Ingolstadt
Pailletten und Neonstreifen

Die Roncalli-Artistin Alexandra Saabel entwirft und schneidert ihre Kostüme selbst

23.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:31 Uhr

Für jeden Artisten das passende Gewand: Im Kostümcontainer hinter dem Manegeneingang hängen die Hosen der Clowns, die Jacken der Musiker und die Röckchen der Ballerinas. Gleich daneben steht die Nähmaschine von Alexandra Saabel, mit der sie Risse ausbessert und neue Kleider fertigt. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Im Circus Roncalli steht Alexandra Saabel minutenlang auf den Händen in der Manege, formt mit ihren Beinen immer neue Figuren. Wenn die Zuschauer dabei ihr raffiniertes Trikot bewundern, wissen sie oft nicht: Jeden der Neonstreifen hat die Artistin selbst kreiert.

In einem schlichten Container hinter dem Zirkuszelt reihen sich an einer langen Stange Kostüme: Uniformen mit goldenen Troddeln, perlenbesetzte Pelzmäntel und mit filigranen Ornamenten verzierte Trikots. „Mehr als die Hälfte davon habe ich gemacht“, sagt Alexandra Saabel stolz und deutet auf die Kostüme. Die Artistin ist in der Roncalli-Show „Salto Vitale“ nicht nur in vier verschiedenen Nummern in der Manege zu sehen – nebenher kreiert und schneidert sie Zirkuskostüme.

Vor Alexandra steht eine Nähmaschine, in einem Kasten funkeln Pailletten und Steinchen in verschiedenen Größen. Daneben ein dicker Ordner: Hier sammelt die 26-Jährige ihre Entwürfe, festgehalten in feinen Bleistiftstrichen. Für jede Nummer gibt es gleich zwei oder drei Garnituren in verschiedenen Farben und Mustern. „Es gefällt mir nicht, zweimal das Gleiche zu machen“, sagt Alexandra. „Andere gehen ja auch nicht jeden Tag mit dem gleichen Kleid zur Arbeit.“

Die Deutschitalienerin ist ein echtes Zirkuskind: Aufgewachsen ist sie in Varietés, Manegen und auf Theaterbühnen in ganz Europa. Die Familie reist bis heute gemeinsam. Die Eltern Bernhard Saabel und Tiziana Vulcanelly dressieren Hunde und Pferde, Alexandra und ihre 18-jährige Schwester Kelly verbiegen sich bei einer Handstandnummer, und die Jüngste, Jenny, trainiert mit ihren zwölf Jahren fleißig.

Alexandra stand mit 14 zum ersten Mal in der Manege. „Andere Teenager wollten neue Jeans, ich wollte Swarovskys“, erinnert sie sich lächelnd. Mit 16 begann sie, erste Kleidchen zu nähen – wie auch schon ihre Mutter und ihre Großmutter. Einmal habe sie sich ein Schnittmuster von Burda gekauft, erzählt die Artistin: „Da war ich überfordert, das hab ich wieder eingepackt.“ Stattdessen näht sie nach Augenmaß. Ein paar Wochen braucht sie, um eines der aufwendigeren Stücke fertigzustellen.

Das Wichtigste: Die Kostüme müssen extrem dehnbar und reißfest sein. Ihre Mutter hat einmal oben an der Zeltdecke ihr komplettes Oberteil verloren – konnte das Seil, an dem sie hing, aber in dem Moment nicht loslassen. Sie musste die Nummer „oben ohne“ zu Ende turnen. Alexandra lacht laut los, wenn sie daran denkt.

Sie selbst ist von solchen Pannen bislang verschont geblieben. Aus Budapest und Paris lässt die Schneiderin sich besonders stabile Stoffe schicken, anderes Zubehör kommt aus den USA, Taiwan und Thailand. Für ihre Handstandnummer hat Alexandra hautfarbene Trikots mit bunten Streifen bemalt, die im Dunkeln leuchten. Für den Auftritt des Zauberers hat sie Kostüme unter dem Motto „Zeitreise“ entworfen: Auf einem Kleid prangt in schmalen Pinselstrichen eine antike Uhr, auf ein anderes sind winzige, goldene Zahnräder aufgestickt.

Auch Alexandra ist bei dieser Nummer dabei – der Magier Jimmy Saylon ist ihr Freund. Nach sieben Jahren Fernbeziehung haben es die beiden in dieser Saison geschafft, in der gleichen Show zu landen und können nun endlich zusammenziehen: Der Wohnwagen für die beiden soll in ein paar Wochen kommen, wie die Artistin strahlend erzählt. Das Zirkusleben irgendwann hinter sich zu lassen, kommt für sie nicht infrage. „Ich will die ganze Welt sehen, nicht nur im Urlaub“, sagt sie voller Überzeugung. Ihr Luxus: „Wenn ich mein Fenster aufmache, sehe ich manchmal einen Wald, ein anderes Mal den Eiffelturm.“

Noch bis Sonntag blickt sie allerdings auf den Ingolstädter Festplatz. Die letzten Vorstellungen sind Mittwoch bis Samstag um 19.30 Uhr, am Mittwoch und Samstag auch um 15.30 Uhr und am Sonntag um 14 und 18 Uhr.