Ingolstadt
Jeder so gut er kann

Die Johann-Nepomuk-von-Kurz-Schule geht auf die Bedürfnisse der Schüler individuell ein

22.03.2017 | Stand 23.09.2023, 2:45 Uhr

Pädagogisch wertvoll: Bevor die Zweitklässler der K-Schule eine Wortschatzübung begonnen haben, bastelte Klassenlehrerin Kathrin Renz (2. v. l.) mit ihnen Katzen aus Tonpapier, um sie spielerisch an die Konsonantenfolge ,tz' heranzuführen. - Foto: Schmeizl

Ingolstadt (DK) Im 165 Jahre alten Kavalier Elbracht ist die Johann-Nepomuk-von-Kurz-Schule, kurz K-Schule, beherbergt. Das Förderzentrum ist auf den Bereich körperliche und motorische Entwicklung spezialisiert. Ein Besuch in einer Schule, in der die persönliche Förderung großgeschrieben wird.

"Jetzt sind die Katzen mal leise. Einmal dürfen sie noch miauen - dann legen sie sich aber unter den Stuhl, bis sie wieder rauskommen dürfen." Ein lautes Miau in den unterschiedlichsten Tonlagen hallt durch den Klassenraum. Danach legen die Schüler die gefalteten Tonpapierkatzen, auf denen Augen und Nase eingezeichnet sind, unter ihren Hocker. Genau so, wie sie die Klassenlehrerin Kathrin Renz dazu aufgefordert hat. Die Kinder sitzen in einem Stuhlkreis zusammen. An der Tafel nebenan steht in großen Buchstaben ,tz'. An diesem Vormittag lernen die Kinder diese Konsonantenfolge, die auch im Wort Katze zu finden ist. "Seit dieser Woche sind wir richtige Katzenexperten", sagt die Lehrerin und deutet auf alle Kinder. "Deshalb müssten wir jetzt fast jede Frage beantworten können." Welches Geräusch machen Katzen, wenn man sie krault? Die Schüler miauen. "Falsch", sagt Renz. Um den Kindern auf die Sprünge zu helfen, fordert eine Schulbegleiterin eine Zweitklässlerin auf, einmal die Lehrerin rechts neben sich zu kraulen. Die Schülerin streicht Renz vorsichtig über den Rücken - die Lehrerin gibt ein zufriedenes Grrr von sich. Da wissen es die Kinder und rufen: "Schnurren!" Für die richtige Antwort haben sich die Kinder eine Katzenzunge aus Schokolade verdient, vorsichtig nimmt sich jeder kleine Katzenexperte einen Riegel aus der Verpackung, einige erhalten Unterstützung von den Schulbegleiterinnen.

Zehn Zweitklässler sitzen in einem der Klassenräume des Kavaliers Elbracht, ein denkmalgeschützter Festungsbau. Sie gehören zu den 108 Schülern der Johann-Nepomuk-von-Kurz-Schule (kurz: K-Schule). Alle zehn haben einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich körperliche und motorische Entwicklung. Das bedeutet, sie haben dauerhafte körperliche Beeinträchtigungen, die zum Beispiel durch Epilepsie, infantiler Zerebralparese, Muskelerkrankungen oder Querschnittslähmungen hervorgerufen werden. In der K-Schule lernen Kinder aus der ganzen Region 10, zu der Ingolstadt, Neuburg, Pfaffenhofen und Eichstätt gehören.

Im Klassenzimmer geht der Unterricht weiter. Ohne dass es die Schüler bemerkt haben, ist die Lehrerin vom Spielerischen zu einer Wortschatzübung übergegangen. Renz verteilt auf dem Boden im Stuhlkreis Wortstreifen. Die Aufgabe: Einen davon mit der gefalteten Papierkatze nehmen, zur Leseschranke gehen und das Papier in einen Umschlag auf der Tafel stecken. Annika schnappt sich einen Streifen und begibt sich zur Leseschranke - eine imaginäre Grenze, die die Schüler passieren müssen, um zu zeigen, dass sie das Verb mit ,tz' lesen können und auch den Sinn verstehen. Wenige Meter vor der Tafel wartet eine Schulbegleiterin auf Annika. Die Zweitklässlerin liest Buchstabe für Buchstabe. Danach erklärt sie: "Es blitzt, wenn ein Auto zu schnell fährt." Die Dame lacht herzlich und sagt: "Richtig. Aber blitzen kann es auch am Himmel, oder" Die Schülerin nickt und stapft zur Tafel. Dort legt sie den Papierstreifen vorsichtig in den Umschlag. Das Konzept der Leseschranke ist für die Kinder nicht nur ein unterhaltsames Spiel, sondern fördert auch das sinnentnehmende Lesen. "Das bereitet oft Schwierigkeiten, deshalb auch die Leseschranke, an der die Kinder das Wort erklären müssen", sagt Renz.

Hopfengärtner ist eine Visionärin. Vor über 30 Jahren hat sie eine Seminararbeit zum Thema Inklusion geschrieben - in einer Zeit, als Förderschulen noch Sonderschulen hießen und das Thema Inklusion im öffentlichen Diskurs noch weitgehend unbeachtet war. Damals war sie davon überzeugt, dass ein inklusives Schulsystem funktionieren kann - "aber nur, wenn mehr Fachpersonal die Regelschule unterstützen würde". An dieser Meinung hält sie bis heute fest: "Eine Inklusionsklasse braucht unbedingt die Unterstützung eines Sonderpädagogen - daran mangelt es aber zurzeit oftmals noch", betont die erfahrene Rektorin.

Eigentlich wollte Hopfengärtner, die seit sieben Jahren Schulleiterin der K-Schule ist, schon in Pension gehen, dann habe sie die Regierung aber davon überzeugt, weiterzumachen. Der Schritt, sich in den Ruhestand zu begeben, fällt der 64-Jährigen schwer: "Wenn man gern arbeitet und einem die Arbeit Spaß macht, dann ist es gar nicht so leicht aufzuhören", sagt sie. Bevor Hopfengärtner in Pension geht, hat sie aber noch Ziele, die sie verwirklichen möchte - "davor kann ich auf keinen Fall aufhören".

Ein Projekt ist die Realisierung einer Nachmittagsbetreuung am Förderzentrum. Zwar gibt es an der K-Schule eine Heilpädagogische Tagesstätte (HPT), in der Kinder bis 16.30 Uhr betreut werden. In diese können jedoch nicht alle Schüler gehen, zum einen, weil nicht alle die Kriterien dafür erfüllen, zum anderen weil sie nur 63 Plätze hat. "Weil wir aber 108 Schüler haben, gibt es eine Lücke bei der Nachmittagsbetreuung", so Hopfengärtner. Die Verhandlungen mit dem Bezirk Oberbayern, dem Sachaufwandsträger, über die Installation einer Ganztagsbetreuung laufen.

Ob die Kinder der K-Schule an einer Regelschule besser aufgehoben wären? Wer Lehrerin Renz im Unterricht zusieht, kann sich das kaum vorstellen. Mit viel Geduld und pädagogischem Geschick geht sie auf ihre zehn Schützlinge ein und fördert individuell. Auf einer Regelgrundschule bekommen, wie Hopfengärtner erklärt, alle Kinder meist denselben Arbeitsauftrag. Das ist am Förderzentrum anders, weil das Leistungsvermögen der Schüler unterschiedlich ist. Was bedeutet das für die Lehrkraft? "Bei uns muss ein Lehrer im Unterricht unwahrscheinlich viel differenzieren. Das heißt: Der eine Schüler bekommt ein Arbeitsblatt mit vielen Aufgaben, der andere eines mit weniger Aufgaben. Der eine bearbeitet ein einfacheres Thema, der andere ein schwierigeres", erklärt die erfahrene Rektorin. Hopfengärtners Grundsatz: "Den Fokus darauf legen, was ein Kind kann - und nicht auf das, was es nicht kann."

Xenia Schmeizl