Ingolstadt
Im Netz der Datenfischer

Privatsphäre im Internet: Expertenrunde diskutiert zum Thema in der Kolpingakademie

23.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:47 Uhr

Sie diskutierten in der Kolping-Akademie über Datenschutz und Datenmissbrauch: Oliver Brunner, Nadja Hirsch, Moderator Sebastian Steinmayr, Christian Heller und Stephan Eschenbacher (von links) - Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) Persönliche Daten sind für den einzelnen Bürger eine hochsensible Angelegenheit. Doch in einer weitgehend digitalisierten Welt herrscht für viele mittlerweile so etwas wie ein gefühlter, mitunter sogar scheinbar akzeptierter, Kontrollverlust: Per Internet wird eingekauft, Geld überwiesen, Behördliches abgewickelt und ungeniert – über teils fragwürdige Servicedienste – kommuniziert.

Dabei geben die Nutzer häufig eine Menge persönlicher Merkmale von sich preis. Und die gespeicherten Datenmengen werden immer größer, das Spektrum des Datensammelns immer umfangreicher. Wer schützt die Menschen da noch wirksam vor Missbrauch oder Datenklau? Das war eine der zentralen Fragen einer Podiumsdiskussion am Dienstagabend mit Experten aus Politik, Wirtschaft und Behörden in der Kolpingakademie.

Es könnte so einfach sein: Öffne keinen unbekannten Mailanhang, klicke auf keine unbekannten Links und aktualisiere stets deinen Virenscanner. Eine Handvoll einfachster Grundregeln legt IT-Spezialist Stephan Eschenbacher seinen Kunden nahe, um sich vor den gängigsten Bedrohungen aus dem Internet zu schützen. „Schon ist 90 Prozent aller Privatanwender im Internet geholfen“, behauptet er. „Die erste präzise Antwort des Abends“, das fand dann auch Moderator Sebastian Steinmayr, angesichts des für Laien schwer zu durchschauenden Themas, nachdem etwa eine halbe Stunde Diskussionszeit verstrichen war. Bis dahin verlief der Meinungsaustausch – auch nach Meinung einiger Zuhörer – eher abstrakt, teils sehr theoretisch, aber auch spannend, wie der eine oder andere Teilnehmer der nur mittelmäßig gut besuchten Veranstaltung abschließend feststellte.

Datenschutz sei immer schwerer durchsetzbar, sagte Christian Heller, Autor des Buches „Post-Privacy: Prima leben ohne Privatsphäre“. Der Blogger weiter: „Wir müssen uns auf eine Welt einstellen, in der sich Privatsphäre auflöst.“ Dies nicht nur wegen des Profitdenkens der Wirtschaft und der Überwachung durch Staaten, sondern weil die Technik hierfür immer erschwinglicher werde. Ein „Einsiedlerleben im Wald“ sieht er als einzige Chance, sich dem zu entziehen: „Alle anderen sind aufgeschmissen.“

Nadja Hirsch, medien- und netzpolitische Sprecherin der FDP im EU-Parlament, beurteilte dies ähnlich: Vollständiger Datenschutz sei zukünftig nur bedingt möglich. Das Argument für mehr Sicherheit stoße die Tür dafür immer weiter auf, sagte sie und nannte als Beispiel das automatische Notrufsystem eCall, das ab Oktober 2015 von der EU verbindlich in allen Neufahrzeugen vorgeschrieben ist. Als Konsequenz befürchtet sie unter anderem „weniger Pluralität“, beispielsweise im Konsumverhalten, aber auch, dass Menschen für mehr Datenschutz künftig bezahlen müssen.

„Je wichtiger Daten sind, desto mehr muss man sie schützen“, fand Oliver Brunner, stellvertretender Referatsleiter beim Landesbeauftragten für den Datenschutz. Er glaubt, dass man personenbezogene Daten weiterhin ausreichend schützen kann. Hinsichtlich der Idee eines EU-Netzwerks, einer Art abgeschirmten innereuropäischen Internets also, gab er sich aber skeptisch: „Rechnernetze haben nichts mit Ländergrenzen zu tun“, sagte er.

Stephan Eschenbacher, der auch Sprecher der Regionalgruppe Bayern im Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands ist, war der Meinung, dass der einzelne private Nutzer untergehe in der Datenmasse. „Wir sind in Deutschland vom Datenschutz in Europa am besten aufgestellt“, sagte er. Eine Bank könne aber nichts dafür, dass es Phishing – den illegalen Versuch also, an Nutzerdaten zu gelangen – gebe.

Für Hirsch ist es nicht nachvollziehbar, dass es in der EU 28 verschiedene Datenschutzrichtlinien gibt. Sie machte aber auch darauf aufmerksam, wie lange der Weg hin zu einheitlichen Richtlinien sein könne. Große Bedenken äußerte sie hinsichtlich der Bestrebungen, Netzwerktechnik immer mehr in den privaten Wohnraum vordringen zu lassen, und warnte vor damit verbundenen, menschlichen Verhaltensveränderungen, die eintreten könnten. Die Politikerin, die auch Psychologie studiert hat, wörtlich: „Das ist der Zeitpunkt, wo die Freiheit weg ist.“

Moderator Steinmayr ließ sich letztlich noch zu der These hinreißen, dass die Deutschen, die seit 1989 auf „Friede und Wohlfühlen fixiert“ waren, darüber womöglich ihr technisches Know-how verloren haben. Rundum befriedigende Antworten zum Thema konnte der Abend kaum vermitteln. Eine Erkenntnis aber blieb: Wem im Netz Böses widerfährt, der könne nicht einfach mit dem Finger auf jemand anderen zeigen, sagte Steinmayr zum Schluss.