Ingolstadt
Marsch durch drei Epochen

Neue Ausstellung im Reduit Tilly zeigt Rolle der Gebirgsjäger zwischen 1915 und 1939

15.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:07 Uhr

Foto: Stefan Eberl

Ingolstadt (DK) Die deutsche Gebirgstruppe zwischen den Weltkriegen ist Thema einer neuen Sonderausstellung des Armeemuseums im Reduit Tilly. Unter dem Titel "Verheizt, vergöttert, verführt" wird Einblick in ein Stück Militärgeschichte gegeben, das wie kaum ein anderes vom politischen Wandel geprägt war.

Ende der Kaiserzeit (und des Königreichs Bayern), die wenigen Jahre der ungefestigten ersten deutschen Republik und der Sturz in die NS-Diktatur scheinen auf, wenn Besucher ab diesem Donnerstag (offizielle Eröffnung der Ausstellung mit geladenen Gästen ist am Mittwoch) die drei Sektionen der neuen Sonderschau durchschreiten. Das Bayerische Armeemuseum und die Stiftung Deutsche Gebirgstruppe haben erneut gemeinsam in ihren Fundus gegriffen und die Zusammenstellung ihrer Exponate mit Leihgaben anderer Museen, aber auch von privater Seite angereichert.

Es handelt sich um die zweite von insgesamt vier Ausstellungen, die sich mit der deutschen Gebirgstruppe befassen. Die erste behandelte die Zeit von der Gründung bis zu ersten Kriegseinsätzen in den Dolomiten, die jetzt beginnende zweite umfasst die Jahre 1915 bis 1939, und zwei geplante weitere werden sich (wohl erst ab 2020) mit den Jahren des Zweiten Weltkriegs und der heutigen Bedeutung der Gebirgsjäger in der Bundeswehr auseinandersetzen.

Die deutsche Geschichte hat schon viele bewegte Jahre erlebt - der von der neuen Ausstellung umrissene Zeitraum hat zweifelsfrei dazugehört. Beim deutschen Militär vollzog sich in gerade mal zwei Jahrzehnten der Wandel von einer geschlagenen Armee, die sich "im Feld unbesiegt" wähnte, zur durch den Versailler Vertrag in vielfacher Hinsicht limitierten Reichswehr und dann zur Wehrmacht, die sogleich eine kräftige Aufrüstung erfuhr und wenige Jahre nach ihrer Umbenennung in einen verbrecherischen Angriffskrieg verstrickt werden sollte.

Im Untergeschoss des Reduit Tilly (Nebeneingang über den Innenhof) spiegelt sich das jetzt nicht nur in vielen Exponaten zur Ausrüstung der Gebirgsjäger zwischen 1915 und 1939, sondern auch in der Erläuterung von Auszeichnungen und Symbolen und nicht zuletzt in der Dokumentation von Einzelschicksalen.

Gezeigt wird auch das Grauen, das die Weltkriegsjahre bis 1918 für viele Gebirgsjäger bereithielten: Hinter einer Trennwand, angekündigt von einem Hinweisschild, das empfindliche Gemüter vorwarnen soll, werden als Leihgabe der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München medizinische Asservate von Verwundungen und Verstümmelungen gezeigt, die der Fronteinsatz mit sich brachte: Das im Ausstellungstitel gebrauchte Attribut "verheizt" wird so regelrecht greifbar.

Dass hier "drei Epochen in einer Ausstellung" gezeigt werden, wie Kurator Thomas Müller, Historiker am Armeemuseum, betont, äußert sich beim Gang auf der Zeitachse in zwei klaren Brüchen, die durch verschränkte Trennwände symbolisiert werden: Auf der ersten Schleuse steht "Revolution", auf der zweiten "Aufbruch in den Untergang". So wird die in der Mitte beleuchtete Reichswehr der Weimarer Republik gegen die Armee der Kaiserzeit und die Wehrmacht abgegrenzt, zusätzlich verdeutlicht durch die jeweiligen Reichskriegsflaggen.

Obwohl die Armee der ersten Republik laut Versailler Vertrag überhaupt keine Gebirgstruppen unterhalten durfte, wurden durch sie doch bereits Strukturen gepflegt oder geschaffen, die das zügige Wiedererstehen solcher Einheiten in der NS-Zeit ermöglichten.

Der letzte Teil der Sonderschau zeigt nicht nur die massive Wiederaufrüstung der Gebirgstruppen und ihre Ausstattung mit leichten und schwereren Waffen, sondern auch den schleichenden Einzug der NS-Symbolik in die ab 1935 so firmierende Wehrmacht. Sie war zwar - das wird auch unterstrichen - offiziell politisch neutral verfasst, doch in Uniformdetails und Ehrenzeichen fanden sich mit der Zeit mehr und mehr Elemente nationalsozialistischer Prägung. Wie die Gebirgsjäger als Teil der Wehrmacht dann abermals in einen Vernichtungskrieg einbezogen wurden, wird aber erst die nächste Ausstellung zeigen.