Ingolstadt
Noch nicht gefährlich genug

Landgericht lehnt dauerhafte Unterbringung des mit einer Pistole abgefangenen Rentners ab

17.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr

Ingolstadt (DK) Die dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gehört zu den schwersten Eingriffen, die das Strafgesetz dem Staat gegenüber seinen Bürgern unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Denn eine zeitliche Begrenzung der Maßnahme gibt es nicht, da die Ärzte das Sagen über den kranken Delinquenten übernehmen.

Gerade so an einer Einweisung ist ein 70-Jähriger aus Ingolstadt nun vorbeigeschrammt. Die 5. Strafkammer des Landgerichts verurteilte ihn gestern zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und lehnte den vorliegenden Unterbringungsantrag ab.

Wie bereits berichtet, handelt es sich bei dem Rentner um den Mann, der Ende Januar mit einer scharfen und schussbereiten Pistole im Hosenbund von der Polizei vor einer Pension im Nordwesten der Stadt abgefangen wurde. Offenbar war er auf der Suche nach dem von ihm nicht erwünschten Liebhaber seiner Tochter gewesen. Angeblich hatte der Familienvater (mit mazedonischem Pass und albanischen Wurzeln) die frühere jugoslawische Militärwaffe zum Selbstschutz dabei, wie er sagte. Anhaltspunkte, dass es anderes gewesen sein könnte (zum Beispiel ein Angriff geplant war), ergaben sich in dem Prozess nicht. So blieb für die Strafkammer mit dem Vorsitzenden Richter Thomas Denz an der Spitze eine Verurteilung wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens und Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe übrig.

Anders als von Staatsanwalt Fabian Lettenbauer beantragt (Er forderte zwei Jahre und drei Monate Haft), beließ es das Gericht bei zwei Jahren Gefängnis, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden konnten - und auch wurden. Dabei ist der Angeklagte einschlägig vorbestraft: Bereits 2005 hatte man bei ihm zwei Schusswaffen daheim entdeckt, die in einer Nähmaschine versteckt waren.

Die große Frage des Falles war aber natürlich die drohende Einweisung, die von Staatsanwalt Lettenbauer letztlich beantragt wurde. Der Ankläger berief sich auf das Gutachten der vom Gericht bestellten Sachverständigen aus dem Isar-Amper-Klinikum in Haar. Die Psychiaterin und Oberärztin Susanne Pechler bejahte auch auf intensive Nachfrage der Prozessbeteiligten die Unterbringung. Bei Untersuchungen des bereits vorläufig in Haar untergebrachten Angeklagten war eine besondere Form der beginnenden Demenz festgestellt worden. Für die Sachverständige stand bei der Gefährlichkeitsprognose auch fest, dass der Rentner im "schlimmsten Fall" wieder genauso handeln würde, dieses Mal aber jemand zu Tode kommen könnte. "Der Liebhaber ist ja nicht aus der Welt", sagte Pechler.

Die Beziehungen in der albanischstämmigen Familie sind fürwahr kompliziert. Die Tochter hält wohl nach wie vor an ihrem Freund fest, durch den es schon zu heftigen Übergriffen auf sie gekommen sein soll. Dass der angeklagte Vater da mit einer Waffe oder einem Messer bei Aussprachen auftaucht, hielt Verteidigerin Julia Weinmann (München) "mit Blick auf den Kulturkreis" sogar "für eher normal". Sie geißelte das Sachverständigengutachten scharf ("Eines der schlechtesten in meinen 15 Jahren") und beantragte, die Einweisung abzulehnen.

Die Strafkammer kam nach der Beweisaufnahme tatsächlich nicht zu der nötigen Überzeugung von der allgemeinen Gefährlichkeit des Angeklagten, um diesen dauerhaft in die Psychiatrie zu schicken. Das Gericht legte aber ein großes Auflagenpaket im Bewährungsbeschluss fest. So muss sich der Rentner innerhalb eines halben Jahres bei auf seine Demenz spezialisierten Ärzten im Klinikum Rechts der Isar in München untersuchen (und gegebenenfalls weiterbehandeln) lassen. Außerdem wurde unter anderem auch ein Kontaktverbot zu dem Liebhaber verhängt, dem er sich nur bis aus 100 Meter nähern darf.

Die Staatsanwaltschaft hat bereits Revision gegen das Urteil eingelegt.