Ingolstadt
Kurze Karriere als Geldwäscherin

Frau schickt Waren ins Ausland weiter, die Betrüger mit abgefischten Kreditkartendaten bestellten

16.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:18 Uhr

Ingolstadt (DK) Das Internet treibt Betrügerbanden zu immer neuen Ideen. Fast schon „der klassische Fall“ einer Masche, wie ein Oberkommissar der Ingolstädter Kriminalpolizei sagte, ist dabei der Schlamassel, in den sich eine Ingolstädterin hineinmanövrierte. Ihr nebengewerblicher Ausflug in die Logistikbranche des Onlinehandels endete gestern vor dem Amtsgericht mit einer Verurteilung wegen leichtfertiger Geldwäsche. Richter Peter Hufnagl verhängte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 Euro, also 5400 Euro. Die sichtlich aufgewühlte Frau wusste gar nicht, wie ihr geschah. Sie sei „das Opfer“, versicherte sie.

Da wollte der Kriminaler, der gegen die 30-Jährige ermittelt hatte, gestern auch gar nicht widersprechen. „Die Warenagenten sind immer die Gelackmeierten“, erklärte der Polizist dem Richter, „man muss fairerweise sagen, sie werden missbraucht.“ Und zwar von kriminellen Hintermännern, die offenbar im osteuropäischen Ausland sitzen. Die Betrüger bestellen mit abgefischten Kreditkartendaten ahnungsloser Bürger bei Online-Versandhäusern hochwertige Elektronikwaren. Hier kommt nun die Angeklagte ins Spiel, die als Warenagentin zum Teil der illegalen Maschinerie wurde.

Die Aufgabe der Frau, die im Hauptberuf als überaus zuverlässige Softwareingenieurin in Ingolstadt arbeitet, klingt simpel: Sie war die Lieferadresse und nahm innerhalb von knapp zwei Monaten insgesamt 21 Pakete in ihrer Wohnung in Empfang, öffnete sie und sollte den Inhalt auf Schäden kontrollieren. Dann verpackte sie alles neu und schickte es mit neuem Adressaufkleber ins Ausland – zumeist Litauen. Das alles in dem Glauben, so versicherte sie, einen seriösen Nebenjob auszuüben: Sie habe sich auf ein Stellenangebot im Internet gemeldet, die Webseite des vermeintlich seriösen Logistikunternehmens studiert und auch sonst nie einen Anhaltspunkt für ein krummes Geschäft festgestellt. Als nach zwei Monaten ihres Versandhandels die Polizei vor der Tür stand und einen Schaden von mehr als 13 000 Euro meldete, soll die Warenagentin wohl mehr oder weniger aus allen Wolken gefallen sein.

Dabei sagt die Staatsanwältin Anna Weiss: „Es muss sich ihr aufgedrängt haben!“ Das Warenagentenmodell „stank zum Himmel“, ist auch Richter Hufnagl überzeugt. Denn was die Frau als vermeintliche Dienstleistung verrichtete, „war objektiv gesehen völlig unsinnig“, sagte Hufnagl. Warum ein Paket mit originalverpackter Elektronik (meistens teure Actionhelmkameras) öffnen, alibimäßig auf angebliche Transportschäden überprüfen, neu verpacken und dann ins Ausland weiterschicken – und das für 20 Euro Lohn pro Paket? „Das muss jedem aufgehen“, sagt Hufnagl, „dass da gemauschelt wird.“

Verteidiger Michael Olma widersprach: „Ich frage mich, wo es sich für sie tatsächlich aufgedrängt hat!“ Musste die Frau das Geschäftsmodell ihres Arbeitgebers hinterfragen – selbst wenn es für den Außenstehenden so offensichtlich hirnrissig war? Sie habe nie Rechnungsadressen gesehen, wusste also nicht, dass da im Namen von (geprellten) Kreditkartenbesitzern bestellt wurde. Nie habe sich ein Händler bei ihr, die sie ja die Lieferadresse besaß, gemeldet, um zum Beispiel eine ausstehende Zahlung anzumahnen. Für Olma hatte die Mandantin nicht einmal „leichtfertig“ agiert. Er forderte einen Freispruch – der aber dann nicht kam.

Die Hintermänner bleiben dennoch im Dunkeln. Der Kripobeamte sprach von einer Aufklärungsquote von nahezu null bei dieser Form der Internetkriminalität. Doch der Polizist gibt sich zuversichtlich: „Wir sind in der Steinzeit, was das betrifft. Aber irgendwann wird es eine Besserung geben.“