervorragenden Stand haben, dass die Leute die Freien Wähler als politische Kraft wahrgenommen haben. Ich fühle mich durch diese Aussagen überhaupt nicht betroffen. Das ist eine auf Bayern bezogene Aussage. In Ingolstadt haben wir völlig andere Verhältnisse. Allein wenn Sie die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat anschauen, ist das ein beredtes Zeugnis dafür, dass die Freien Wähler eine gute politische Heimat haben.

Die Parkplätze in der Theresienstraße sind einer der seltenen Fälle, in denen die Freien Wähler eine klare Gegenposition zur CSU bezogen haben. Ist das Thema für Sie nach der Abstimmungsniederlage erledigt? Oder werden Sie einen neuen Vorstoß unternehmen? So richtig glücklich über die derzeitige Situation kann ja niemand sein.

Gietl: Gegenwärtig ist das Thema für uns erledigt, ganz klar, eine politische Mehrheit hat entschieden. Dem muss man sich auch stellen, auch wenn das im Wesentlichen auf die Konfusion der Grünen zurückzuführen ist, die ja sowohl bei Abstimmungen als auch in Redebeiträgen in letzter Zeit häufiger vorkommt.

Fraktionschefin Petra Kleine hat übrigens nachher gesagt, dass die Grünen vielleicht ganz anders abgestimmt hätten, wenn die Freien Wähler sie nur rechtzeitig über ihre Absichten informiert hätten.

Gietl: Ich denke, man muss in der Lage sein, auch in einer Stadtratssitzung schnell zu reagieren und eine vernünftige Lösung zu finden. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, was die Grünen hier entschieden haben. Erstens schon von ihrem Inhalt her, von ihrem Impetus her, aber auch, wenn ich den Redebeitrag der Frau Kleine anschaue, die gesagt hat, sie kann dem, was die Vorredner gesagt haben, einiges abgewinnen. Vorredner waren Herr Genosko und ich. Ob die Freien Wähler häufiger Gegenposition zur CSU beziehen, hängt vom Thema ab. Wir werden uns mit Sicherheit nicht darauf beschränken, der CSU Mehrheiten zu beschaffen. Wenn wir anderer Auffassung sind, werden wir das auch deutlich machen. Und es liegt in der Natur der Sache: Je näher ein Wahltermin rückt, desto mehr werden die Eigenständigkeiten deutlich werden. Von daher kann ich das für die Zukunft nicht ausschließen. Nicht dass wir das aus politischen Gründen machen, sondern dort, wo es sachlich aus unserer Sicht begründet ist. Dort werden wir die eigene Meinung noch mehr deutlich machen als bisher und dann auch anders entscheiden.

CSU-Bürgermeister Albert Wittmann hat erst vor wenigen Tagen die Notbremse gezogen und auf die Proteste in der Hagauer Straße reagiert. Der Lkw-Verkehr soll weiter draußen bleiben, selbst wenn die Stadt die Zuschüsse verliert. Ist das in Ihrem Sinn?

Gietl: Das ist absolut in unserem Sinn, einfach deswegen, weil wir der Auffassung sind, dass die Sicherheit der Radfahrer und überhaupt der Verkehrsteilnehmer natürlich absolute Priorität hat. Und wenn es aufgrund von nicht nachvollziehbaren Gegebenheiten nicht anders geht, dann muss man auch auf Zuschüsse verzichten. Ganz klar, wir werden das unterstützen.

Sie haben den nächsten Wahltermin erwähnt. Die CSU besetzt traditionell zur Halbzeit der Kommunalwahlperiode alle Fraktionsposten neu, vom Vorsitzenden bis zum letzten kleinen Ausschusssprecher. Was haben die Freien Wähler 2011 vor?

Gietl: Das ist mein ausdrücklicher Wunsch, dass wir jetzt zur Halbzeit neu überlegen. Da werden auch die Positionen neu geregelt werden. Das habe ich schon gesagt, und es bleibt auch dabei.

Sind konkret schon Änderungen absehbar?

Gietl: Wir haben uns zeitlich nicht so festgelegt, dass wir schon bestimmen, wie es weitergeht. Bei uns gibt es ja zwangsläufig Änderungen in der Besetzung, das ist ja auch bekannt. Deswegen werden wir uns dem Thema vorher auch nicht nähern. Aber dann soll die Weichenstellung erfolgen.

Sie meinen wahrscheinlich den Rückzug von Carina Liepold aus dem Stadtrat. Ist das inzwischen schon entschieden, ob und wann die Stadträtin aufhört?

Gietl: Das ist noch nicht entschieden. Aber ich gehe davon aus, dass das in absehbarer Zeit ansteht. Das heißt in den nächsten Monaten.