Ingolstadt
Komasaufen geht zurück

Zahl der Klinikaufenthalte nach Alkoholexzessen bei Kindern und Jugendlichen geht zurück Aber große Probleme mit Kräutermischungen

05.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr

Ingolstadt (DK) Saufen, bis der Arzt kommt. War dies vor ein paar Jahren noch das ungeschriebene Motto bei mancher Jugendparty, so geht dieser Trend bundesweit zurück - auch in Ingolstadt und im Landkreis Eichstätt. Die Krankenkasse DAK hat die aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamtes ausgewertet.

Danach wurden 2014 in Ingolstadt 21,4 Prozent weniger Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 10 und 20 Jahren mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus gebracht als im Vorjahr. Von 55 "Alkoholleichen" waren 22 Mädchen.

Im Landkreis Eichstätt ging die Zahl um 11,9 Prozent zurück. Hier endete für 52 Kinder und Jugendliche, davon 16 Mädchen, ein Trinkgelage im Krankenhaus. Im Landkreis Pfaffenhofen dagegen nimmt das Komasaufen bei Jugendlichen gegen den bundesweiten Trend zu: um 42,1 Prozent gegenüber 2013. In absoluten Zahlen heißt dies: 54 Kinder und Jugendliche landeten 2014 betrunken im Krankenhaus, 29 Jungen und 25 Mädchen. Im Vergleich zum Vorjahr bleibt die Zahl der Betroffenen im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen konstant. Hier mussten 2014 36 Kinder und Jugendliche nach einem Saufgelage in die Klinik.

Im Langzeitvergleich seit 2001 zeigt die Statistik in allen Landkreisen der Region jedoch eine deutliche Zunahme jugendlicher Komasäufer. In Ingolstadt ist diese mit 205,6 Prozent am höchsten. Zum Vergleich: Im Kreis Eichstätt ist die Zahl seit 2001 um 173,7 Prozent angestiegen, im Landkreis Pfaffenhofen um 134,8 und im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen um 140 Prozent.

Einen Rückgang der zu behandelnden Fälle sehen auch die Ärzte im Ingolstädter Klinikum und in der Neuburger Kinderklinik. Florian Demetz, der Leiter der Notfallklinik am Klinikum, bezeichnet Alkoholexzesse, die in Kliniken auskuriert werden müssen, vom Alter unabhängig als "große gesellschaftliche Herausforderung". Auch Erwachsene, die zu tief ins Glas geschaut haben und nicht mehr Herr ihrer Sinne seien, würden oft mehrfach am Tag angeliefert. Manche von ihnen bewusstlos. "Die kommen dann direkt in die Intensivstation." Auch bei Jugendlichen käme es ab und zu vor, dass sie in lebensbedrohlichem Zustand ins Klinikum eingeliefert würden. Exorbitant hoch sei diese Zahl jedoch nicht.

Insgesamt beobachtet auch Demetz eher einen Rückgang. Beispielsweise beim Klenzefest. Bei der großen Sause am letzten Schultag würden nur noch vereinzelt "Alkoholleichen" gebracht. Die Maßnahmen des Stadtjugendringes, der zusammen mit Schülern das Fest von einem Massenbesäufnis zu einer kontrollierten Jugendparty hat werden lassen, haben offenbar gegriffen. Wie berichtet, will sich der Stadtjugendring, der seit knapp zehn Jahren die Aufsicht über das Klenzefest hatte, 2017 aus der Organisation zurückziehen.

In der Regel kommen Kinder und Jugendliche, wenn sie nach einem Saufgelage ins Krankenhaus müssen, in die Kinderklinik nach Neuburg. "Gefühlt" seien hier aus diesem Grund 2015 "etwas weniger" junge Leute behandelt worden, sagt Privatdozent Stephan Seeliger, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin der Kliniken St. Elisabeth. Sie zu stabilisieren sei medizinisch gesehen kein Problem. Ganz im Gegensatz zu jenen Kindern und Jugendlichen, die nach dem Konsum sogenannter Spice- oder Kräutermischungen eingeliefert würden. Die Zahlen hier steigen laut Seeliger sprunghaft an. Die Jugendlichen würden oft bereits intubiert eingeliefert, "sie haben komplett aufgehört zu schnaufen". Das Problem bei der Behandlung: "Wir wissen nicht, was sie genommen haben." Und die Jugendlichen seien sich "nicht bewusst, dass ein einmaliger Gebrauch ausreicht, um sich lebenslang psychisch zu schädigen".