Ingolstadt
Mehr Schönheit wagen

Die Dauerdebatte über die Optik des Rathausplatzes geht mit reger Beteiligung in die nächste Runde

21.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:13 Uhr
Große Runde unter dem Neuen Rathaus: Mehr als 100 Bürger diskutierten am Samstagvormittag mit OB Christian Lösel und vielen Mitarbeitern der Bauverwaltung über die Neugestaltung des Rathausplatzes −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Der Rathausplatz vermag nicht jeden zu verzücken, aber ziemlich viele Ingolstädter zu bewegen: Mehr als 100 Bürger folgten am Samstag der Einladung des Oberbürgermeisters, über die Möglichkeiten einer Umgestaltung zu diskutieren. Das taten die Teilnehmer auch sehr meinungsfreudig.

Die Liebe der Ingolstädter zum Neuen Rathaus verhält sich eher ambivalent, um es diplomatisch zu sagen, doch der 1960 eingeweihte Funktionsbau mit der markanten Lamellenfassade in Grau hat auch seine guten Seiten. Etwa, wenn man direkt darunter steht. Der Durchgang bot den Referenten und ihren Zuhörern ein Dach gegen den Regen. Da saßen oder standen sie also, Bürger, Politiker und Mitarbeiter der Bauverwaltung, in Gestaltungsbereitschaft vereint, und sinnierten über die ästhetische Zukunft jenes Platzes, der vor zehn Jahren schon mal groß umgebaut worden ist.

Daher widmete sich Oberbürgermeister Christian Lösel zunächst der kommunalpolitischen Vergangenheit. Er erinnerte daran, dass der Stadtrat den Beschluss zur Neugestaltung damals „einstimmig gefasst“ hat. „Am Anfang war jeder so weit glücklich“, sagte Lösel. Die Kritik habe erst später eingesetzt: Zu wenig Grün, der Brunnen zu klein, und mehr Sitzgelegenheiten wären auch schön – vor allem darum kreisen seither die Diskussionen.

Inspirierende Detailfragen schlossen sich an: Wie schön sind die grellbunten Kunststoffsessel mit der nur bedingt rückenfreundlichen Form wirklich? Wie viele neue Pflanzkübel sind nötig, um die Heimeligkeit des Platzes zu steigern? Soll er überhaupt heimelig sein? Oder ist das Ringen um mehr Schönheit eh schon völlig aussichtslos? Apropos: Und da ist ja auch noch das Neue Rathaus.

Fragen über Fragen. Und dazu eine sehr meinungsfreudige Teilnehmerschar. Deshalb war der OB streng um eine Struktur bemüht. „Wir gehen modular vor.“ Also Schritt für Schritt. „Die Bürger können den Prozess in vollkommener Transparenz begleiten.“ Das gelte auch für die Sanierung der Fußgängerzone.

Der mäßig beliebte Rathausplatz ist und bleibt das Epizentrum des Diskurses über urbanen Liebreiz (um einmal den in Stadtplanerkreisen populären Begriff der „Aufenthaltsqualität“ zu vermeiden). Lösel hat schon klare Vorstellungen, etwa zum Wasserspiel. Es ist sein Ziel, „diese Mulde zu einem größeren Flachbrunnen weiterzuentwickeln“. Von einem hoch aufragenden „Monumentalbrunnen“ rät er ab, denn der schränke bei Veranstaltungen die „Bespielbarkeit“ des Platzes stark ein. „Wir sehen das Problem ja am Paradeplatz“, erklärte der OB. Der Ludwigsbrunnen (der bis 1945 auf dem Rathausplatz stand) sei bei den Dulten dort eher ein Hindernis.

Die Urheber der Umgestaltung vor zehn Jahren waren die Architekten Auer und Weber. Sie hatten den Kollegen Oliver Fahr auf den Rathausplatz entsandt, um Veränderungsoptionen zu erläutern. So könnten zwei weitere Platanen den Abschluss des Platzes nach Süden verbessern. Die neue Touristeninformation in der einstigen Unteren Apotheke (noch im Bau) werde dem Leben auf dem Platz Impulse verleihen, merkte Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle an.

Auch eine erneute Veränderung der erst 2006 umgestalteten Rathausfassade schließt der Architekt nicht aus. Man könne „die Farbe des Granitpflasters aufnehmen und in die Fassade drei neue Töne einführen, die das Rathaus besser einbinden“; also mehr Grau, Gelb und Braun. Und die Lamellen wären durch gläserne zu ersetzen, sagte Fahr.

Mehr Wärme in der Fassade! Und mehr Grün davor! So lauteten die innigsten Wünsche aus den Reihen der Teilnehmer. „Ein schönes Muster im Pflaster“, und die „Steinwüste“ wäre endlich Geschichte, schlug eine Zuhörerin vor. Das Neue Rathaus sehe aus „wie ein Parkdeck“, sagte einer. Zumindest forderte keiner, es zu sprengen. Nein, es genüge ja schon, „die oberen drei Stockwerke abzureißen und dafür ein Giebeldach draufzusetzen“, regte eine Frau an. So bekomme der Rathausplatz seinen „alten Charme“ zurück; der pointierteste Vorschlag des Tages. Ein Teilnehmer bat darum, die Relevanz im Blick zu behalten. „Der Rathausplatz hat für mich Priorität drei. Denn wo die Ingolstädter wirklich der Schuh drückt, ist in Friedrichshofen, in Unsernherrn und auf der Glacisbrücke!“

Als sich die Beiträge nach und nach breit in allerlei Facetten auffächerten, stellte ein Ingolstädter die Grundsatzfrage: „Wir müssen uns zuerst darüber im Klaren sein, was wir wollen, was der Rathausplatz eigentlich sein soll. Ein Wohnzimmer oder eine Multifunktionsfläche“

Ein viel beachteter Einwand. „Das ist wirklich die entscheidende Frage“, sagte Michael Krüper, Chef der Innenstadtfreunde, nach der Veranstaltung. „Das müssen erst mal die Damen und Herren im Stadtrat klären, bevor wir uns mit den Bürgern zusammensetzen.“ Und wie sieht er es? „Für mich ist das immer noch das Wohnzimmer.“

Zumindest eines ist nach dieser Aussprache sicher: Die Debatten über den Rathausplatz werden so schnell nicht enden.