Ingolstadt
Napoleon zum Anfassen

Durch die Bayerische Landesausstellung gibt es auch eine Führung für Sehbehinderte

31.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:51 Uhr

Erleben durch Erfühlen: Während einer speziellen Führung für blinde Menschen konnten die sehbehinderten Besucher in der Landesausstellung extra zur Verfügung gestellte Exponate wie diese Trommel anfassen. - Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) Die Bitte wird wohl eher selten an Besucher der Landesausstellung „Napoleon und Bayern“ herangetragen: „Beschreiben Sie in wenigen Sätzen die Stimmung auf dem Bild“, ermuntert Claudia Böhme einige der rund ein dutzend Teilnehmer, die am Sonntagnachmittag eine Führung der etwas anderen Art durchs Armee- museum im Neuen Schloss besuchen.

Böhme steht mit ihrer Gruppe vor dem Gemälde, das 1805 den Einzug Napoleons in München zeigt. Die freundliche Aufforderung gilt ausschließlich den sehenden Gästen. Jene also, die an diesem Tag sehbehinderte und erblindete Menschen begleiten. Ihnen ist der Rundgang durch die Schau auch gewidmet. Damit sie einen Eindruck von dem Bild bekommen, sollen ihre Begleiter – meist sind es die Eltern, Partner oder Geschwister – erzählen, was sie sehen. Die ersten Wortmeldungen kommen noch zaghaft: „Ein Fest“, sagt jemand. Ein „Feiern“ und „Jubeln“ erkennen andere Betrachter. „Das Oktoberfest“, meint ein Mann im Scherz.

„Die Leute freuen sich“, bestätigt Böhme. Auch wenn die in Öl festgehaltene Szene nicht ganz den historischen Fakten entspricht, wie sie anschließend erläutert: Demnach sei der französische Feldherr nicht wie dargestellt tagsüber auf einem weißen Pferd in die bayerische Stadt eingeritten, sondern abends mit der Kutsche gekommen. Für ein Pathos verbreitendes Gemälde war das jedoch weniger geeignet.

Es ist die zweite Führung für erblindete Menschen, die während der Landesausstellung stattfindet. „Die Teilnehmer kommen aus ganz Bayern“, sagt Mitkuratorin Uta Lerche. Zusätzlich zu dem Raum, in dem auch sehende Besucher Exponate wie einen schweren Militärmantel, mehrere Säbel oder einen Tornister in die Hand nehmen und anprobieren können, hat das Museum für die blinden Besucher weitere ausgewählte historische Stücke, darunter einen Brustpanzer, eine Trommel und eine Pistole zum Anfassen in einem separaten Raum bereitgestellt. Das Angebot kommt an. Auch bei Roland Stärk aus Vohburg, der mit seiner Schwester hier ist. Der 54-jährige Betriebswirt, der an einer erbbedingten Erblindung leidet, hat solche Führungen schon öfter mitgemacht. „In München im Deutschen Museum zum Beispiel“, sagt er. In Ingolstadt sei der Ausflug ins Armeemuseum einer seiner ersten für sehbehinderte Menschen. Sein Interessensspektrum ist dabei fast unerschöpflich: „Egal ob Natur, Bergwandern oder Tandemfahren mit der Frau“, berichtet er über seine Freizeitaktivitäten.

Einen bleibenden Eindruck hinterlässt bei den blinden Besuchern auch ein mächtiger Militärmantel: „Brutal, sehr schwer. Und wenn der auch noch nass ist“, staunt eine weibliche Teilnehmerin, als sie die Uniform in den Händen wiegt. In der Tat erscheint der Mantel schwerer als nötig, wie auch Böhme bestätigt. „Sie waren groß und fest vom Stoff, weil sie gleichzeitig als Zelt auf dem Schlachtfeld dienten“, erklärt sie.

Böhme, die aus Augsburg kommt und Geschichte studiert hat, ist selbst fast erblindet und hat sich mit den Führungen einen kleinen Traum erfüllt, den sie beruflich weiter ausbauen möchte. „Sehbehinderte bringen sich besser ein und fragen mehr nach, das finde ich angenehm“, sagt sie. Sie selbst hat etwa 3000 Seiten Material gelesen, um sich auf die Ausstellung vorzubereiten.

Die nächsten Führungen für Sehbehinderte sind am Sonntag, 20. und 27. September, sowie am Sonntag, 18. Oktober, jeweils um 15.30 Uhr.