Ingolstadt
"Jetzt bin ich endlich mobil"

26.02.2010 | Stand 03.12.2020, 4:13 Uhr

Sicher hinter dem Steuer: Achim Bensinger hat die Führerscheinprüfung bestanden. - Foto: Milenz

Ingolstadt (DK) Autos haben Achim Bensinger schon immer begeistert. Marke, Modell, Motorisierung – über all das muss er nicht lange nachdenken. Nun hat der 25-Jährige sich einen Traum erfüllt: Er hat den Führerschein gemacht. Für Achim keine Selbstverständlichkeit, denn er ist geistig behindert.

Sein Defizit ist Achim Bensinger kaum anzumerken. Der 25-Jährige weiß sich auszudrücken und erzählt voller Leidenschaft von seinen Hobbys. Neben dem Sport haben es ihm vor allem Autos angetan. Mit leuchtenden Augen spricht der Ingolstädter davon, dass im Dezember 2009 sein großer Traum in Erfüllung gegangen ist: Er hat die Führerscheinprüfung bestanden. Für Achim bedeutet das eine enorme Erleichterung. "Jetzt bin ich endlich mobil. Ich kann mich mit meinen Freunden treffen, und meine Mutter muss mich nicht mehr ständig fahren."

Gute Unterstützung

Seine Familie hat immer an den 25-Jährigen geglaubt. Insbesondere seine Mutter hat mit ihm gelernt und ihn moralisch unterstützt. Großen Anteil an seinem Erfolg hatte aber auch das Caritas-Zentrum St. Vinzenz. Seit frühester Kindheit wurde Achim dort gefördert und ausgebildet. Er ist einer von insgesamt nur drei Absolventen, die ihr Vorhaben, den Führerschein zu machen, in die Tat umsetzen konnten. Dem entsprechend stolz ist Roberts Krigers, Schulleiter des Caritas-Zentrums, auf seinen ehemaligen Schützling, der seit mittlerweile sechs Jahren in den Lebenshilfe-Werkstätten arbeitet: "Was Achim geschafft hat, ist wirklich außergewöhnlich", stellt er fest.

Anfängliche Skepsis

Etwas über ein Jahr hat es gedauert, bis der Autoliebhaber seinen ersehnten Führerschein endlich in den Händen halten konnte. "Mit den Fragebögen im theoretischen Teil hatte ich zu Beginn große Probleme", gibt Achim freimütig zu. "Bei der ersten Theorieprüfung bin ich dann auch mit 27 Fehlern durchgefallen, obwohl mir die Fragestellung nochmal vorgelesen und ganz genau erklärt wurde."

Doch wo andere aufgegeben hätten, beschloss Achim, dass er im wahrsten Sinne des Wortes Gas geben wollte. Im nächsten Anlauf bestand er den theoretischen Teil und die Fahrstunden konnten beginnen. "Ich hatte ursprünglich geplant, nur den Schein für Automatik-Autos zu machen, aber mein Fahrlehrer meinte, ich würde auch mit Schaltgetriebe fahren können." Und so war es dann auch. Ob Autobahn, Überland oder Parkhaus – Achim meisterte die Herausforderungen, die auf ihn warteten, mit Bravour. "Die Prüfung war dann auch gar kein Problem. Nach einer guten halben Stunde war alles vorbei und ich hatte bestanden. Und das im ersten Anlauf. Sogar mein Bruder hat’s erst beim zweiten Versuch geschafft."

Doch Achim Bensinger ist ein Ausnahmefall. Keinesfalls sollte sein Erfolg den Anschein vermitteln dass jeder ihm nacheifern könne, warnt Max Söldner, Lehrer des Caritas-Zentrums. "Achim ist nicht das Maß aller Dinge. Wenn ein Mensch im Alltag nicht für sich sorgen kann, muss man sich fragen, ob er dann in der Lage ist, den Führerschein zu machen." Söldner gibt offen zu, dass er anfänglich skeptisch war, als er von Achims Plänen erfuhr. "Mittlerweile freue ich mich für ihn, aber zu Beginn war bei mir schon ein gewisses Sorgenpotential vorhanden. Nicht nur wegen meines ehemaligen Schülers, sondern auch wegen der anderen Verkehrsteilnehmer."

Neugewonnene Freiheit

Dass Achims Erfolg eine Ausnahme ist, darauf besteht auch Peter Koch, Leiter der Lebenshilfe-Werkstätten. "Es ist in so einem Fall unheimlich wichtig, dass das soziale Umfeld stimmt, bei Achim ist das glücklicherweise gegeben. Zudem ist er außergewöhnlich verantwortungsbewusst." Und Roberts Krigers ergänzt: "Er kennt seine Grenzen und achtet ganz bewusst darauf, niemanden zu gefährden."

Die Männer wissen, wovon sie reden, beide kennen Achim seit Jahren. An seiner Arbeitsstätte hat der 25-Jährige schon längst von sich reden gemacht. Dort montiert er unter anderem – passend zu seiner Vorliebe für Autos – Schalthebelverkleidungen und Aktivkohlefilter. Und wenn jemand nicht weiter weiß, dann fragt er Achim, denn der weiß immer einen Rat. Achim ist sich seines guten Rufs bewusst, umso mehr erscheint ihm denn auch die Diskussion um seine Fahrtauglichkeit müßig. Er freut sich lieber über die neugewonnene Freiheit, vergisst dabei aber nicht zu betonen, dass er ein guter Straßenverkehrsteilnehmer ist. So fährt der bekennende Audi-Liebhaber ganz bewusst nicht sein Traumauto, denn "in meinem Peugeot habe ich einfach eine viel bessere Rundumsicht."

Und seine Familie und Freunde sind sowieso schon längst von Achims Fahrkünsten überzeugt. "Anfangs waren die natürlich schon erstaunt, dass ich jetzt Auto fahren kann, aber inzwischen fahren alle gerne bei mir mit."