Ingolstadt
Leben bis zuletzt

25 Jahre Hospizverein Ingolstadt sind auch eine Geschichte der unermüdlichen ehrenamtlichen Helfer

14.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr

Manchmal reicht es, einfach die Hand zu halten: Was Hospizbegleiter für ihre Patienten tun, ist sehr vielfältig. Im Hospizverein Ingolstadt leisten die Ehrenamtlichen schon seit 25 Jahren Hilfe. - Fotos: Gülich

Ingolstadt (DK) Der Hospizverein Ingolstadt feiert dieses Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Das Jubiläumsprogramm startet heute mit einem Festakt im Festsaal des Theaters Ingolstadt. Mit dabei ist auch Marianne Schneider aus Großmehring, die seit 18 Jahren ehrenamtlich Sterbende betreut.

Marianne Schneider ist eine von rund 90 ehrenamtlichen Hospizbegleitern des Hospizvereins. Seit 18 Jahren betreut sie Sterbende, zunächst vor allem in einem Pflegeheim, in den vergangenen Jahren hauptsächlich im Elisabeth-Hospiz. "Als meine drei Kinder aus dem Haus waren, wollte ich gerne etwas Sinnvolles machen. Am Anfang war es ein steiniger Weg für mich, in diese Materie einzusteigen", erzählt die Großmehringerin. "Aber irgendwann weiß man, dass der Tod zum Leben gehört. Und man bekommt sehr viel Dankbarkeit und Liebe zurück."

Iris Modl vom Hospizverein vermittelt Begleitungen zu Hause und in Pflegeheimen. "Da gibt es zwar immer mehr palliatives Arbeiten, aber das ersetzt die Zeit, die wir schenken können, nicht", sagt die examinierte Krankenschwester und Diplom-Pflegewirtin. Wenn sie eine Anfrage bekommt, besucht Modl den Patienten und schaut, was benötigt wird: Ein Mann oder eine Frau? Welche Rolle spielen Kirche und Religion? Was ist sonst wichtig? Modl überlegt, welcher Hospizbegleiter gerade freie Kapazitäten hat und passen könnte - und organisiert ein Kennenlernen.

Marianne Schneider geht in ihrer Aufgabe auf, das merkt man, wenn sie von ihren Einsätzen berichtet: "Wenn ich eine neue Begleitung beginne, kenne ich die ungefähre Biografie, besuche den Gast und stelle mich vor. Man lernt so viele Menschen und unterschiedliche Charaktere kennen. Und begleitet gleichzeitig ja immer auch die Angehörigen ein Stück mit", berichtet die 73-Jährige. Die von ihr betreute Person sagt ihr, wie sie die gemeinsame Zeit gestalten möchte. "Das kann eine Unterhaltung sein, singen oder beten, oder wir fahren mit dem Rollstuhl spazieren und gehen ein Eis essen", erzählt Schneider. Manchmal schaue man auch nur zusammen fern. Auch wenn der sterbende Mensch sich nicht mehr über Sprache artikulieren kann, ist Schneider für ihn da: "Man bekommt ein Bauchgefühl, was passt. Manchmal geht es nur darum, die Hand des anderen zu halten, ihm zu vermitteln: Du bist nicht allein."

Ein Gast im Hospiz hat einmal zu ihr gesagt: "Das hier ist das Himmelreich!" "Zumindest eine Vorstufe", lächelt Schneider bestätigend. Ärzte, Schwestern, Angehörige und ehrenamtliche Hospizbegleiter geben sich gemeinsam die größte Mühe, dem Sterbenden zu helfen, die letzte Phase seines Lebens in Würde zu gestalten. Cicely Saunders, die Begründerin der Hospizbewegung, drückte das so aus: "Sie sind wichtig, weil Sie eben Sie sind. Sie sind bis zum letzten Augenblick Ihres Lebens wichtig und wir werden alles tun, damit Sie nicht nur in Frieden sterben, sondern auch bis zuletzt leben können." "Leben bis zuletzt", das heißt für Marianne Schneider, dass sie mit dem Patienten Zeit verbringt, ihm Zuwendung schenkt und für ihn da ist; das ist ihr ein Herzensanliegen. Normalerweise ist sie zweimal pro Woche bei der von ihr betreuten Person, wenn es der schlecht geht, öfter. Ab und an ist sie in dem Moment dabei, wenn ein Mensch seinen letzten Atemzug tut. "Beim Abschiednehmen bin ich selbst so traurig, dass wieder ein Lebensweg zu Ende geht. Gleichzeitig aber auch froh, den Menschen kennengelernt zu haben. Manchmal nur drei Tage, manchmal über eine längere Zeit." Schneider versucht, auf die Beerdigung des Verstorbenen zu gehen, das empfindet sie selbst als Abschluss ihrer Begleitung. Danach nimmt sie sich normalerweise eine Auszeit von zwei, drei Wochen. "Man braucht schon eine Pause, ehe man sich wieder jemand anderem zuwenden kann. Ich muss das ja auch selbst alles erst mal verarbeiten", sagt sie. Besonders schwer ist der Abschied, wenn sich eine richtige Freundschaft entwickelt hat. Schneider erzählt von einem Patienten, den sie über acht Monate betreut hat. Ihre Trauer steht fühlbar im Raum, aber ihre Augen leuchten bei der Erinnerung an gemeinsam verbrachte Stunden. "Und wenn junge Menschen gehen müssen: das ist auch besonders schlimm. Das empfinden die meisten Helfer so, es fühlt sich einfach nicht richtig an und es könnten ja auch meine Kinder sein", so die Hospizbegleiterin.

Die Ehrenamtlichen des Hospizvereins sind auf der Palliativstation des Ingolstädter Klinikums im Einsatz, im Elisabeth-Hospiz, aber auch zu Hause und in Pflegeheimen. "Zusätzlich bieten wir Beratung rund um den Themenkomplex Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung sowie verschiedene Gruppen der Trauerbegleitung an: für Erwachsene, Kinder und speziell auch für verwaiste Eltern, Eltern von Sternenkindern und Angehörige um Suizid", erklärt Ulrike Fitzen, Mitglied des Hospizverein-Vorstands. Alle Ehrenamtlichen haben eine Ausbildung zum Hospizbegleiter absolviert. "Das ist Grundvoraussetzung. Sterbebegleitung kann man lernen, die Hospizbegleiter erhalten im Kurs das Handwerkszeug dazu. Und im Verlauf ihres Dienstes werden sie in Supervisionsgruppen unterstützt", hält Fitzen fest. Marianne Schneider ist froh, ab und zu mit kompetenten Fachleuten reden zu können. "An manchen Fällen hat man nämlich wirklich zu knabbern", sagt sie, fährt aber sogleich fort: "Aber auch wenn es schwierige Situationen gibt: Ich möchte meine Arbeit nicht missen."