Ingolstadt
Kinder zwischen Freiraum und Bauland

Die Pläne der Stadt für Pausenhöfe und Parkplätze am Schulzentrum Südwest stoßen auf eine breite Front der Ablehnung

25.09.2012 | Stand 03.12.2020, 1:01 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Es war ein anstrengender Abend für Baureferent Wolfgang Scherer. In einer Sondersitzung des Bezirksausschusses Südwest am Montag stieß sein Plan für Parkplätze und Pausenhöfe am Schulzentrum auf starke Ablehnung. Die Rektoren befürchten mangelnden Freiraum für die Schüler.

Wie viel Freiheit brauchen Schüler? Wie viel Platz zur Entspannung steht ihnen rechtlich zu? Und wo verläuft die Grenze zum pädagogisch Gebotenen? Schulalltag und Verwaltungswirklichkeit kollidierten im BZA kräftig. Auf der einen Seite: Baureferent Wolfgang Scherer, der ausdauernd über Vorgaben für Freiflächen und Quadratmeterzahlen in Fülle referierte. Auf der Gegenseite: fast alle anderen in der Mensa des Schulzentrums. Vor allem viel Publikum, das den drei Wortführern wider die städtischen Pläne kräftigen Applaus schenkte. Die Rektoren Anton Jungwirth (Mittelschule), Heinz Hinzen (Fronhofer-Realschule) und Karl-Heinz Haak (Apian-Gymnasium) opponierten sachlich, aber sehr energisch, wie man es bei bayerischen Schulleitern recht selten erlebt.

„Ich bin der Rektor der Mittelschule auf dem Parkplatz!“, so begann Jungwirth seine Erwiderung. „Wir sind von Autos eingezwängt. Wie sollen wir da einen Pausenhof gestalten, auf dem sich die Kinder gern aufhalten? Wir brauchen keine asphaltierte Fläche, keine Wüste, sondern Sitzbänke und Spielgeräte!“ Haak fuhr ebenso entschlossen fort: „Die Pläne der Stadt sind für mich nicht nachvollziehbar. Wir reden hier von drei Schulen, die stark wachsen. Wie schaut’s da mit der Zukunftsfähigkeit aus? Von welchen Schülerzahlenprognosen geht die Verwaltung eigentlich aus“ Denn die Entwicklung zur Ganztagesschule beschleunige sich. „Immer mehr Kinder sitzen von früh bis spät im Unterricht. Daher appelliere ich an den Stadtrat: Wir brauchen ausreichend Freiflächen!“

Scherer hielt dagegen: Der Gesetzgeber fordere vier Quadratmeter Freifläche je Schüler. „Wir erfüllen mit sechs Quadratmetern die Vorgaben leicht!“ Erwiderung Haak, Hinzen und Jungwirth: Die geplante Verdichtung im Süden der Schulen sei „zu hingequetscht“, Schüler und Lehrer müssten sich an Autos und zig Radständern vorbei „auf das Gelände durchschlängeln“. Raimund Reibenspieß, der BZA-Vizevorsitzende, ein Lehrer im Schulzentrum, stimmte mit ein: „Die Schule hat sich zuletzt stark verändert. Schule bedeutet für uns heute Lebensraum, daher brauchen wir Aufenthaltsqualität!“

Die Räume werden deswegen eng, weil dem Neubau von Mittel- und Realschule einige Parkplätze zum Opfer gefallen sind. Die müssen ersetzt werden. Die Stadt möchte sie an der Maximilianstraße ansiedeln. Gegenvorschlag der Rektoren und Elternbeiräte: Die Parkplätze sollen an die Gustav-Adolf-Straße, die östlich am Schulzentrum vorbei führt. Dort wäre auf einem Grünstreifen viel Platz. FW und SPD unterstützen die Idee. Aber die Stadt ist dagegen, denn der Grund ist sehr wertvoll.

Scherer rechnete vor, dass die Parkplätze an der Gustav-Adolf-Straße die wohl teuersten weit und breit wären. „Wir wollen die nötigen Flächen auf eigenem Grund bereitstellen, ohne zum Nachbarn gehen zu müssen – auch wenn wir selbst der Nachbar sind.“ Damit meinte er: Der attraktive Grünstreifen gehört der Stadt. Sollte sie darauf verzichten, das Bauland zu verkaufen, würden ihr 400 Euro je Quadratmeter entgehen. Addiere man die Baukosten dazu, käme man auf 12 500 Euro pro Parkplatz. Nötig seien 100 Stück. „Mit dieser Variante müssten wir eine Million Euro mehr ausgeben, ohne einen substanziellen Mehrwert zu erhalten.“

Es waren Argumente wie diese, die nach fast zwei Stunden bewegter Debatte den stellvertretenden Chef des Apian-Gymnasiums, Alfred Stockmeier, zu einer Grundsatzfrage führten: „Die Verwaltung soll dem Wohl der Bürger verpflichtet sein, aber warum reden wir hier mehr über Parkplätze als über Kinder“ Sie würden heute schließlich „oft länger in der Schule sitzen als manch anderer im Büro!“

Scherer wiederholte: Alle Vorgaben seien erfüllt und Reserveflächen vorhanden, außer an der Gustav-Adolf-Straße, weil zu wertvoll. „Und letztlich“, fügte der Baureferent an, „ist das die Entscheidung des Stadtrats.“

Doch mit dieser Aussage provozierte er noch stärkere Kritik. Wieso habe die Verwaltung keine einzige Variante ausgearbeitet, um die Meinungsbildung der Stadträte zu erleichtern? Das musste sich Scherer mehrfach anhören. Fronhofer-Chef Hinzen wollte wissen: „Wie kann ich politisch entscheiden, wenn ich keine Alternativen sehe“

Das sei kein guter Stil, fanden auch die SPD-Stadträte Thomas Thöne und Manfred Schuhmann. „Jetzt hat man endlich mal die Chance, keine Schulhöfe zupflastern zu müssen, und dann nutzt man sie nicht!“, kritisierte Schuhmann. Sein Vorschlag: Den Grünstreifen an der Gustav-Adolf-Straße fünf Jahre freihalten und die Entwicklung der Schulen beobachten.

Walburga Majehrke, die BZA-Vorsitzende, ließ alle Bedenken und Empfehlungen protokollieren. Für die nächste Debatte.