Ingolstadt
Nur Chinesisch ist nicht drin

Zum Tag der Muttersprache heute: Ein Besuch in einer internationalen Apotheke

20.02.2014 | Stand 02.12.2020, 23:03 Uhr

Deutsch und Englisch können viele – Apotheker Anton Brandl (hinter der Theke, von links) beherrscht dazu noch Französisch, Yeter Yildiz spricht auch Türkisch und Ghassan Jobran beherrscht Arabisch, Hebräisch und Rumänisch. - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Wer krank ist, ist oft auf Beratung angewiesen. Für viele Ingolstädter mit Migrationshintergrund ist das ein Problem: Nicht immer verstehen sie, was für Medikamente sie wofür einnehmen sollen. Gut, wenn sie in ihrer Muttersprache beraten werden können – so wie bei Anton Brandl.

„Ärzte sprechen viel und schnell. Und dann kommen die Leute zu uns und fragen: ,Was hat der gemeint’“, sagt Anton Brandl, der die Obere Apotheke betreibt. Englisch, Französisch, Türkisch, Französisch, Rumänisch, Italienisch, Russisch, Arabisch, Hebräisch und natürlich auch Boarisch – in diesen Sprachen kann man mit seinen Mitarbeitern reden. Es gebe Kunden, überwiegend Touristen, denen man erst einmal das deutsche Gesundheitssystem erklären müsse, beispielsweise, warum sie nicht einfach einen Liter Koffein bekommen können, erklärt der Apotheker. Dann gehe es darum, die Einnahmehinweise in der richtigen Sprache zu bekommen. „Vor zehn, 15 Jahren war das schwieriger“, sagt Brandl. „Da war der Beipackzettel nur auf Deutsch, zack fertig. Heute ist es bei all den Sprachen eher schwierig, den deutschen Text zu finden.“

Was für eine Chance die heterogene Zusammensetzung seines insgesamt über 20-köpfigen Personals bedeutet, war Anton Brandl lange Zeit auch nicht klar. „Ich habe nicht konkret danach gesucht“, sagt er. „Die waren zum Teil einfach besser qualifiziert – in Mathe, aber auch in puncto Deutschkenntnisse.“ Erst Peter Winkler, der vor rund zwei Jahren unter anderem für das Controlling eingestellt wurde, fiel das auf: „Ich war erstaunt, wie international wir sind“, sagt er. Und so entschieden sie sich, die spezielle Beratung auch zu bewerben. „Seitdem kommen noch mehr“, sagt Anton Brandl.

Oft verlangen die Kunden auch explizit nach den Mitarbeitern, zum Beispiel nach Yeter Yildiz, deren Vorfahren aus der Türkei stammen, oder Natalia Miller, die russische Wurzeln hat. Beide wurden als Auszubildende eingestellt und arbeiten inzwischen als pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte. „Die Kunden wollen dann einfach von uns bedient werden, selbst wenn sie Deutsch können“, sagt Yeter Yildiz.

Wegen Ghassan Jobran kommen auch viele Araber in die Apotheke. Jobran arbeitet als einer von vier Apothekern, er stammt aus Palästina und hat in Rumänien Pharmazie studiert, jetzt lebt er mit Frau und zwei Kindern in Ingolstadt. Zu ihm kommen Menschen mit Migrationshintergrund, die in der Stadt leben, ebenso wie iranische Piloten, die ihre Maschinen auf dem Flughafen in Manching warten lassen. Einmal kam ein iranischer Audi-Ingenieur zu ihm, der ein Rezept für den schwer kranken Sohn seines Bruders, der zu Besuch war, dabei hatte – der Neffe brauchte dringend Wachstumshormone. Der Apotheker recherchierte zu den Zollbestimmungen ebenso wie zur Kühlung – das Medikament musste einen längeren Flug in den Iran überstehen. Die Behandlung des Kindes war erfolgreich, die Familie bedankte sich und schickte viele Fotos. „Wir haben sehr viele solcher Fälle“, sagt Ghassan Jobran, der auch Rumänisch, Englisch und Hebräisch spricht. Seit fast fünf Jahren arbeitet er in der Apotheke, seitdem sind auch viele Palästinenser, Syrer, Israelis oder auch Rumänen, die in Ingolstadt leben, zu ihm gekommen. „Die Rumänen sprechen sonst nur Deutsch – und freuen sich, mal wieder Rumänisch zu sprechen.“ Eben in ihrer Muttersprache.

Anton Brandl und seine Kollegen bedienen auch häufiger chinesische Touristen, erzählt der Apotheker. Sie müssen sich allerdings auf Englisch behelfen. „Chinesisch – damit können wir nicht dienen“, sagt Brandl lachend.